Coburg Endlich angekommen

Von Thomas Heuchling

Ein Wasserschaden zerstört die Wohnung der jungen Familie Scheler. Die Suche nach einem neuen Heim bleibt erfolglos. Erst ein Aufruf in der Neuen Presse beendet die Odyssee.

 
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Coburg - Noch sieht es etwas chaotisch aus. Demontierte Regale warten auf Akku-Schrauber und Hammer. Blaue Plastiksäcke mit Kleidung liegen in einer Zimmerecke und Kartons stehen in der ganzen Wohnung verteilt. Doch Umzugsfrust ist bei Familie Scheler nicht einmal im Ansatz zu entdecken. Sven und Christine können ihr Glück immer noch nicht fassen. Ein leichtes Grinsen drückt eine gewisse Erleichterung aus.

Bis vor ungefähr drei Wochen sahen ihre Gesichter noch anders aus. "Wir haben eigentlich nicht mehr daran geglaubt, noch eine Wohnung zu finden", sagt die 27-jährige Mutter. Doch dann rief ihr jetziger Vermieter an. Der hatte vom Schicksal der Schelers aus der Neuen Presse erfahren. Die dreiköpfige Familie gehörte zu den 25 Menschen, die Mitte April ihr Zuhause bei einem Wasserschaden verloren hatten. Rund 2000 Liter Wasser verwandelten das Anwesen im Steintor 20 in eine einsturzgefährdete Ruine. Innerhalb weniger Stunden mussten die Menschen in Hotels oder Ferienwohnungen untergebracht werden.

Auch nach Wochen fand die junge Familie keine neue Wohnung. Viele Vermieter wollen keine Kinder und jemanden, der Geld vom Amt bekommt sowieso nicht , glaubt Christine Scheler. Ihre letzte Möglichkeit auf ein neues Heim sah die Familie im Gang an die Öffentlichkeit über die Neue Presse . Nun, einen Monat später, sind sie bereits in ihre neue Wohnung im nördlichen Teil Coburgs eingezogen - ein Supermarkt ist direkt vor der Tür.

Für den neuen Vermieter der Schelers, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sei die finanzielle Unterstützung durch das Jobcenter kein Hinderungsgrund. Er sei kein guter Samariter, sondern Geschäftsmann und wolle keine große Sache aus der Geschichte machen. Mehrere Häuser vermiete er an Menschen mit schwachem Einkommen oder Asylbewerber. Das Haus in dem jetzt die Schelers wohnen, habe er erst vor drei Monaten gekauft und saniert. Er habe den Artikel gelesen, sich für das Problem der Familie interessiert und angerufen.

An diesen Moment kann sich Christine Scheler noch genau erinnern. Es sei einer von vielen Anrufen nach dem Zeitungsartikel gewesen. Menschen aus Coburg, dem Landkreis und sogar aus Kronach hätten angerufen. Tagesmütter hätten Hilfe zur Betreuung von Sohn Tino angeboten. Viele Menschen gaben Tipps zur Wohnungssuche oder haben auch Wohnungen angeboten. "Die meisten waren allerdings zu teuer", sagt die junge Mutter und fügt an: "Von der großen Hilfsbereitschaft waren wir völlig überrascht."

Doch eine passende und finanzierbare Wohnung war erst rund zwei Wochen nach dem Zeitungsartikel dabei. Zuerst dachte ich, dass es wieder ein Anruf sei, bei dem nicht viel herauskommt, erzählt Christine Scheler. Der Herr am Telefon fragte nur, ob wir noch eine Wohnung suchen und sagte, wir sollen am Nachmittag vorbeikommen.

Nach einer kurzen Besichtigung sei dann die Preisfrage aufgekommen. Der Vermieter habe völlig überraschend das fertige Mietangebot aus der Tasche geholt. Das Amt habe die Wohnung am nächsten Tag genehmigt, erinnert sich Christine Scheler. "Den Mietvertrag haben wir am 20. Juni unterschrieben", sagt sie und strahlt dabei.

Stolz und voller Begeisterung führt Sven Scheler durch die 2,5 Zimmer Wohnung mit 75 Quadratmetern. Hier habe der Vermieter noch ein neues Fenster einbauen lassen, dort Heizkörper und auf den ganzen Böden habe er Laminat verlegen lassen. "Eine brandneue Küche hat der Vermieter auch einbauen lassen", sagt der 24-Jährige. So etwas kenne er von anderen Vermietern bisher nicht. Für diesen ist so etwas eine Selbstverständlichkeit: Die Wohnungen sollen einfach einen gewissen Standard haben. "Die Leute müssen sich auch wohlfühlen", sagt der Wohnungsbesitzer.

Es gebe zwar noch viel zu tun, aber am Wochenende will die Familie das erste Mal in ihrem neuen Heim schlafen, sagt Sven Scheler. Zur Zeit leben sie noch bei seinem Schwiegervater.

Aus ihrer alten Wohnung ist der jungen Familie nicht viel geblieben. Ein Großteil des Hausrats ist dem Moder und Schimmel zum Opfer gefallen. "Wir haben schon ein Kinderzimmer gekauft. Das hat unser Kleiner am Samstag zu seinem achten Geburtstag bekommen", sagt die Mutter. Sie sei besonders froh, dass ihr Sohn weiter in der Stadt zur Schule gehen kann. Der alte Vermieter hat uns für den Umzug einen Transporter bereitgestellt. "Einige Spielzeuge, den Wohnzimmerschrank und ein paar andere Sachen konnten wir noch rausholen", ergänzt der Vater.

Vor dem Eingang des Hauses liegt ein kleiner Innenhof mit einigen Beeten. "Dort haben wir schon Paprika und anderes Gemüse angepflanzt, sagt Christine Scheler, schaut sich auf dem Hof um, hinauf zur Wohnung und fügt an: "Wir sind zufrieden mit allem."

Von der großen Hilfsbereitschaft waren wir völlig überrascht.

Christine Scheler, Mutter

Wer hilft, wenn die Wohnung plötzlich weg ist

Verliert jemand sein Haus oder die Wohnung durch einen Brand oder andere Umstände, dann wird das Sozialamt über diese Notsituationen informiert. "Unser Aufgabe ist es akute Obdachlosigkeit zu vermeiden", sagt Peter Schubert, Leiter des Coburger Sozialamtes. Die Behörde greife jedoch nur ein, wenn sich Betroffene nicht selbst helfen können. Wer nicht bei Verwandten oder Freunden unterkomme, der werde vom Sozialamt vorübergehend in einem Hotel, einer Ferienwohnung oder der Obdachlosenherberge untergebracht. Spezielle Wohnungen für solche Fälle halte die Stadt nicht vor. Zudem berate das Amt, erklärt Schubert. Die Kosten für eine solche Unterbringung übernimmt je nach Fall die Hausrats- oder die Gebäudeversicherung der Betroffenen oder des Verursachers. Bei finanziell schwachen Familien helfe das Sozialamt mit Spendenmitteln, die von Sponsoren kommen, erläutert der Sozialamtsleiter und fügt an: "Es gibt zwar gewisse Routinen, aber es kommt immer auf den Einzelfall an. Wichtig ist, dass es schnell geht."

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