Veranstaltungstipps Gisbert zu Knyphausen: "Ich möchte nicht abgedroschen klingen"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Quelle: Unbekannt

Kritikerliebling Gisbert zu Knyphausen legt nach siebenjähriger Pause sein drittes Soloalbum vor. „Das Licht dieser Welt“ klingt traurig, aber auch ein bisschen optimistisch.

 
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Ist es Ihr erklärtes Ziel, der doch recht eingefahrenen deutschsprachigen Popmusik ein paar neue Seiten abzugewinnen?
Mein Ziel beim Schreiben ist, den immer wiederkehrenden Songthemen eine eigene Note zu verleihen und vielleicht die eine oder andere Zeile zu finden, die so noch nicht gesungen wurde. Ich möchte gute Songs schreiben, die in sich funktionieren und nicht abgedroschen klingen. Meine Ziele sind bescheiden.

Wie lange suchen Sie nach den Worten und den Tönen?
Die Musik kommt immer recht schnell, wenn ich am Klavier oder an der Gitarre sitze. Die eigentliche Suche ist die nach den richtigen Worten. Dabei lasse ich mir viel Zeit, weil ich immer wieder zweifle, wenn ich die ersten Strophen geschrieben habe. Manchmal trage ich einen Song monatelang mit mir rum. Das ist Puzzlearbeit. Und für die Arrangements haben ich mir mit meinen Produzenten Jean-Michel Tourette und Florian Eilers diesmal mehr Zeit genommen als bei den früheren Platten. Wir haben die Songs nicht wie sonst live aufgenommen.

Wie war die Zuammenarbeit mit Jean-Michel Tourette, dem kreativen Kopf der Band Wir sind Helden?
Wir haben uns zufällig im Urlaub kennengelernt und mögen uns sehr gerne. Jean ist ein besonnener Mensch und toller Produzent. Ich bin wechselhaft in meinen Launen, was die Songideen angeht. Bei „Kommen und gehen“ hatten wir eine schöne Bandversion zurechtgetüftelt, bis ich gemerkt habe, dass diese Geschichte eigentlich intim erzählt werden muss.

In „Kommen und Gehen“ versetzen Sie sich in einen alten Menschen hinein.
Eine Strophe handelt von einem sehr alten Menschen, der kurz vorm Tod steht und sich Gedanken darüber macht, wie das wohl wird. Und dann wird die Geschichte erzählt von einem todgeborenen Kind, das nicht mal die Chance hat, das Licht dieser Welt zu erblicken. Wahrscheinlich mein bis jetzt traurigster Song.

Das Thema Tod ist sehr präsent auf Ihrer Platte. Sicher kein Zufall, oder?
Nein, das ist kein Zufall. Mit dem Thema Tod musste ich mich in den letzten Jahren auseinandersetzen. Zum einen ist mein Kollege Nils Koppruch kurz nach der Veröffentlichung unseres gemeinsamen Kid-Kopphausen-Albums unerwartet gestorben. Und ein Jahr später verstarb meine Oma. Ich hielt ihr die Hand, als sie ging.

„Unter hellblauem Himmel“ thematisiert das Tabu Sterbehilfe. Wie kam es dazu?
Das hatte ich zu Beginn des Songs gar nicht als Ziel, aber es hat sich reingeschlichen. Ich habe keine persönlichen Erfahrungen mit dem Thema, aber es beschäftigt mich immer wieder. Sterbehilfe ja oder nein – ich finde, das ist sehr schwer zu beantworten.

Würden Sie Sterbehilfe leisten, wenn man Sie persönlich darum bäte?
Es kommt auf die Person an. Wenn es ein Mensch ist, der sonst nicht überlebensfähig wäre und dadurch vom jahrelangen Dahinvegetieren im Krankenhaus befreit werden würde, würde ich es wohl machen, ja. Das sage ich jetzt so einfach. Aber wer weiß, wie es wäre, wenn man wirklich in diese Situation käme.

