Veranstaltungstipps Interview

Mit einem neuen Album aus Gefühlen und Authentizität im Gepäck macht sich die deutsche Popband Pur um Sänger Hartmut Engler jetzt erneut auf die Reise durch die großen Konzerthallen des Landes. Foto: Ralph Larmann

Auf dem 16. Album "Zwischen den Welten" fordert Pur mehr Toleranz und setzt ein Zeichen gegen Fremdenhass. Wir sprachen mit Frontmann Hartmut Engler.

 
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In "Alles was noch kommt" halten Sie Rückschau auf Ihr bisheriges Leben. Was gelingt Ihnen heute besser als früher?

Pur auf Tour

Die deutsche Popband Pur geht auf Arena-Tour und gastiert am 1. Dezember um 20 Uhr in der Arena in Nürnberg. Karten gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.


Das Lampenfieber ist erträglicher geworden. Meditation hilft mir da sehr. Ich lese viel über buddhistische Philosophie. Der spirituelle Geist, der sich in mir breit macht, ist in die Texte mit eingeflossen. Zudem habe ich mir als Klangfarbe eine Sitar gewünscht. Als junger Mensch bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten, weil ich mich mit dieser Institution nicht voll identifizieren konnte. Mir hat dann aber eine gewisse Spiritualität gefehlt. Über das Buch "Das weise Herz" von Jack Kornfield habe ich eine andere Denkweise entdeckt, die mir das Leben leichter macht. Wir sitzen jetzt gerade hier, reden ganz entspannt und ich muss nicht an übermorgen denken. Die Achtsamkeit für das, wo wir gerade sind und was uns umgibt, geht uns Menschen verloren durch unsere permanente Planerei.

Sie vermieten Ihr Elternhaus an syrische Flüchtlinge. Wollen Sie damit ein Zeichen setzen?

Ich fand das richtig, weil meine Eltern auch Heimatvertriebene waren. Der Gedanke, ein Haus, das Flüchtlinge gebaut haben, an andere Flüchtlinge zu vermieten, ist tröstlich.

Welche Leidensgeschichte haben diese Syrer?

Sie kommen aus einem kleinen Dorf, das komplett zerbombt wurde. Da steht kein Haus mehr. Ein Bruder ist Arzt, einer Apotheker und einer Student. Das sind ganz feine Leute. Zuerst dachte ich, in solch einem konservativen Dorf gibt es vielleicht Anfeindungen, aber die Nachbarschaft hilft ihnen sogar. So kann es auch gehen.

Kippt die positive Stimmung der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen gerade?

Das Perverse ist, da, wo kaum Flüchtlinge sind, wo der Ausländeranteil am geringsten ist, da wächst die Fremdenfeindlichkeit. In anderen Teilen des Landes, wo Toleranz und Offenheit herrschen, werden sie eigentlich gut integriert.

Muss man als Künstler Stellung beziehen in einer Zeit voller unerfreulicher Ereignisse?

Ich beziehe als Mensch Stellung. Weil mir viele zuhören, überlege ich mir genau, wie ich mich äußere. Und ich muss es aushalten, dass ich etwas zurückkriege. Ich kann auf einem Album zwölf Liebeslieder singen, dann entziehe ich mich jeder Diskussion und nehme auch nicht an der sozialen Veränderung teil. Oder ich bin offen für alle möglichen Themen.

Hilft Kunst in schwierigen Zeiten?

Zumindest weiß ich durch das Feedback, das ich bekomme, dass unsere Musik für viele Menschen durchaus eine Relevanz hat. Es geht bis hin zu Statements wie "Ihr habt mein Leben gerettet!" Ich habe eine Verantwortung, wenn ich mich öffentlich äußere, und die nehme ich auch an. Deshalb ist alles, was ich singe, mehrfach durchdacht.

Legen Sie auf die Texte mehr Wert denn je?

Ich war schon immer sehr sorgfältig, das sind ja keine Schnellschüsse. Als ich um meinen Vater getrauert habe, schrieb ich "Walzer für dich", um mir noch einmal klarzumachen, was da passiert ist. Beim letzten Album habe ich mir das Leben meiner Mutter, die damals 90 wurde, noch einmal angeschaut. Als sie dann starb, war ich mit mir im Reinen.

In welche Lebenssituation wurden Sie hineingeboren?

Ich wurde in eine Lebenssituation hineingeboren, in der ich als Nachzügler das Glück der Familie dann doch noch vervollständigt habe. Ich wurde verhätschelt, aber ich musste wirklich alle happy machen. Meine Eltern haben sich viel gestritten, und ich war der Schlichter, weil ich ein lieber kleiner Kerl war. Man hat mir die Last auferlegt, für Harmonie zu sorgen. Das hat mich zu einem harmoniesüchtigen Menschen gemacht. Ich gehe keiner Konfrontation aus dem Weg, aber ich ertrage es bis heute ganz schwer, mich von jemandem zu trennen, mit dem ich nicht im Reinen bin. Das verursacht bei mir wiederum Affen im Kopf, die mich nicht einschlafen lassen. Das ist ein Bild aus der buddhistischen Philosophie.

Im Titelsong "Zwischen den Welten" nennen Sie Donald Trump und Willy Brandt in einer Zeile. Warum ausgerechnet Brandt?

Willy Brandt ist mein All-time-Lieblingspolitiker, weil ich meine politische Sozialisation mit ihm erlebt habe. Er war ein Visionär und der einzige Politiker, den ich wegen seiner Haltung bewundert habe. Donald Trump ist das extreme Gegenteil. Ich habe mir schon damals gern Bundestagsdebatten angesehen. Die Reden von Urgesteinen wie Herbert Wehner waren zum Teil großartig. Gegen Franz Josef Strauß bin ich zum ersten Mal demonstrieren gegangen, weil ich ihn ziemlich heftig fand. Aber verglichen mit Trump war er ein Waisenknabe.

Wie erhalten Sie sich Ihren Optimismus in einer Zeit voller unerfreulicher Ereignisse?

Ich bin grundsätzlich in allen Lebenslagen pessimistisch, weil ich mich richtig darüber freuen will, wenn es dann doch nicht so schlimm kommt, wie ich es befürchtet habe. Es ist ein Zweckpessimismus. Wenn bei Bandsitzungen beschlossen wird, wie groß die Hallen bei einer Tournee sein sollen, bin ich immer derjenige, der sagt: "Ob wir das noch hinkriegen?" Und über ein "Ausverkauft" freue ich mich immer am meisten. Fazit: Ich bin zwar ein Pessimist, aber ein hoffnungsfroher.

Das Gespräch führte Olaf Neumann

Das ganze Interview findet sich auf

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www.np-coburg.de

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