Shakira, Sie haben in einem Hotel direkt an der Sternschanze übernachtet und konnten wegen der Blockaden und Demonstrationen die Herberge zunächst nicht verlassen. Wie haben Sie selbst den Aufenthalt in Hamburg erlebt?
Das „Global Citizen Festival“ war wunderbar, ich habe den ganzen Abend sehr genossen. Aber jetzt ist es natürlich echt chaotisch, die Situation wirkt etwas verrückt. Erst konnten wir nicht los, und dann jetzt muss es auf einmal ganz schnell gehen, weil ich sonst meinen Flugtermin verpasst hätte. Hoffentlich komme ich noch nach Hause (lacht).

Sie sind Kolumbianerin mit libanesischen Wurzeln, haben lange in den USA und in Argentinien gewohnt und leben heute in Barcelona. Mit Ihrer Stiftung setzen Sie sich seit zwanzig Jahren insbesondere für die Bildung von Kindern und Jugendlichen in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Ihrer Heimat Kolumbien ein. Mehr Weltbürgerin und Aktivistin geht gar nicht, oder?
Noch mehr geht natürlich immer. Mein Leben ist oft das eines Mädchens im Bonbonladen. Ich habe den Wunsch und auch die Verantwortung, selbst einige Bonbons an Menschen zu verteilen, die nicht so privilegiert sind.

Haben Sie jemanden der G20-Teilnehmer in Hamburg sprechen können?
Ja. Den argentinischen Präsidenten Mauricio Macri und Justin Trudeau, den Premierminister Kanadas. Beide sind Schlüsselpersonen bei den Plänen, die wir für die Bildung umsetzen wollen. Präsident Macri ist Gastgeber des nächsten G20-Treffens 2018 in Buenos Aires, wo unsere Initiative, ein internationaler Bildungsfond, verabschiedet werden soll. Und Justin Trudeau ist ein vorbildlicher Vorkämpfer, wenn es um die Bildung von Mädchen und die Karriere von Frauen geht. Sehr gern würde ich demnächst den französischen Präsidenten Emmanuel Macron kennenlernen, auch für ihn ist Bildung eine besonders wichtige Aufgabe.

Was erwarten Sie von einem Treffen wie dem G20-Gipfel?
Nun, natürlich erhoffe ich mir, meine Herzensangelegenheit, die Bildung, voranzubringen. Damit verbunden sind so viele andere wichtige Themen: Chancengleichheit, Teenager-Schwangerschaften, Kinderarbeit, Gleichberechtigung. Viele dieser Probleme lassen sich lindern, wenn Kinder eine Schule besuchen und mehr erfahren über ihre Möglichkeiten, ihre Gesundheit. Bildung ist ein Menschenrecht, und kein Luxus.

Was haben Sie von den Protesten mitbekommen?
Ehrlichgesagt hatte ich mich vorher nicht damit beschäftigt und war entsprechend überrascht. Ich weiß zu wenig über die Gründe der Demonstranten, um darüber sprechen zu können.

Sie sind einer der globalsten Popstars überhaupt. Ohne Globalisierung gäbe es Shakira nicht in dieser Form. Können Sie nachempfinden, wenn Menschen Vorbehalte gegenüber der Globalisierung haben?
Ich bin absolut für die Globalisierung. Andere Kulturen und Weltanschauungen kennenzulernen, ist der erste Schritt, andere Menschen zu verstehen und in Frieden zu leben. So viele Konflikte entstehen, weil uns gegenseitig die Empathie fehlt. Wie Mark Twain schon sagte: Reisen ist tödlich für meine Vorurteile. Heutzutage reisen wir nicht mehr nur real, sondern auch virtuell. Also, Globalisierung ist die Richtung in der wir uns bewegen, und sie ist eine Einbahnstrasse. Meine Meinung ist: Entweder kommst du mit an Bord, oder du wirst zurückgelassen.

Sogar vor Chris Martin, dem Sänger von Coldplay, machen Sie mit deinem Bildungsauftrag nicht halt. Ihr habt beim „Global Citizen Festival“ ihre Songs „Chantaje“ und „Me Enamoré“ im Duett präsentiert, Chris sang seine Zeilen in erstaunlich flüssigem Spanisch. Haben Sie ihm das beigebracht?
Ha! Ja. Ich war sein Coach. Und war ich nicht echt gut als Coach? Er hat das richtig toll hingekriegt (lacht). Chris ist glücklicherweise ein Naturtalent, was Sprachen angeht. Er lernt echt schnell. Und sein musikalisches Ohr hilft ihm, sich eine musikalische Sprache wie Spanisch anzueignen. Hut ab vor Chris.

