Eigener Inhalt Trend zum SUV ungebrochen: Hoch und heilig wird geheuchelt

Wolfgang Plank

Selbst Frauen mögen es mittlerweile statt grün lieber groß. Ihr Anteil am SUV-Eigentum geht stramm auf ein Drittel zu. Da wird’s dann schon mal eng vor dem Bioladen.

 
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Es bleibt gut zu tun in den Kreativ-Abteilungen der Ämter und Ministerien. Immer mehr Feinstaub, immer mehr Stickoxide – und jetzt auch wieder mehr CO2. Weil kaum noch einer Diesel kaufen mag, ist dieser Wert bei Neufahrzeugen 2017 erstmals wieder gestiegen. Auf knapp 128 Gramm je Kilometer. Wo man sich doch den Klimaschutz in der EU vereint mit den Autobauern so wunderbar schöngerechnet hatte. Um da bis 2021 auf die vollmundig vereinbarten 95 Gramm zu kommen, sind bei Grenzwerten und Berechnungsmethoden wohl noch diverse Kunstgriffe notwendig.

Selbstverständlich sind nicht nur Politiker und Produzenten schuld an dem Umwelt-Dilemma. Auch die Käufer tragen nach Kräften dazu bei. Seit Jahren ist das Verlangen nach Hochbeinigem ungebrochen. Jedes vierte Auto hierzulande ist bereits ein Sports Utility Vehicle. Tendenz: weiter stark steigend. Wirklich gebraucht werden sie von den Wenigsten. Und darum scheint für die Anschaffung der rollenden Klimasünden auch kein Argument zu fadenscheinig.

Dass die Stadt-Panzer fast alle gleich aussehen – geschenkt. Aufragend ist mittlerweile deutlich wichtiger als aufregend. Drei Zentimeter mehr Bodenfreiheit, schwarzer Kunststoff um die Radläufe, ein Hauch von Unterfahrschutz – schon gibt’s kein Halten mehr. In einer Auto-Welt, die von immer mehr Menschen als Krisengebiet empfunden wird, ist Sicherheit ein Wert an sich. Und was, wenn nicht eine Art Expeditionsfahrzeug würde besser das Gefühl vermitteln, selbst in feindlicher Umgebung bestehen zu können?

So viel Geborgenheit braucht Platz. Airbags müssen unterkommen, dazu die wachsende Schar der Assistenten, und die Crash-Vorschriften erfordern immer mehr umbauten Raum für Knautschzonen – vor allem in der Breite. All das macht die Autos größer und schwerer. Mehr Masse aber erfordert größere Bremsen – und in der Folge immer wuchtigere Felgen. Und die wiederum führen zu immer höheren und dickeren Autos. Grundlegend andere Design-Ideen kommen da schlicht unter die Räder.

Was folgt, ist eine Art Gruppenzwang. Weil immer mehr erhaben auf dem Hochsitz thronen, mag der Rest sich immer weniger im Wortsinn herabgesetzt fühlen. Selbst der einst so beliebte Premium-Sportwagen schützt da nicht mehr vor Minderwertigkeitskomplexen. Und also bedienen den Wunsch nach Bodenfreiheit mittlerweile sämtliche Hersteller in allen Preisklassen. Nicht mal mehr bei Maserati, Bentley und Rolls Royce geht es ohne höhere Weihen und dicke Backen. Und sogar bei Porsche gilt: Cayenne ist der neue Carrera.

Kein Wunder, dass der freie Raum schon jetzt mehr als knapp wird. Autos und Infrastruktur passen längst nicht mehr zusammen. Am besten zu beobachten ist das bei der Parkplatz-Suche. Wie breit die Lücke sein muss, findet sich in der Garagenverordnung. Da hat zwar jedes Bundesland eine eigene, doch gemeinsam ist ihnen vor allem eines: die Nostalgie. Fast alle sind Relikte aus seligen Käfer-Zeiten. Und weil der von Kotflügel zu Kotflügel gerade mal 1,58 Meter maß, liegt die Norm für Stellplätze noch immer bei 2,30 Meter.

Fahrer von Q7 und Co. kommen da schnell in massive Probleme und nehmen beim Abstellen die weiße Linie gerne mittig. Fahrerinnen übrigens auch. Denn selbst Frauen mögen es mittlerweile statt grün lieber groß. Ihr Anteil am SUV-Eigentum geht stramm auf ein Drittel zu. Da wird’s dann schon mal eng vor dem Bioladen.

Apropos: Selbstverständlich finden auch SUV-Besitzer das mit der Erderwärmung ganz schrecklich. Ähnlich wie Politiker, denen kein Flug zu weit ist, um vor den Folgen des Klimawandels zu warnen. Aber dummerweise geht quer durch die Republik die Unterschrift für den Schutz des Regenwaldes genauso leicht von der Hand wie das Kreuzchen bei Top-Motor und Exclusive-Paket. Selten hat der Eisbär weniger zu lachen als bei des Deutschen Autokauf.

Da hilft es auch nicht, sich per Akku-Pack ein vermeintliches Öko-Siegel ans Heck seines Zweieinhalb-Tonners zu pappen. Denn der scheinbare Emissionsvorteil ergibt sich ja nur daraus, dass die Ladung der Batterie nicht mitgerechnet wird. Ist sie erst leergefahren, verbraucht ein Doppel-Herz-Auto auf dem Rest der Strecke sogar deutlich mehr. Und solange der Strom großteils aus Kohle stammt, steht ohnehin nur der Auspuff woanders.

Auf diese Heuchelei sind sie jetzt sogar schon in den Fuhrparks der Ministerien gestoßen…

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