Wanda: Wir kommen alle aus einer nicht beachteten Wiener Untergrundszene, wo wir zehn Jahre gespielt haben. Dabei hat sich eine gewisse Tugend etabliert. Du musst einfach überall funktionieren, weil du nur so wenige Chancen hast, gehört zu werden.
Haben Sie den Anspruch, auf einem ganz bestimmten Niveau zu spielen?
Wanda: Hätte ich solche Ansprüche, dann hätte ich Jazz studiert. Besser als der Wiener Literat Franz Schuh kann man es nicht ausdrücken: „Virtuosität ist die perfekte Beherrschung einer Technik, welche selbst keinen Grund liefert, sie überhaupt zu beherrschen“.
Ein Song heißt „Das Ende der Kindheit“. Brauchen Sie den Rock’n‚Roll, um etwas nachzuholen, was Sie in Ihrer Kindheit und Jugend versäumt haben?
Wanda: Ich habe nichts versäumt in der Kindheit und Jugend – außer einer Jugendliebe. Aber man wird nicht wirklich erwachsen, wenn man in einer Rockband spielt und die Hälfte des Jahres auf Tour fährt.
Woran erkennt man den wahren Rock ’n’ Roll?
Wanda: Das weiß ich nicht, das ist ja auch nur so ein Verkaufswort. Ich stelle mir den Rock’n‚Roll vor als geistige Reise, als etwas, das seine Wurzeln hat in einer Zeit voller Bürgerrechtsbewegungen und dem Willen, soziale Grenzen einzureißen. Auf einmal stand Chuck Berry vor einem schwarz-weißen Publikum. Das ist das viel wesentlichere Momentum am Rock’n‚Roll als irgendein beschissener Drogenmythos. Wenn man Drogen nehmen will, dann nimmt man sie einfach, deswegen kann man sich aber nicht Rock’n‚Roller nennen. Nur weil man ein bisschen Gitarre spielen kann, ist man noch lange kein Rock’n‚Roller. Ein Rock’n‚Roller ist man, wenn man vor diesem geistigen Erbe Respekt hat und sich in den Dienst der Zusammenführung von Menschen stellt. Man ist auch kein Rock’n‚Roller, wenn man seine Eitelkeit bedient oder zwei Groupies mit aufs Zimmer nimmt und Koks aus ihrem Arschloch zieht.
Poppe: Ich habe mit zehn Jahren im Landurlaub bei den Großeltern mit Freunden das A-Team nachgestellt und dann haben wir gemeinsam ein Baumhaus gebaut. Genauso fühlt sich das an, was wir jetzt machen.
Im Rock geht es vor allem um Wut. Ist Wut der Antrieb, wenn Sie Songs schreiben?
Wanda: Nein, überhaupt nicht. Die Quelle des genuinen Rock’n‚Roll ist Lebensfreude. Rock’n‚Roll ist der Lohn, den das Körpersystem erfährt, wenn man die Grenzen zwischen Menschen und die Angst überwindet.
Warum sind Sie Musiker geworden? Hatten Sie einfach keinen Bock, normal arbeiten zu gehen?
Wanda: Wir sind Musiker geworden, weil wir überhaupt keinen normalen Job hätten machen können. Ich habe schon 12, 13 Jobs verloren. Ich wollte eigentlich Stuntman werden, das ist eh verwandt.
Poppe: Ich habe mit 13 zur Gitarre gefunden, als ich realisiert habe, dass ich nicht das Zeug zum Profifußballer habe.
Welche Rolle spielten Drogen bei der Gründung der Band?
Wanda: Experimentiert haben wir alle. Immer nur, um das Bewusstsein zu erweitern, nie, um Langeweile zu bekämpfen. Mich hat an den vier anderen Typen angetan, dass alle mir deutlich vermitteln konnten, geistig auf der Suche nach einem besseren Leben zu sein.
Noel Gallagher sagte einmal, Rock’n'Roll sei tot, die Industrie fördere nur noch Weicheier. Versuchen Sie mit Wanda, den wahren Rock’n'Roll zurückzubringen?
Wanda: Wir versuchen es nicht, sondern wir bringen ihn zurück. Es gibt keine andere Band, die das so tut wie wir und es wird lange keine geben.
Hat der Begriff „Underground“ noch eine Berechtigung?
Wanda: Für mich ist Underground immer etwas gewesen, das ich mit Staunen zur Kenntnis genommen habe. Underground hat nichts als elitäre Momente. Underground ist die köstliche Ausrede, dass man zu schlecht ist, um Massen zu begeistern. Das Ziel dieser Band war schon beim ersten Konzert, alle Undergroundbands arbeitslos zu machen. Dieses blöde mit dem Rücken zum Publikum-Herumgecoole und all diesen Intellektuellenscheiß fand ich immer zum Kotzen. Wir waren von Anfang an eine Band mit dem Willen, relevant zu sein. Ich bin dem Underground trotzdem sehr dankbar, weil mir die fünf Konzerte, die wir in ihm spielten, gezeigt haben, das ich da raus will.
