Coburg - Das Landgericht Coburg hat gegen drei leitende Mitarbeiter der Milchwerke Oberfranken-West Geldstrafen verhängt. Die Angeklagten wurden für schuldig befunden, Käse in den Handel gebracht zu haben, der falsch ausgezeichnet war. In rund 80 Fällen war der Fettgehalt falsch angegeben oder normaler Käse als Bioprodukt deklariert worden. Die Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Gerhard Amend wertete das als "Inverkehrbringen von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung" und Betrug.
Einer der Angeklagten, der weisungsbefugt war, muss 150 Tagessätze zu je 300 Euro bezahlen. Das entspricht einer Geldstrafe von 45 000 Euro. Die beiden Beschuldigten, die ihm direkt unterstanden, wurden zu jeweils 90 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt. Sowohl die Beschuldigten als auch die Staatsanwaltschaft nahmen das Urteil noch im Gerichtssaal an. Eine Revision und damit eine Neuauflage des Coburger "Käse-Prozesses" ist nicht mehr möglich.
Der Käse, den die Milchwerke Oberfranken-West unter der Verantwortung der drei Verurteilten in den Einzelhandel gebracht hatten, habe nicht der bestellten Ware entsprochen. "Es war nicht drin, was drauf stand", sagte Vorsitzender Richter Gerhard Amend in seiner Urteilsbegründung. Handelsunternehmen - unter ihnen Aldi, Edeka, Norma, Rewe und tegut - hätten darauf vertraut, dass sie die bestellten Produkte erhalten. Dafür hätten sie bezahlt, und darauf hätten sie gebaut, als sie die Ware in ihre Regale stellten. In der Folge seien Endverbraucher getäuscht worden. Dahinter stecke eine Bereicherungsabsicht der drei leitenden Mitarbeiter der Milchwerke, und die sei als Betrug zu werten, "ganz gleich, aus welchen Gründen oder Zwängen dies erfolgte", erläuterte Amend..
Eine systematische, "gewerbsmäßige" Vorgehensweise unterstellte die Strafkammer den drei Männern allerdings nicht. Dazu sei die Menge viel zu gering gewesen, die als falsch ausgezeichneter Käse in den Handel kam, um Lieferengpässe auszugleichen. Amend: "Die Angeklagten wussten, was geschieht. Sie wollten ihre Kunden zufrieden stellen, aber das geht nicht mit falscher Ware."
Das Verfahren, so der Vorsitzende Richter, habe auch aufgezeigt, wie hilflos der Verbraucher Lebensmittelherstellern ausgeliefert ist. Dies habe sich gerade in der Frage der Deklaration von herkömmlichem Käse als Bioprodukt dokumentiert. Die Eigenschaft "Bio" sei labortechnisch nicht nachweisbar, "man muss dem Produzenten vertrauen". Dieses Vertrauen sei missbraucht worden, "und das ist das Unrecht. Ich glaube, das haben alle begriffen", betonte Gerhard Amend.
Am zweiten Verhandlungstag hatten die drei Angeklagten im Prozess um falsch deklarierte Produkte der Milchwerke Oberfranken-West die gegen sie erhobenen Vorwürfe eingeräumt. Die drei Verteidiger hatten für ihre Mandanten - alle sind leitende Mitarbeiter des Unternehmens - erklärt, diese hätten Käse nicht korrekt auszeichnen lassen, um Lieferengpässe zu überbrücken. Es sei keinesfalls darum gegangen, den Gewinn des in Wiesenfeld bei Coburg ansässigen Lebensmittelwerks systematisch zu verbessern. Am ersten Verhandlungstag hatten die drei Beschuldigten auf Anraten ihrer Rechtsanwälte zu den Vorwürfen geschwiegen.
Dass diese jetzt eingeräumt werden geschehe vor dem Hintergrund, das Unternehmen und dessen Mitarbeiter zu schützen. Zudem seien die Milchwerke Oberfranken-West ein Repräsentant der Region Coburg, dessen guter Ruf nicht beschädigt werden solle, sagte Rechtsanwältin Dr. Stefanie Ernst (Erfurt).Heute gebe es keine Lieferengpässe mehr. Und wenn doch, so Dr. Ernst auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Gerhard Amend, müssten sich die Kunden darauf einstellen. Die Herstellung von Käse sei nun einmal eine sensible Produktion.
Rechtsanwalt Dr. Joachim Löhr (Erfurt) ergänzte, dass in den Milchwerken Oberfranken-West in Wiesenfeld pro Jahr 400 Millionen Tonnen Milch verarbeitet werden. Dem stünden lediglich 86, über mehrere Jahre aufgelaufene Fälle von falsch deklarierten Käseprodukten entgegen. Diese entsprächen einem Umsatz, der mit der Produktion von nicht einmal einer Stunde zu erzielen sei. In 60 Minuten werde in Wiesenfeld Käse im Verkaufswert von rund 32.000 Euro hergestellt.
Die Staatsanwaltschaft warf den drei leitenden Mitarbeitern vor, Käse mit falschen Angaben in den Handel gebracht zu haben. Dabei ging es um die Nennung eines zu niedrigen Fettgehalts auf der Verpackung und die Deklaration von herkömmlichem Käse als Bioprodukt. Die Anklage ging am Ende von einem Gesamtschaden von rund 28.000 Euro aus. Sie hielt den Angeklagten vor, Handelsgeschäfte sowie Endverbraucher mit falschen Angaben zum Fettgehalt getäuscht und in die Irre geführt zu haben.
Das Wiesenfelder Werk der Milchwerke Oberfranken-West war am 4. Juni 2008 von Beamten der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei Coburg durchsucht worden. Unterstützt worden waren sie dabei von Spezialisten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), des Bayerischen Landeskriminalamts sowie der Regierung von Oberfranken. Die rund 100 Ermittler gingen damals mit der groß angelegten Durchsuchungsaktion Vorwürfen eines Auszubildenden des Unternehmens nach, die sich im Prozess nur im Hinblick auf die auf der Verpackung falsch ausgezeichneten, aber qualitativ einwandfreien und zum Teil hochwertigeren Käseprodukte als zutreffend herausstellten. wb
(Ausführliche Berichterstattung in der Neuen Presse vom 18. November).