Eigener Inhalt Wir müssen reden ...

Wolfgang Plank

Am Anfang war der Motor. Und weil beim Motor auch Strom war, kam bald darauf der Schalter. Sehr bald sogar. Schalten heißt walten. Über Licht, Scheibenwischer, Heizdrähte in der Heckscheibe. Über alles Elektrische. Mit Zeit und Fortschritt wuchs die Anzahl, und bald gab es Schalter für alles Erdenkliche. Druckschalter, Kippschalter, Drehschalter. Große und kleine, ein- und mehrstufig, mit und ohne Kontrollleuchte. Die Steuerung schien vollendet.

 
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Irgendwann kamen die ersten Cockpit-Displays – und kluge Menschen auf die Idee, den einen oder anderen Schalter ins Lenkrad zu verlegen. Damit man der Verkehrssicherheit wegen die Finger nicht mehr vom Volant zu nehmen brauchte. Sich fortan beidhändig durch diverse Ansichten drücken und rädeln zu können, machte die Sache aber nicht wirklich besser, weil noch immer der Blick nicht stetig dort bleiben konnte, wo er eigentlich hingehört.

Das änderte sich auch nicht grundlegend, als der Touchscreen die Armaturentafeln eroberte, und handelsübliche Mittelkonsolen plötzlich aussahen wie Smartphones. Mit vielen bunten Kacheln – und denselben fatalen Folgen. Früher hätte man für eine Stufe mehr Gebläse ohne hinzusehen einen Drehregler bewegt, jetzt heißt es, sich aufwändig durch Menüs zu tippen – den Blick weiterhin eher auf den Bildschirm gerichtet als auf die Fahrbahn.

Da waren Jahrzehnte automobiler Evolution durch die Fahrgastzellen gezogen, aber noch immer kann man am Steuer kaum etwas ins Werk setzen, ohne zumindest ein bisschen unaufmerksam zu sein. Doch genau das ist eine der häufigsten Unfallursachen. Nach Ermittlungen des Allianz-Zentrums drücken fast zwei Drittel aller Autofahrer hierzulande während der Fahrt am Navi herum, beinahe ebenso viele suchen den richtigen Sender. Und zwei Sekunden Ablenkung bedeuten nun mal bereits bei Tempo 50 fast 30 Meter Blindfahrt, bei 130 auf der Autobahn sind es schon mehr als 70.

Was für ein seltsamer Fortschritt? Da geben sich die Hersteller alle Mühe, wichtige Informationen direkt auf die Frontscheibe zu projizieren, nur damit man den Blick kein bisschen vom Verkehrsgeschehen zu nehmen braucht – und dann müssen wir irgendwo mühsam über Glas wischen, nur weil wir das Radio ein wenig leiser haben wollen. Noch nicht mal die zwischenzeitlich erfundene Gesten-Steuerung funktioniert gänzlich ablenkungsfrei. Und erstaunlicherweise darf man während der Fahrt zwar nicht mit dem Handy telefonieren, aber ohne Ende einigermaßen dämlich anmutende Bewegungen vollführen.

Aktuell allerdings sieht es tatsächlich nach dem ganz großen Umbruch aus. Dank moderner Technik kann man mit den ersten Wagen bereits auf die vernünftigste aller Arten kommunizieren: per Sprache. Die vermutlich höchste Stufe, sich dem Vehikel mitzuteilen. Vor allem aber die sicherste. Sprechen lenkt den Blick nicht ab, erfordert keinerlei Bewegung und öffnet ganz nebenbei noch sämtliche Türen in die umgebende digitale Welt. Alexa fürs Auto. Wahlweise Siri.

Doch nicht nur für den Fahrer zieht die Zeit des Redens herauf. Man wird vom Rücksitz aus "hinten ein Grad kühler" sagen können – und die Klimaanlage wird auch darauf spontan reagieren. Dagegen sieht selbst der hochauflösendste Touchscreen aus wie eine Leihgabe aus dem Museum für prähistorische Bedientechnik. Und es wird wohl nicht allzu lange dauern, bis man für derlei Komfort noch nicht mal mehr in einer Luxuslimousine sitzen muss.

Zentrales Element der beginnenden Plauderei zwischen Mensch und Maschine ist einfach bloß ein Assistent, der auf natürliche Sprache reagiert. Zuverlässig, versteht sich. Und darum darf mittlerweile sogar ein gerüttelt Maß an Dialekt sein, versprechen die Zulieferer. Mehr noch: Mit jedem Wort lernen die Akustik-Diener dazu. Die ersten antworten sogar schon. Und ein gutes Gedächtnis haben sie obendrein.

Der Sicherheit im Verkehr mag das alles höchst förderlich sein, ob auch der unserer Privatsphäre erscheint zumindest zweifelhaft. Nach jeder Bestellung, ja nach jeder Suche, wird unser Laptop noch für Tage überschwemmt von ähnlichen Angeboten. Gut möglich, dass Autos Stimme künftig auch Sonderangebote säuselt. Ungefragt und gesteuert von wessen Interessen auch immer.

Ein stummer Diener wird irgendwann vermutlich extra kosten . . .

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