Veranstaltungstipps Silbermond: "Wir haben ein sehr gutes Leben"

Das Gespräch führte Steffen Rüth
 Foto: Jens Koch

Silbermond hat mehr als sechs Millionen Tonträger verkauft und hunderte von ausverkauften Konzerten gespielt. Mit neuem Album geht die Band auf Tour.

 
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Im Titelsong „Schritte“, mit dem das Album „Schritte“ beginnt, geht es um Ihre Kindheit in der Wendezeit. Vor einigen Monaten schon haben Sie mit „Mein Osten“ eine kritisch-liebevolle Hymne an Ihre Heimat veröffentlicht. Wo steht das Land 30 Jahre nach dem Mauerfall?
Stefanie Kloß: Mich nimmt die Situation gerade sehr mit. Wir stellen uns selbst diese Fragen, woher die rechten Gedanken und Einstellungen kommen, und warum einige Menschen den Anstand gegenüber anderen verloren haben. Ich denke, wir müssen zunächst mal zuhören und auch andere Meinungen zulassen. Die Wende bedeutete eine tiefe Zäsur im Leben sehr vieler Menschen. Dieser Einschnitt wirkt bis heute nach.

Haben Sie Verständnis für Leute, die sich als Verlierer fühlen und entsprechend auf dem Wahlzettel reagieren?
Kloß: Man sollte schon analysieren, woher diese Unzufriedenheit kommt und nicht einfach darüber hinweggehen. Da ist natürlich in erster Linie die Politik gefragt.

Sie kommen aus dem sächsischen Bautzen. Bei den jüngsten Landtagswahlen hat die AfD dort fast 34 Prozent geholt und ist stärkste Partei geworden.
Andreas Nowak: Bautzen ist eine tolle Stadt mit sehr vielen sehr großartigen Menschen. Aber wenn die Leute wählen gehen, sind die Ergebnisse zuletzt nicht ermutigend gewesen.

In „Träum ja nur (Hippies)“ sprechen Sie von einer Welt in fünfzig Jahren, in der die Menschen nicht mehr wissen, was Klimakatastrophe, Rassismus und Homophobie überhaupt ist, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind und der Reichtum für alle reicht.
Kloß: Dieser Song ist für uns ein emotionaler und positiver Blick in die Zukunft. Das sind natürlich Utopien, ich glaube nicht, dass es wirklich so kommen wird, auch wenn man sich das wünscht. Realistisch gesehen werden wir auf dieser Welt immer mit irgendwelchen Problemen zu tun haben, aber für einen kurzen Moment wärmt mich dieses Lied total. Ich denke, man braucht Songs, die mit Leichtigkeit und Zuversicht solche Themen ansprechen, ohne gleich musikalisch in eine tieftraurige Ecke zu rutschen.
Nowak: Das ist ein Popsong mit einem ernsten Thema, der auch ernstgemeint ist, aber sich selbst nicht zu ernst nimmt.

Sind Sie Hippies?
Kloß (lacht): Ein bisschen Hippie steckt in jedem von uns. Es ist wichtig für uns, Raum zu lassen für Veränderung und Bewegung. Wir bleiben nicht stehen, deshalb heißt die Platte auch „Schritte“. Ohne Kreativität und Innovation bleibt alles, wie es ist. Ich finde es nur wichtig, hoffnungsvoll auf die Entwicklungen zu blicken, sich etwa ein Land wie Norwegen anzuschauen, das gesellschaftlich um einiges weiter und moderner ist als viele andere. Hier sind auch die Medien gefragt. Wer immer nur negative Schlagzeilen liest, der denkt eher, dass die Welt völlig den Bach runtergeht und bekommt Angst. Das ist wie früher in der Schule. Wenn der Lehrer motivierend ist, sind auch die Leistungen besser.

Sind Sie in der Schule anständig motiviert worden?
Nowak: Naja, da fragst du den Falschen (lacht). Ich bin sitzengeblieben und habe das Abitur dann nicht geschafft. Aber wir hatten damals auch schon viel mit der Band zu tun. Ich wusste, ich will Musiker werden und brauche dafür nicht unbedingt den Satz des Pythagoras.
Kloß: Ich hatte im Mathe-Abi nur einen einzigen Punkt und schiebe da natürlich auch die Band vor (grinst). Jeder bei uns in der Stufe hat sich gefragt, wie das trotzdem gereicht hat, aber ich habe mein Abitur tatsächlich bestanden.

