Veranstaltungstipps Stefanie Heinzmann: "Mit zwölf wurde ich gemobbt"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Foto: Benedikt Schnermann

Stefanie Heinzmann wurde vor zehn Jahren durch eine Castingshow von Stefan Raab bekannt. Ihren Erfolg belegen Platin- und Gold-Alben und diverse Musikpreise.

 
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Wie haben Sie den Sound für Ihr aktuelles Album „All We Need Is Love“ gefunden?
Ich versuche immer, in den Songwriting-Sessions sehr offen zu sein und vieles auszuprobieren. Es sollte ein Pop-Album mit vielen Facetten werden. Der Sound ist warm, erdig und ehrlich mit Elementen von Funk bis Soul.

Wo haben Sie die Songs geschrieben und aufgenommen?
Ich war in Hamburg, London und Schweden. Ich bin kein Fan von amerikanischen Sounds. Ich stehe eher auf den englischen Sound, der ein bisschen dirty, rotzig und ruckelig klingt. Und die Schweden sind die Pop-Könige. Sie schaffen es, Popmusik zu machen, die sehr warm und geschmeidig klingt.

Wieso ist der Titel des Albums an einen Beatles-Song angelehnt?
Das ist uns erst am Ende der Songwriting-Session aufgefallen. Zuerst wollten wir es umschreiben, aber ich fand das Statement einfach stark. Darauf wollte ich nicht verzichten.

In „Mother’s Heart“ erzählen Sie von Ihrer Kindheit und Jugend. Eine glückliche Zeit?
Mit zwölf wurde ich gemobbt, das war eine schwierige Phase, aber es hat meine Kindheit nicht unglücklich gemacht. Meine Teenagerjahre waren sehr geprägt von Selbstzweifeln. In dem Song erzähle ich von den verschiedenen Phasen, durch die jeder Mensch geht. Von den Unsicherheiten, die jede Phase begleiten. Mutterliebe ist bedingungslos. Das ist ein wunderschöner Gedanke, der mich milde gestimmt hat.

Wie haben Sie sich gegen das Mobbing gewehrt?
Ich konnte mich leider nicht wehren. Ich habe versucht, mich so nett anzustellen, dass sie sich das vielleicht anders überlegen. Kinder können manchmal ganz schön gemein sein!

Waren Sie ein wildes Kind und ein rebellischer Teenager?
Ich habe zwar immer laut und viel gesungen, aber ich habe nie viel Party gemacht und kaum Alkohol getrunken. Weil ich mit zwölf Jahren unter anderem wegen meiner Klamotten gemobbt wurde, habe ich mich ganz furchtbar angezogen. Man sollte mich wegen anderen Dingen als meinen Klamotten mögen. Als ich die Schule wechselte, hörte das Mobbing schlagartig auf.

„Every Day Is A Good Day“ – ist das Ihr persönliches Mantra?
Den Text habe ich mit einem Augenzwinkern geschrieben. Aber grundsätzlich gebe ich nicht auf und tue das, was ich liebe. Und zwar so lange, wie ich kann. Viele der Songs auf dem Album sind aus Herausforderungen und unsicheren Phasen heraus entstanden. Ich finde es toll, dass wir Menschen so viele Aufgaben gestellt bekommen und uns immer weiter entwickeln.

Welches war Ihre bisher größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung für mich ist, mich selbst wert zu schätzen als der Mensch, der ich bin. Eine andere sehr große Herausforderung waren meine zwei Bandscheibenvorfälle.

Leben Sie heute ohne Schmerzen?
Ja, seit zehn Jahren. Diese Zeit war intensiv und prägend. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. In der Zeit habe ich viel über den Umgang mit meinem Körper gelernt.

Schonen Sie sich heute mehr als früher?
Mein Körper und ich sind ein gutes Team. Er sendet immer viele Signale aus, auf die ich versuche zu hören. Ich mache Sport und ernähre mich bewusst. Vor allem aber versuche ich meinen Körper nicht mit destruktiven Gedanken zu zerstören.