Den Song „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“ hat der verstorbene Nils Koppruch begonnen und Sie haben ihn beendet. Ist Ihnen das leicht gefallen?
Die Trauerarbeit hatte ich schon vorher geleistet. Ich wollte keinen Text darüber schreiben, wie es mir nach seinem Tod geht. Wir hatten für den Song schon Arrangements eingeprobt, aber Nils meinte, er hätte für unser gemeinsames Album stärkere Songs und ließ ihn erstmal ruhen. Ich habe ihn jetzt wieder ausgegraben und festgestellt, es ist ein toller Song. Ich habe ihn um ein paar Zeilen und den ganzen C-Teil ergänzt. Ich finde es schön, Nils noch mit auf der Platte zu haben. Und zwar mit einem sehr postiven Song.

Sollen Ihre Songs die Realität genau abbilden, also die Wirklichkeit kopieren, oder etwas völlig Abstraktes schaffen, in das jedes Individuum etwas Eigenes hineininterpretiert?
Die meisten meiner Texte versuchen, etwas von der Wirklichkeit abzubilden und darüber hinaus ins Fiktionale überzugehen. Ich mag es gerne, wenn man versteht, worüber der Sänger singt. Auf diese Weise kann man Menschen leichter berühren.

In letzter Zeit sind Sie viel gereist, nach Russland, Iran, Albanien, lebten längere Zeit im Süden Frankreichs. Aus dieser Phase stammt „Teheran Smiles“.
Ich habe die Zeit genutzt, als ich noch Geld auf dem Konto hatte, und das dann für Reisen ausgegeben. „Teheran Smiles“ schrieb ich nach meiner Reise in den Iran, weil sie mich so beeindruckt hat. Ich wollte meine Eindrücke in englische Worte fassen, damit die Menschen dort es auch verstehen.

Was hat Sie am Iran und den Iranern besonders beeindruckt?
Es war meine erste Berührung mit dem Iran abseits der politischen Schlagzeilen. Ich finde es immer schön, wenn man Land und Leute in alltäglichen Situationen kennenlernt. Ich habe dort eine überbordende Gastfreundlichkeit erlebt.

Kann man im Iran individuell reisen?
Man kann sich dort frei bewegen, solange man seine Kamera nicht gerade auf militärische Anlagen richtet. Ich war von einer iranischen Mitarbeiterin der deutschen Botschaft eingeladen, die sich um den Kulturaustausch kümmert. Ich war vor allem in Teheran und auch ein paar Tage in der Steppe.

Waren Sie dort als Botschafter der deutschen Kultur unterwegs?
Ja, man ist dort irgendwie Botschafter der deutschen Kultur, aber ich sah mich nicht in einer offiziellen Rolle. Ich konnte mich mit iranischen Musikern austauschen und wir haben sogar Songs zusammen geschrieben. Man bereist ein Land anders, wenn man dort Leute über die Musik kennenlernt. Im Iran macht man sehr schnell Bekanntschaften, weil man in den Straßen oft angesprochen wird. Immer auf höfliche Art und Weise.

Gibt es im Iran eine Clubkultur?
Schwierig. Im Iran unterliegt alles der Zensurbehörde. Man muss eigentlich jedes Konzert und jede Plattenveröffentlichung genehmigen lassen. Man hat es nicht leicht, wenn man im Iran Musik machen möchte. Aber in einer Stadt wie Teheran existiert auch alles heimlich im Untergrund. Ausstellungen und Clubs sind da.

Haben Sie Gemeinsamkeiten festgestellt zwischen sich und iranischen Künstlern?
Eine tolle Erfahrung war, als wir mit der Band und anderen Musikerfreunden in die Wüste fuhren. Dort spielten wir abends immer Jam-Sessions. Es waren viele andere Sänger dabei, die in ihren Klageliedern voller Inbrunst eine schöne Traurigkeit auslebten. Das hat mich mit meinem Hang zu melancholischen Songs ausgesöhnt. Einige der Musiker, die ich traf, waren bereits in Amerika auf Tour.

