Coburg Keine Angst vor Schockbildern

Von

Seit 20. Mai müssen alle neu hergestellten Zigarettenpackungen Fotos tragen, die abschrecken. Coburger Tabakhändler sehen der Umstellung gelassen entgegen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Coburg - Die Fotos einer schwarzen Raucherlunge sind fast noch harmlos gegen die eines toten Säuglings oder eines halb verfaulten Fußes. Wer auch in Zukunft noch rauchen möchte, braucht starke Nerven. Denn seit 20. Mai müssen Tabakhersteller ihre Verpackungen mit abschreckenden Bildern versehen. Sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite, groß, in Farbe und gut erkennbar. Damit will die Politik die Lust am Rauchen weiter eindämmen.

In den Coburger Verkaufsstellen gibt es derzeit noch keine dieser Horrorschachteln. "Ich rechne damit, dass wir sie in etwa zwei Monaten bekommen werden", sagt Hans-Joachim Büttner. Er betreibt seit 35 Jahren eine Tankstelle in Coburg und glaubt nicht, dass die Bilder wirklich abschrecken. "An der Sucht wird das Bild nichts ändern." Allenfalls Jugendliche ließen sich dadurch vielleicht vom Griff zur Zigarette abhalten. "Ich habe schon daran gedacht, dass manche Raucher die Schachteln vielleicht sogar sammeln werden, Menschen sind unberechenbar", sagt er. Und berichtet, dass er von einem Tabakhersteller bereits Schilder mit Eigenwerbung bekommen hat, die im Regal geschickt die Horrorbilder abdecken werden.

Etwa die Hälfte seines Umsatzes macht Hans-Joachim Büttner mit Tabakwaren. Vor 20 Jahren hatte er nur einen Zigarettenautomaten neben der Kasse stehen. Heute sind es mehrere Regale, die auf mehr als sechs Quadratmetern die Packungen gut sichtbar präsentieren. Dennoch ist der Zigarettenmarkt in Deutschland rückläufig. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der legale Verkauf auf 80 Millionen Zigaretten pro Jahr halbiert. Mit weiterhin jährlich leicht sinkender Tendenz. Dass sich diese Entwicklung durch die Horrorbilder beschleunigt, glaubt auch Dieter Frost nicht. Er ist seit 37 Jahren Inhaber eines Tabakladens in Coburg. "Die Fotos sehen schon grausam aus, aber das wird kein großes Thema werden", ist er sich sicher. Wen die Bilder stören, der kann sie ja abdecken. "Wir versprechen uns ein größeres Geschäft mit Zigarettenetuis", meint der 73-Jährige. Er geht nicht davon aus, dass die neuen Verpackungen zeitnah in seinem Laden stehen werden. Denn die Hersteller haben vorgesorgt. Bis zum 20. Mai haben sie noch nach alten Vorgaben produzieren dürfen. 22 Prozent mehr Zigaretten wurden in Deutschland bis zu diesem Datum versteuert, um noch möglichst viele Packungen ohne Schockbilder in die Läden bringen zu können. Der Abverkauf ist noch für ein Jahr erlaubt. Mit Hamsterkäufen rechnen die Coburger Händler nicht, ohnehin werde die Umstellung nach und nach erfolgen, wenn sich alte und neue Verpackungen im Regal mischen. "Für mich werden die Bilder nichts ändern, ich kaufe auch keine Packungen auf Reserve", sagt Christel Hümmer, die den Bummel in der Spitalgasse für eine Zigarette nutzt. Seit 25 Jahren raucht sie regelmäßig. Nur wenige Schritte weiter genießt Harald Völker seinen Kaffee und eine Zigarette. "Ich rauche leidenschaftlich gern, seit 40 Jahren", sagt der Coburger. Er ist davon überzeugt, dass die Bilder einen echten Raucher nicht stören und rechnet damit, dass viele ein schickes Zigarettenetui nutzen werden - ohne Fotos von Raucherlunge, Stummelfuß oder Babyleiche. Angesichts solcher Bilder wird es einer jungen Studentin etwas mulmig. "Wenn ich eine solche Packung daheim liegen hätte, wäre es schon etwas seltsam, das hätte Einfluss auf mich", meint sie. Und drückt ihre fertig gerauchte Zigarette am Boden aus. "Aber ich sehe die Bilder eher als Aktionismus, ein höherer Preis wäre viel abschreckender".

