Veranstaltungstipps Interview

Mit "Kl eine große Liebe" ist vor Kurzem nicht nur ein, sondern gleich zwei neue Alben von Annett Louisan erschienen. Jedes enthält zehn Songs. Foto: Marie Isabel Mora

Annett Louisan ist die Stimme des deutschen Chansons. Viele Gold- und Platin-Alben stehen für sich. Mit neuen Songs geht sie auf Tour.

 
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Annett, Ihr neues Album heißt "Kleine große Liebe". Was ist Ihre große Liebe?

Annett Louisan auf Tour

Die deutsche Sängerin tritt auf ihrer "Kleine große Liebe Tour" am 29. Oktober um 20 Uhr in der Meistersingerhalle in Nürnberg auf. Karten gibt es bei uns.


Das sind meine beiden. Mein Mann und unsere zweijährige Tochter Emmylou Rose.

Wie hat das Mädchen Ihr Leben verändert?

Sie hat alles auf den Kopf gestellt. In den letzten fünf Jahren war ordentlich was los bei mir. Wir sind umgezogen, leben nicht mehr mitten in St. Georg, sondern in einem Haus nahe der Alster, und selbstverständlich kommst du nicht mehr erst nachts um 2 Uhr nach Hause, wenn du dich um ein kleines Kind kümmerst. Obwohl meine Nächte heute härter als früher sind, weil sie noch häufig aufwacht, bin ich glücklicher, gelassener und ausgeglichener, als noch vor ein paar Jahren, nicht mehr so getrieben. Ich glaube, die Jahre um die 40 sind Übergangsjahre, da ist einfach viel los im Kopf. Veränderungen können auch Wachstumsschmerzen hervorrufen, sie sind aber so wichtig. Ich finde es auch generell anstrengend, ein glückliches Leben zu führen. Je älter man wird, desto mehr muss man dafür tun.

Kann man sich vornehmen, glücklich zu sein?

Ja, inzwischen kann ich das. Früher bin ich durchs Leben gegangen und habe auf das Glück gewartet, manchmal passierte es dann und manchmal nicht. Glück bedeutet für mich heute vor allem, dass ich einen Sinn in meinem Leben sehe. In den vergangenen Jahren gab es Phasen, in denen ich nicht richtig zufrieden war. Ich dachte, irgendwas fehlt mir. Teilweise habe ich mir selbst das Leben schwer gemacht und hatte zu große Angst davor, Fehler zu machen.

Sie haben fünf Jahre kein Album mit eigenen Songs veröffentlicht, und jetzt gleich zwei. Wieso denn das?

Die Lieder waren überreif, sie mussten endlich raus. Für mich gehören diese 20 Songs zusammen, auch wenn sich die "Kleine Liebe" und die "Große Liebe" stark unterscheiden.

Die "Große Liebe" ist klar auf so einen 80er-Jahre-Pop-Sound produziert. Wie kam es dazu?

Ich hatte Lust zu experimentieren. Bei der Arbeit mit Peter Plate merkte ich, dass es mich in eine frankophile Pop-Richtung zog und dass die Songs mich an die Musik meiner Kindheit erinnerten, an France Gall oder auch an Madonna. Mein Herz ist richtig aufgegangen und das Musizieren hat so viel Spaß gemacht. Und ich finde, meine Stimme passt richtig gut zu diesen etwas avantgardistischen Sounds.

In "Belmondo" singen Sie die hübsche Zeile: "Im Fernsehen läuft was mit Belmondo, und ich schau auf deinen schönen Arsch". Thema ist das abflauende sexuelle Begehren in einer langen Beziehung.

Ich bin darauf vorbereitet, dass Journalisten fragen, ob dies eine persönliche Geschichte ist (lacht). Eine langjährige Beziehung zu führen, das ist eine gewaltige Aufgabe. Man braucht sehr viel Respekt, und es gibt auch Momente, wo man sich nicht so nah ist. Ich finde, das darf man auch mal aussprechen und das darf auch so sein. Man kann sich nicht immer auf einem Hoch befinden.

Wie lange sind Sie noch mal mit Ihrem Mann zusammen?

Seit acht Jahren. Ich kann aber sagen, ich liebe ihn heute mehr als je zuvor, und er mich hoffentlich auch. Die Beziehung hat sich durch unser Kind natürlich erst mal verändert, wir haben nicht mehr so viel Zeit füreinander wie früher. Aber hier zeigen sich die wahren Qualitäten eines Paares. Oft müssen wir selbst über uns lachen, zwei kleine Arbeiter in der Kleinfamilie, die sich durch den Schlafmangel kämpfen. Wir haben halt 40 Jahre lang ein anderes Leben gelebt, und dann kommt so ein kleiner Wirbelwind und nimmt dich total in Anspruch. Ein Kind schweißt auch zusammen, ich kann nur Positives berichten.

Wollten Sie immer Kinder haben?

Ja, bei mir war der Wunsch immer da, bei meinem Mann auch. Wir haben lange wild gelebt und das genossen, sind viel gereist, die Zeit ging sehr schnell vorbei. Dann war ich auf einmal 39 und er 43, und man hörte schon so ein bisschen die Uhr ticken.

Ist das zarte "Kleine Liebe"-Lied "Die schönsten Wege sind aus Holz" eine Art Zwischenfazit der ersten fast 42 Jahre Annett Louisan?

Ja. "Holz" habe ich aufgenommen, als ich im zehnten Monat schwanger war, mit ganz viel Wasser in den Beinen und tiefergelegter Stimme. Frank Ramond und ich haben den Text geschrieben; die wunderschöne Melodie, die mich an Friedrich Hollaender erinnert, kommt von Martin Lingnau. Worum es in dem Lied geht? Praktisch alle wundervollen Dinge in meinem Leben sind passiert, wenn ich durch ein Tal gegangen bin, eine Angst überwunden oder auch mal Scheiße erlebt habe. Es lohnt sich einfach durchzuhalten und nicht bitter zu werden. Ich will keinen Hass empfinden. Der tut niemandem gut.

Die Botschaft ist also "Ich bereue nichts"?

Genau. Ich habe immer so sehr nach Perfektion gestrebt, war die Geisel meiner eigenen Erwartungen. Heute fällt es mir leichter, mir selbst auch zu verzeihen. Mir geht es besser damit, freundlich zu mir selbst zu sein. Und um zu dieser Selbstzuneigung zu kommen, muss es einem wohl erst richtig schlecht gehen. Ich hatte eine Art Midlife Crisis, war immer müde und auf der Suche, aber ich wusste nicht, wonach. Es musste immer alles schneller, höher, extremer werden. Der Erfolg hat mich irgendwann doch ganz schön unter Druck gesetzt, obwohl ich das nie wollte. Das tut einem natürlich nicht gut. Ich hatte sogar schon überlegt, ob ich nicht besser etwas ganz anderes mache. Auch mit dem schönsten Beruf der Welt sieht man ab und zu den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Wie werden Sie die beiden Alben auf der Bühne umsetzen?

Vielleicht in mehreren Akten. Ich glaube, dass sich alles musikalisch sehr gut zusammenfügt. Ich will die Show insgesamt sehr filmisch aufziehen und die älteren Stücke so inszenieren, dass sie wie neu wirken.

Das Gespräch führte Steffen Rüth

Das ganze Interview findet sich auf

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