Eigener Inhalt Zukunft? Bitte warten ...

Wolfgang Plank

Wer wissen will, wie das werden könnte mit dem Elektroauto, dem genügt auf der IAA im Grunde ein einziger Blick. Zu werfen von der Empore der Mercedes-Halle. Hinunter dahin, wo nebeneinander zwei Silberne stehen: Project One - ein auf 275 Exemplare limitierter und bereits ausverkaufter 1000-PS-Renner zum Stückpreis von drei Millionen Euro. Und Concept EQA - eine E-Studie mit 270 PS und 600 Kilometern Reichweite. Um die Rakete auf Rädern drängen sich die Besucher, als gäbe es das iPhone X gratis, bei der Volt-Vision verlieren sich ein paar Neugierige. Emotion kann man eben nicht verordnen.

 
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Es ist das Wesen einer Messe, Künftiges zu zeigen. Auszustellen, was morgen Maß sein wird. Doch zum Hochamt der Hersteller taugt die IAA (bis 24. September) nicht mehr. Weil eben nichts mehr einfach weiterfährt wie bisher – aber nicht zwangsläufig verfängt, was soll. Das eine wie das andere haben noch nicht alle begriffen. Am wenigstens Verbands-Boss Matthias Wissmann, der trotz Diesel-Betrugs und Kartell-Vorwürfen vor "Fanatikern" warnt, gegen die sich die Autoindustrie wehren müsse.

Da ist der Druck, endlich saubere Autos zu bauen, weil Kläger auf Luft-Grenzwerte pochen und Gerichte mit Fahrverboten drohen. Und vielleicht auch kleinere Wägelchen, damit in den Innenstädten nicht der Kollaps zur Regel wird. Was aber steht in gleißendem Licht auf Drehtellern? Das im Vergleich zum Vorgänger noch gewachsene SUV.

Die Leute wollten derlei, heißt es. Und die Statistik scheint das zu belegen. Aber haben sie tatsächlich eine Wahl, wenn es kaum noch anderes gibt als wuchtige Wagen, denen man die Federbeine langgezogen hat? Soll wirklich ein BMW X7 die Zukunft sein? Ein Monstrum, gegen das sich Auto-Zeichnungen eines Dreijährigen filigran ausnehmen, und dessen Niere aussieht, als hätten zwei Gullideckel in der Front eingeschlagen.

Da ist das Problem, dass ausgerechnet diese Brummer die Elektrifizierung vorantreiben sollen. Weil die schweren Akkus da weniger auffallen und die hohen Kosten. Ein bisschen Plug-In hier, ein wenig 48-Volt-Hilfe da – wer mehr Strom will, muss bei deutschen Herstellern warten. Was es gibt, sind Studien, Visionen, Concept-Cars. Und große Versprechungen, ab 2025 würde es aber so was von losgehen. Mit immer leichteren Batterien, immer größeren Reichweiten, immer tolleren Modellen. Jetzt kaufen und dafür nicht ganz so toll fahren, aber akzeptabel? Leider nein.

Da ist die Schleudergefahr für das klassische Geschäftsmodell. Es bestand über Jahrzehnte darin, ordentliche Autos auf die Straße zu bringen. Doch längst steht man mit Tesla in Konkurrenz – und vielleicht mehr noch mit Google, Apple und sogar kleinen Start-up-Unterehmen. Weil die Zukunft nicht dem Auto gehört, sondern der Mobilität. Und so ist die Vision nicht fern, dass die einen vernetzen und verdienen, während die anderen für kleines Geld nur mehr Bleche biegen und Achsen schweißen.

Da ist der Holzweg, auf den besonders die Premium-Hersteller verstärkt abbiegen. Mit Fahrspaß zu werben – aber in jedem Winkel Assistenten zu verbauen. Mag sein, dass betreutes Fahren in Staus oder Baustellen angenehme Seiten hat – aber wer, dessen Herz ein bisschen für das Auto schlägt, würde, erst recht bei einem High-Tech-Gefährt, das Steuer einem gleichnamigen Gerät überlassen?

Wenn das Auto von morgen erst vollautomatisch rollt, warum sollte man sich noch für ein ganz bestimmtes entscheiden? Wer fährt wie im Taxi, dem reicht eine Art Taxi. Motor, Getriebe oder Fahrwerk sind dann ja keine Kriterien mehr. Und in der Folge auch nicht mehr Emotionen oder Markentreue. Allenfalls gibt es noch Freude am Sitzen. Freude am Fahren war dann gestern.

Da sind die Kunden, denen trotz aller Öko-Schwüre die Umwelt nicht so lieb ist, dass sie ihnen auch richtig teuer wäre. Und weil der Umweltengel stets mit Leistung und Ledersitzen konkurriert, gehören die Zulassungsrekorde eben nicht den Stadtflitzern und Stromern, sondern auskömmlich dimensionierten Geländewagen. Auch wenn die meisten von denen nie einen Meter Feldweg unter die großen Rädern bekommen.

Und da ist die Politik, die keine verlässlichen Rahmenbedingungen vorgibt. Da redet die Bundeskanzlerin erst den Diesel tot, um tags darauf zu verkünden, er werde noch Jahrzehnte gebraucht. Welcher Hersteller soll da vernünftig planen?

Wen bei derart düsterer Zukunft ein wenig Wehmut nach Mobilen erfasst, mit denen man kein bisschen mehr konnte als einfach nur fahren, der ist in Halle 6 gut aufgehoben. Dort zeigt der AvD eine Sonderschau "Die wilden 70er". Garantiert ohne Assistenzsysteme, ohne Elektronik und ohne Komfort. Aus der Zeit, als Autofahren noch Arbeit und Abenteuer war. Und irgendwie unbeschwert…

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