Gruselfotos sollen vor allem junge Menschen vom Rauchen abhalten

?Worum geht es bei der
EU-Tabak-Richtlinie?

Die neue EU-Tabakprodukt-Richtlinie ist schon am 19. Mai 2014 in Kraft getreten. Sie sieht zum Schutz vor den Gefahren des Tabakkonsums schärfere Regeln für Herstellung, Präsentation und Verkauf von Tabakwaren vor. Am Freitag vergangener Woche wurde sie in nationales Recht umgesetzt.

?Wie sollen Packungen
künftig gestaltet sein?

Die in anderen Ländern bereits üblichen Fotos - etwa ein verfaulter Fuß oder eine schwarze Raucherlunge - sollen vor allem junge Menschen vom Rauchen abhalten. Diese Bilder und Warnhinweise wie "Rauchen ist tödlich" müssen mindestens zwei Drittel der Vorder- und Rückseite der Packungen einnehmen. Solche Warnhinweise gibt es bereits heute, sie sind aber kleiner. Ein gelb hinterlegter Text soll auch Anlaufstellen für Raucher nennen, die aufhören wollen. Verpackungen, die bis 20. Mai nach alten Regeln produziert wurden, können ein Jahr lang "abverkauft" werden. Für Zigarren- und Cigarillo-Schachteln gelten Ausnahmen.

?Sind die großen Gruselbilder die einzige Änderung?

Nein. Menthol-Produkte sollen ab 20. Mai 2020 komplett verboten werden. Aromen, die den Tabakgeschmack überdecken, sollen vom Markt verschwinden. Es geht auch um "technische Merkmale", mit denen sich Geruch, Geschmack oder Stärke ändern lassen. Oder um Filter, Papier oder Kapseln, die Tabak oder Nikotin enthalten.

?Was kommt zusätzlich auf
die Hersteller zu?

Kleine Verpackungsgrößen sind für bestimmte Tabakwaren verboten, ebenso andere verkaufsfördernde und irreführende Elemente auf Verpackungen. Die Packung muss nach bestimmten Kriterien gestaltet sein und mindestens zwanzig Zigaretten enthalten. Für Tabak zum Selbstdrehen sind Kombidosen und Beutel erlaubt - sie müssen mindestens 30 Gramm Tabak enthalten. Um Fälschungen vorzubeugen, müssen Verpackungen ein Erkennungs- und ein fälschungssicheres Sicherheitsmerkmal tragen - ab 20. Mai 2019 für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen und ab 2024 für alle anderen Tabakerzeugnisse. Bevor ein Hersteller ein neues Tabakprodukt auf dem europäischen Markt platziert, hat er künftig ein Zulassungsverfahren zu durchlaufen.

?Werden jetzt auch
E-Zigaretten reguliert?

Ja. Für nikotinhaltige E-Zigaretten und Nachfüllbehälter gibt es ebenfalls Sicherheits- und Qualitätsanforderungen. Der Markt für elektronische Zigaretten, bei denen eine Flüssigkeit verdampft und durch den Konsumenten inhaliert wird, ist noch relativ jung. Bisher gibt es in Deutschland keine spezifischen gesetzlichen Regelungen. Hier gelten jetzt ebenfalls die schon länger bestehenden Werbeverbote für Tabakprodukte.

?Wird es weitere
Einschränkungen geben?

Ja, die Werbeauflagen werden verschärft. Zigarettenwerbung auf Plakaten und im Kino soll von Juli 2020 an verboten werden. Das Tabakwerbeverbot soll auch E-Zigaretten einschließen und sich auf Außenflächen wie Plakatwände erstrecken. An Fachgeschäften sowie in Verkaufsstellen wie Trinkhallen oder Tankstellen wird Tabakwerbung weiter erlaubt sein. In Kinos soll das Werbeverbot bei allen Filmen gelten, die für Zuschauer unter 18 Jahren freigegeben sind - also dem überwiegenden Teil.

Autor

Bilder