In „Me Enamoré“ singen Sie unter anderem über ein, zwei Mochitos. Mit wem trinken Sie die Cocktails in dem Lied?
Mit Gerard. Dieser Song ist wie eine Seite aus meinem Tagebuch. Ich beschreibe, wie ich Gerard, den Vater meiner Kinder, das erste Mal beim Videodreh zu „Waka Waka (This Time For Africa“) in Los Angeles traf, und wie ich mich fühlte, als ich ihn sah. Nämlich, als hätte der Blitz eingeschlagen. Der ganze Song handelt von diesem einen Moment. Dem Moment, der mein ganzes Leben verändert hat (lacht).

Das war 2010. Wie läuft es bei euch sieben Jahre später?
Yeah, schon sieben Jahre. Wir sind wirklich, wirklich glücklich, es läuft super. Wir haben jetzt eine Familie, zwei Jungs, also, alles ist phantastisch.

„Coconut Tree“ ist auch ein Liebeslied, dass von Gerard und Ihnen handelt, richtig?
Yeah, yeah. Das ist eine komplett wahre Geschichte. Gerard ist auf diesem Album auf unheimlich vielen Songs präsent, die ganze Platte ist so autobiographisch wie wohl keine zuvor. Bei nur wenigen Alben hatte ich so viel Freude bei der Arbeit im Studio wie bei „El Dorado“. Und außerdem bin ich superglücklich, dass ich wieder auf Tournee gehe, die Vorfreude ist wirklich, wirklich megariesig. Ich habe jetzt so viele Songs, ich bin mir komplett sicher, dass die Menschen sehr viele meiner Lieder mitsingen werden. Bis vor kurzem war mir das gar nicht so bewusst, wie viel Musik ich über die Jahre aufgenommen habe. Also, ich verspreche hier und jetzt: Die Konzerte werden ein phänomenaler Spaß für alle Beteiligten (lacht).

Sie singen auf „El Dorado“ überwiegend auf Spanisch statt auf Englisch. Macht dir das mehr Spaß?
In dieser Frage bin ich immer schon meinem Instinkt gefolgt. Dieses Mal kamen mir die meisten Ideen auf Spanisch. Als ich mit der Platte begann, war ich kurz vorher zum zweiten Mal Mutter geworden, das Leben war also gerade besonders turbulent, und ich brauchte eine Zeit, um mich wieder auf die Musik konzentrieren zu können. Irgendwann platzte dann der Knoten wie von selbst. Ich glaube, meine Kreativität lässt sich vielleicht vorübergehend aufstauen, aber bis jetzt sprudelt sie immer weiter. Ich habe noch so viele Ideen!

Worum geht’s denn jetzt in „Coconut Tree“ genau? Sie singen über die Anfangszeit ihrer Beziehung.
Hach, da lag so viel Magie in jenen ersten Tagen. Was war das herrlich. Mit jedem Tag lernte ich diesen Menschen ein kleines bisschen besser kennen. Aber weißt Du, was das Allerschönste ist? Ich glaube nicht, dass ich diese Phase schon verlassen habe. Das Wundervolle am Zusammenleben mit Gerard ist, dass er mich jeden Tag überrascht. Er blüht als Mensch immer weiter auf, ich staune immer wieder neu, was für ein toller Mann er ist, was für ein wundervoller Vater, was für ein außergewöhnlicher Mensch. Auch als Partner ist er einmalig. Meine Liebe für Gerard wächst immer noch weiter.

Auf dem Coverfoto von „Me Enamoré“ sind SIe in einen Baum geklettert und umarmen nun einen dicken Ast. Was hat es damit auf sich?
Ich hatte Gerard gerade kennengelernt und bereitete mich auf meine Tournee vor. Ich fühlte diese Explosion in meinem Herzen und konnte mich kaum unter Kontrolle halten. Ich umarmte also im wörtlichen Sinne Bäume. In dieser Stimmung ist das Foto gemacht worden, das ich irgendwann auf meinem Handy wiederentdeckt hatte. Jetzt feiere ich damit sieben Jahre später unsere Liebe.

Sie sind im Februar vierzig Jahre alt geworden. War das ein großer Moment?
Klar, 40 wirst du ja nur einmal im Leben. Ich merke mein Alter aber eigentlich nur dann, wenn ich darüber nachdenke, wie lange ich das hier schon mache. Und wenn ich dann Fans treffe, die mir erzählen, dass sie schon seit über zwanzig Jahren dabei sind. Ich bin sehr dankbar für meine Karriere und überglücklich, dass ich so viele Menschen mit meiner Musik eine Freude mache. So kann es weitergehen. Ich werde definitiv auf absehbare Zeit nicht aufhören, Musik zu machen. Im Gegenteil: Ich werde noch mehr Musik machen. Einfach, weil ich Lust darauf habe.

Shakira auf Tour
Superstar Shakira kommt auf ihrer „El Dorado World Tour“ am 30. November um 20 Uhr in die Olympiahalle nach München. Karten gibt es in unserem Ticketshop.