Die Betrügereien, die dem Fleischgroßhändler Ludwig D., dem ehemaligen Schlachthofleiter Michael K. und dessen Ehefrau Dr. Heike K. – sie arbeitete als amtliche Tierärztin am Schlachthof Coburg - vorgeworfen werden, seien, so Amend, nur deshalb über Jahre hinweg möglich gewesen, weil die staatlichen Kontrollen versagt haben.

Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) hätte zwar das übermäßige Entfernen von Fett und Fleisch von Schlachttieren - im Fachjargon heißt das Trimmen - am Schlachthof Coburg immer wieder beanstandet, aber „außer der Androhung eines lächerlichen Bußgelds“ sei nichts passiert, meinte der Vorsitzende. Dies wertete er als Unterlassung durch die staatlichen Behörden.

Im Rahmen zweier Besprechungen, die zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern der drei Angeklagten im Februar und April diesen Jahres stattgefunden hatten, war den Angeklagten in Aussicht gestellt worden mit Bewährungsstrafen davon zu kommen, wenn sie in vollem Umfang geständig sind. Demnach hätte der Hauptangeklagte Ludwig D. mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, der Angeklagte Michael K. mit einem Jahr auf Bewährung und die Angeklagte Dr. Heike K. mit einer Geldstrafe zu rechnen.

Fast eine Stunde lang verlas Staatsanwalt Dr. Christian Pfab am Montag die umfangreiche Anklageschrift, in der mehr als 17 000 einzelne Betrugsfälle aufgelistet sind. Den drei Angeklagten werden zwei Tatkomplexe vorgeworfen: Einmal sollen Fleisch von Rinderkeulen an Metzgereien und Gaststätten verkauft worden sein, das zuvor während des Schlachtprozesses beschlagnahmt worden waren. Dies wertete die Staatsanwaltschaft als "Inumlaufbringen von genussuntauglichem Fleisch".
Zum anderen soll Ludwig D. seine Mitarbeiter angewiesen haben, an Rinderhälften Fett und Gewebeteile wegzuschneiden, um so das Schlachtgewicht zu senken. Das Material sei später auf Rechnung der Firma Dellert-Fleisch weiterverkauft worden. Den Schaden hatten hauptsächlich Landwirte aus Oberfranken und Südthüringen, weil in der Branche der Preis nach dem Entfernen von Haut, Kopf, Innereien und untauglichem Gewebe abgerechnet wird. Das Trimmen soll also dazu geführt haben, dass die Erzeuger betrogen wurden. Nach Berechnung der Staatsanwaltschaft entstand ein Gesamtschaden in Höhe von rund 900 000 Euro. Den beiden Mitangeklagten wirft Staatsanwalt Dr. Pfab vor, die Unregelmäßigkeiten bei Dellert-Fleisch gekannt und toleriert zu haben. Der Schlachthofleiter habe sogar vor unangemeldeten Kontrollen gewarnt.

„Ich will reinen Tisch machen“, erklärt Ludwig D.. Der 53-jährige Fleischhändler und Landwirt aus Unterfranken, der mit zwei Verteidigern vor Gericht erschienen ist, verliest eine Erklärung, in der er eine Reihe von Unregelmäßigkeiten einräumt. D. distanzierte sich aber entschieden gegen den in Medien und der Öffentlichkeit erhobenen Vorwurf mit Gammelfleisch oder Ekelfleisch gehandelt zu haben. „Das hat mich wirklich getroffen“, sagt der Angeklagte. Immer wieder betont er, dass seine Firma ausschließlich mit hochwertigem Fleisch gearbeitet habe. Wenn bei der Schlachtung Teile des Tierkörpers beanstandet worden wären, so habe es sich stets um vorläufige Beschlagnahmen gehandelt. Am Schlachtband hätten endgültige Untersuchungen meist nicht stattfinden können. Deshalb seien beispielsweise Rinderkeulen mit unklarem Befund mit einem roten Aufkleber gekennzeichnet worden. Der Aufkleber habe den Mitarbeitern signalisiert, dass es sich um eine vorläufige Beschlagnahme gehandelt habe. Die Entscheidung, was mit dem Fleisch geschehen sollte, hätte immer bei den Tierärzten des Schlachthofs Coburg gelegen. „An der Qualität des Fleisches war nie was auszusetzen. Das haben auch die Abnehmer bescheinigt“, fasst der 53-Jährige noch einmal zusammen. Seiner Ansicht nach hat es in seinem Betrieb lediglich „fehlerhafte Deklarationen“ gegeben. „Dadurch“, so D., „ist aber kein Schaden entstanden.“

Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit dem großflächigen Entfernen von Halsfleisch erhoben hat, räumt D. in seiner Erklärung ein: „Das trifft grundsätzlich zu.“ Wie der Fleischhändler, der zuletzt einen Jahresumsatz von rund 50 Millionen Euro am Schlachthof Coburg machte, erklärt, hat er die Erzeuger aber nicht schädigen wollen. „Die Schnittführung bei der Rinderschlachtung ist lebensmittelrechtlich nicht exakt vorgeschrieben“, sagt der ehemalige Schlachthofpächter.

So sei es in Coburg beispielsweise üblich gewesen, den Kopf des Tieres sehr nah am Rumpf abzutrennen. Deshalb wäre es notwendig gewesen, an den Hälsen nachzuarbeiten, um die Stellen zu beseitigen, an denen den Rindern der Stich gesetzt wird, an dem sie dann verbluten „An anderen Schlachthöfen wird das anders gehandhabt, da ist von vorneherein ein größeres Stück vom Hals weg“, gibt der Angeklagte zu bedenken. In seiner Erklärung zeichnet Ludwig D. von Dellert-Fleisch das Bild eines transparenten Unternehmens. „Viehhändlern und Erzeugern war der Schlachthof jederzeit zugänglich. Sie konnten bei der Schlachtung dabei sein und beobachten, was wir tun.“ Das sei, so D., auch genutzt worden.

Dann räumt er auch den Vorwurf der Staatsanwaltschaft ein, mehr Fett als notwendig von den Tierkörpern entfernt zu haben. Dafür hat D. allerdings auch eine Erklärung: „Wir haben die Felle immer falsch herum abgezogen. Da bleibt weniger Fett an den Fellen hängen als bei der anderen Methode.“ Wie der Fleischhändler sagt, habe man die Tiere deshalb so enthäutet, weil Fellhändler solche Häute, bei denen sie kaum nacharbeiten müssen, suchen. „Wenn das Fett aber an den Tieren geblieben ist, war das Schlachtgewicht immer höher als in anderen Schlachthöfen. Deshalb haben wir es wieder entfernt“, berichtet D. Er ist der Meinung, „dass keiner geschädigt wurde“. „Hätten wir anders gearbeitet, hätten wir den Erzeugern nicht so gute Preise bieten können.“ Da den Händlern bekannt gewesen sei, dass herabhängendes Fett von den Tierkörpern nach dem Schlachten beseitigt wurde, wäre auch keiner einem Irrtum erlägen. „Glauben sie, man kann einem ausgefuchsten Viehändler was vormachen?“, fragt der Angeklagte.

Den Aufsichtbehörden am Schlachthof Coburg wirft der Fleischhändler indirekt Versagen vor. „Wenn die Verstöße so gravierend gewesen wären, dann hätten die Behörden eingreifen müssen“, schlussfolgert D. Es habe aber keine Beanstandungen gegeben.