Vor zehn Jahren wurden Sie mit einem Echo als bester Newcomer des Jahres 2009 ausgezeichnet. Wird man schneller erwachsen, wenn einen der Erfolg in sehr jungen Jahren erwischt?
Ich glaube nicht. Erfahrungen machen einen Menschen erwachsen. Nachdem ich Stefan Raabs Castingshow gewonnen hatte, war mein Privatleben nicht mehr so richtig vorhanden und ich habe einiges verpasst. Erst in den letzten zwei Jahren habe ich mich wieder um mein Privatleben gekümmert. Das ist ja nicht einfach so da. Ich kann von Glück reden, dass ich so wundervolle Freunde habe, die sehr nachsichtig mit mir waren. Das kann aber nicht für immer so sein.

Was sagt der Song „Build A House“ über Ihr Privatleben aus?
Aus einem Gerüst von Beziehungen baut man sich eine Art Haus. Man versucht immer, seine Schwächen zu verstecken, aber das ist kein Grundstein für eine Beziehung.

Welches sind Ihre Schwächen?
Oh, ich habe viele Schwächen, aber sie gehören halt zu mir. Ich bin zum Beispiel leicht zu begeistern. Der springende Punkt ist, ob die Menschen um dich herum deine Schwächen ausnutzen oder stärken. Deshalb ist es wichtig, seine Schwächen zu kennen. Andererseits bin ich sehr optimistisch und kann jeder Situation etwas Gutes abgewinnen.

Hatten Sie es auch schon mit falschen Freunden zu tun?
In meinem Beruf sind grundsätzlich alle Leute nett zu einem. Da steckt nicht immer Ehrlichkeit dahinter, weshalb ich schon vorsichtig bin. Aber grundsätzlich versuche ich, sehr positiv zu sein. Ich habe einen begrenzten Freundeskreis, aber ich kann mich auf alle meine Freunde verlassen.

Seit 2009 haben Sie mit Lionel Richie, Joss Stone, Tower Of Power und den Harlem Gospel Chor gearbeitet. Wer von denen hat Sie am meisten beeindruckt?
Das sind alles sehr krasse Größen! Mit denen eine Bühne teilen zu dürfen, ist ein Privileg. Tower Of Power gibt es jetzt seit 50 Jahren. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ihre Konzerte sind pure Lebensfreude. Und den Weltstar Lionel Richie habe ich als sehr liebenswerten Kerl kennengelernt.

Die Musikbranche wird von Männern dominiert. Wie gehen Sie damit um?
Auch meine Crew wird von Männern dominiert. Aber sie sind alle sehr respektvoll. In den letzten elf Jahren hat nicht ein einziger einen Kommentar gemacht, weil ich eine Frau bin. Bei uns passiert alles auf Augenhöhe. Bei meiner Plattenfirma arbeiten viele starke und tolle Frauen in hohen Positionen. Das erarbeiten wir uns jetzt gerade. Die Zeiten, als Frauen noch ständig hinter dem Herd standen, sind noch gar nicht so lange her.

Sind Sie auf Tour eine strenge Chefin?
Ein Bierchen verbiete ich meinen Jungs nicht. Ich bin keine Chefin, die großartige Regeln aufstellt. Die Jungs wissen einfach, was mir wichtig ist. Zum Beispiel, dass wir einen Backstageraum nicht im totalen Chaos verlassen. Das gehört zu einem respektvollen Miteinander. Und wenn die Jungs das Aufräumen mal vergessen, mache ich es einfach selbst.

Was fasziniert Sie an der Bühne?
Ich liebe es, zu singen. Es ist ein wahnsinniges Privileg, auf einer Bühne stehen zu dürfen. Der Gedanke, dass Menschen sich ein Ticket für eines meiner Konzerte kaufen und mit mir zusammen einen Abend verbringen, ist unbeschreiblich. Ich feiere zusammen mit Leuten, die ich in meinem Leben größtenteils noch nie gesehen habe. Das fühlt sich toll an.

Ist Ihr Leben durchgeplant bis zur letzten Minute?
Dieses Jahr habe ich sehr viele Arbeitstermine, aber zwischendurch habe ich viel Zeit für mich. Seit zwei Jahren fahre ich nie länger als zwei Wochen am Stück weg.

Was planen Sie für die Zukunft?
Ich will auf jeden Fall eine Familie gründen. Alles andere wird sich zeigen.

Stefanie Heinzmann auf Tour

Die Sängerin geht auf „All we need is Love“-Tour und ist am 27. November im Hirsch in Nürnberg zu Gast. Karten gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.

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