Eines der neuen Stücke heißt „Was Freiheit ist“. Wie definieren Sie denn Freiheit musikalisch?
Nowak: Für uns bedeutet Freiheit, ohne Erwartungen und Zwänge unser Ding machen zu können. Natürlich beschäftigen wir uns mit dem aktuellen Radiosound, aber wir haben gemerkt, wir müssen einfach wir selbst sein. Im Bewusstsein, damit vielleicht anzuecken, haben wir eine ganz authentische, persönliche Platte gemacht.
Kloß: Wir wollten als Band nah bei uns bleiben. Nach unserer Krise vor dem letzten Album „Leichtes Gepäck“ haben wir mit viel Aufwand unsere Leichtigkeit und unser Selbstbewusstsein zurückerkämpft. Die größte Herausforderung war, sich von diesem Weg nicht abbringen zu lassen. Zusätzlich sind ein paar neue Facetten und Instrumente wie Mandoline und Ukulele dabei. Mitte 30 hin oder her – wir haben uns im Studio wieder mal wie Teenies gefühlt.

In „Für Amy“ sagen Sie, Sie wollen nicht noch einmal 14 sein. Haben es die heutigen Teenager schwerer?
Kloß: Einfacher haben sie es sicher nicht. Der Druck ist hoch in einer Welt, in der sich die Wirklichkeit vermischt mit Show und Instagram. Dieses Vergleichen mit anderen, das gab es auch ohne Handy schon, aber die heutigen Jugendlichen gucken noch intensiver auf die anderen und gehen teilweise sehr kritisch mit sich um.

Was hat sich durch die Geburt Ihres Sohnes vor anderthalb Jahren verändert?
Kloß: Im Grundsatz ist alles wie immer, und doch ganz anders. Das Chaos ist intensiver. Ein Kind zu haben, macht dich stärker als du denkst, gleichzeitig stellst du fest, wie schwach du eigentlich bist. Ich stelle mir viele Fragen, zum Beispiel, welchen Blick ich auf die Welt habe, in der mein Kind einmal leben wird. Wie gehen wir mit Erwartungen um? Was hinterlassen wir. Letztlich geht es um den Circle of Life, den Kreislauf des Lebens.

Während „Hand aufs Herz“ ein Lied für Ihren kleinen Sohn ist, handelt das sehr bewegende und traurige Lied „In meiner Erinnerung“ sehr konkret vom Tod Ihres Vaters im Jahr 2003. Warum haben Sie diesen Song gerade jetzt geschrieben?
Kloß: Er ist einfach so passiert. Gefühlt wirst du schneller erwachsen, wenn dir so etwas mit 18 passiert, und ich dachte eigentlich, ich hätte das ganz gut weggesteckt. Als wir die Platte gemacht haben, sind in unserem engsten Umfeld einige Menschen gestorben, und ein neues Leben ist dazugekommen. Vielleicht haben wir uns deshalb noch mehr Gedanken über diesen Kreislauf gemacht.

Auf „Bestes Leben“ klingen Sie leicht und entspannt. Leben Sie Ihr bestes Leben?
Nowak: Wir haben ein sehr gutes Leben, aber ob es so etwas wie das beste Leben überhaupt gibt, das weiß ich nicht. Bei aller Lässigkeit hat auch dieses Lied diese gewisse Melancholie, die einfach zu uns gehört.

Wird es Silbermond auch in 15 Jahren noch geben?
Kloß: Wir können tatsächlich nicht sagen, was in ein paar Jahren ist. Für eine Band ist das Weitermachen immer ein großer und auch schwieriger Schritt, der viel Kraft, Naivität und Fantasie erfordert. Aber was immer auch passieren wird, wir bleiben in Bewegung.

Silbermond auf Tour

Die deutsche Pop-Rock-Band kommt auf ihrer „Schritte live“-Tour am 10. Februar um 19.30 Uhr in der Arena in Nürnberg vorbei.Karten für das Konzert gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.

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