Sind Ihre Eltern glücklich mit dem, was Sie machen?
Wanda: Ich glaube, ja. Sie sehen auch, wie hart wir arbeiten und sind sicher stolz auf uns.
Poppe: Wir haben aber nicht um ihre Gunst kämpfen müssen. Als wir noch zu ihnen zum Essen kamen und sie am Ende des Monats um 50 Euro anschnorrten und nicht wussten, wohin die Reise geht, waren sie auch schon stolz auf uns.
Das Musikgeschäft wird gern als Haifischbecken bezeichnet. Woran erkennt man einen wahren Freund?
Wanda: Freunde suche ich nicht im Geschäft. Ich suche Menschen, die begeistert Musik rausbringen wollen. Außerdem sind wir keine Band, die öfter als einmal im Jahr über den roten Teppich geht. Wenn einer von uns beginnen würde, sich in diese Glamourwelt auch nur versuchsweise zu begeben, würde er so verarscht werden, dass er sein Leben nicht packt. Wir brauchen eh nur uns. Wenn wir Backstage sind und jemand klopft, sperren wir die Tür zu. Es kann Gott sein oder irgendein Boss, das ist alles uninteressant.
Warten nach jedem Konzert Frauen auf Sie?
Poppe: Das ist ein 80er-Jahre-Klischee. Bei uns gibt es das nicht so. Ich habe schon lange vor dieser Musikerkarriere keine Probleme gehabt, Frauen kennenzulernen.
Wanda: Wir sind keine Band, die sich gegründet hat, um Frauen abzuschleppen. Das ist das grauseligste, was es gibt. Wer das tut, den müsste man eigentlich treten.
Wie viele wollen Sex und wie viele wollen nur reden?
Wanda: Viele wollen einfach etwas von sich zurückgeben. Wir nehmen diese Geschichten mit und fragen uns, wie wir zu der Ehre kommen, dass jemand sich uns gegenüber so schnell öffnet. Aus Respekt erzählen wir diese intimen Momente aber nicht weiter.
Was war das schöne Kompliment, das Sie je bekommen haben?
Wanda: Für Komplimente bin ich taub. Wir brauchen keine Bestätigung. Wenn ich jeden Abend vor 50 Leuten spiele und diese glücklich mache, ist das auch okay.
Wie bereiten Sie sich auf eine Tournee vor?
Poppe: Wir proben seit Jahren nicht mehr gemeinsam. Der Soundcheck reicht. Natürlich spielt jeder von uns jeden Tag sein Instrument.
Wanda: Wir sind im Probenraum die schlechteste Band, die es jemals gegeben hat. Wir können nur funktionieren, wenn es mit Menschen gewürzt ist. Sonst ist es relativ salzlos und arm.
Verstehen Sie eigentlich, was die Leute an Ihnen gut finden?
Wanda: Ich freue mich, wenn es jemanden fasziniert, aber ich freue mich vor allem, wenn unsere Musik für jemanden so etwas wie ein Freund ist. Ich würde gern Menschen das zurückgeben, was ich wiederum erfahren habe von anderen Menschen. Die Beatles haben mein Leben gerettet.
Das melancholische „Ein letztes Wienerlied“ weckt Assoziationen an die Rock-Legende Lou Reed. Wie kam es zu dem Stück?
Wanda: Das Wienerlied war ursprünglich ein Kompositionsauftrag, 2013 gestellt vom Wiener Institut für Holocaust-Studien. Sie haben uns ein Textblatt in die Hände gespielt von dem jüdischen Wienerliedsänger Kurt Robitschek. Er war ein Star, bis die Nazis alles kaputt machten. Robitschek wurde in ein KZ deportiert, konnte aber fliehen und nach Amerika ins Exil gehen. Es war mir eine große Ehre, das Lied statt ihm komponieren und singen zu dürfen.
Wie würden Sie Ihren Ton, Ihre musikalische Persönlichkeit beschreiben?
Poppe: Ich glaube, wir machen gar nicht so viel anders als andere. Wir zerbrechen uns nicht den Kopf darüber, irgendwas anders zu machen. Im Rock’n‚Roll ist alles erlaubt. Das einzige, was nicht erlaubt ist, ist Boshaftigkeit. Das gilt für alle Lebenskonstruktionen. Wenn, dann verletzen wir uns selbst, aber niemals andere.
Eines Ihrer neuen Lieder heißt „Ich sterbe“. Was wäre für Sie ein schöner Tod?
Wanda: Gar keiner. Ich glaube, es gibt keinen schönen Tod. Sterben ist körperlich und geistig sicher sehr anstrengend. Vielleicht am ehesten schnell. Wie sagte Woody Allen: „Ich habe kein Problem damit, zu sterben. Ich möchte nur nicht da sein, wenn es passiert“.
Wanda auf Tour
Das Quintett geht auf „Niente“-Tour und tritt am 12. März um 20 Uhr in der Posthalle in Würzburg auf. Karten für das Konzert gibt sind im Ticketshop unserer Zeitung erhältlich.