Muss man sich bei offiziellen Konzerten im Iran an eine bestimmte Etikette halten?
Es darf zum Beispiel nicht getanzt werden. Aber die Künstler testen ihre Grenzen immer weiter aus und gucken, wie weit sie gehen können, ohne Ärger zu bekommen. Frauen dürfen jetzt in Fußballstadien und auf Konzerte sowieso. Aber Bands mit Hauptsängerinnen gibt es nicht. Das wird umgangen, indem vier oder fünf Männer dabei stehen uns so tun, als würden sie singen. Oder die Männer singen die Chorstimmen. Die Iraner finden tausend Wege, solche Regeln zu umgehen.

Wie reist man nach solchen intensiven Erfahrungen wieder zurück in die Heimat? Hatte Teheran Einfluss auf Ihr gegenwärtiges Leben in Deutschland?
Unbewusst bestimmt. Ich kann es nicht genau benennen. Auf jeden Fall will ich mir etwas von dieser Offenheit, Herzlichkeit und Gastfreundschaft abgucken. Ich lade jetzt aber keine Fremden von der Straße zum Essen ein, das ist ja in Deutschland ein bisschen anders.

Als freischaffender Künstler muss man ja das Rad am Laufen halten, damit man weiter davon leben kann. Kann man es sich da überhaupt erlauben, nur alle Jubeljahre eine Platte herauszubringen?
Es gibt jeden Monat hunderte von Musikern, die Aufmerksamkeit wollen. Ich finde nichts schlimmer als Bands, die eine Pflicht erfüllen, indem sie alle zwei Jahre eine neue Platte herausbringen. Bei manchen denkt man auch, hätten sie sich doch noch zwei Jahre Zeit gelassen, dann wäre es vielleicht geiler geworden. Ich will gute Songs schreiben und mir ist es egal, wie lange das dauert. Ich kann es mir eigenlich nichts vorstellen, dass es bis zu meiner nächsten Platte noch einmal fünf Jahre dauert, aber wenn es so ist, dann finde ich es auch nicht schlimm. Scheinbar funktioniert es auch so. Ich bin jedenfalls noch nicht in Vergessenheit geraten.

Ihre Familie gehört zum ostfriesischen Uradel. Haben Sie Ahnenforschung betrieben?
Wir entstammen einem ostfriesischen Adelsgeschlecht. Es gibt in Wilhelmshaven die Burg Kniphausen. Dort kann man unsere Familiengeschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Der ursprüngliche Burgherr nannte sich Häuptling. Ich bin nie so tief in unsere Familiengeschichte eingetaucht, aber ich finde es schön, dass alles für die Nachwelt dokumentiert wurde.

Hatten Ihre Eltern sich für Sie eigentlich eine ganz andere berufliche Laufbahn vorgestellt?
Ich habe auf jeden Fall eine andere Karriere eingeschlagen als meine Brüder. Mein Vater hätte es lieber gesehen, wenn ich etwas Handfesteres gelernt oder Wirtschaft studiert hätte, aber eigentlich wollen Eltern immer nur finanzielle Sicherheit für ihre Kinder. Als sie irgendwann merkten, dass ich mit der Musik auch Geld verdiene und die ersten Zeitungsartikel erschienen, waren sie ganz zufrieden mit mir. Mittlerweile veranstalten wir sogar ein Musikfestival bei uns zuhause auf dem Hof. Mein Vater freut sich immer sehr darüber.

Zu Knyphausen auf Tour

Der deutsche Liedermacher geht auf „Das Licht dieser Welt“-Tour und gastiert am 23. Januar um 20 Uhr im E-Werk in Erlangen. Karten für das Konzert gibt es bei uns.

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