Coburg Bedrohten Tieren auf der Spur

Norbert Klüglein
Einer zu Hause? Gerhard Hübner (Mitte) öffnet im Hambacher Grund vorsichtig einen Nistkasten für Nieschenbrüter, der von Gartenrotschwänzchen gerne angenommen wird. Zusammen mit Jürgen Thein (links) und Josline Griese führt er die Biotopkartierung im Stadtgebiet durch. Foto: Norbert Klüglein Quelle: Unbekannt

Drei Biologen suchen im Stadtgebiet nach Rückzugsräumen von Insekten, Vögeln oder Amphibien. Die Biotopkartierung soll helfen, neue Schutzkonzepte zu entwickeln.

 
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Coburg - War’s der Wendehals, der da gerade gerufen hat, oder doch nur der Mittelspecht? Gerhard Hübner ist sich da nicht so sicher. Gespannt lauscht er am Rand einer Streuobstwiese in den Hambachgrund. Doch der Vogel - egal welcher es war - gibt keinen Pieps mehr von sich.

Wer weiß, wo sich seltene Tiere aufhalten?

Bis Ende nächsten Jahres sind drei Biologen im Stadtgebiet von Coburg unterwegs, um nach Spuren von Tieren zu suchen, die nicht mehr so häufig vorkommen.

Wer das Team bei seiner Arbeit unterstützen will, kann mitteilen, wo sich bedrohte Tierarten aufhalten. Interessiert sind die Biologen etwa an Brutplätzen von Mauerseglern. Ferner soll sich im Bereich des alten BGS-Geländes eine kleine Population an Nachtigallen aufhalten. Auch Sichtungen von Salamander, Eidechsen, Nattern oder seltenen Libellen interessieren die Biologen.

Eingeteilt werden Tierarten, die auf der roten Liste stehen, in drei Kategorien: ausgestorbene oder verschollene Arten, vom Aussterben bedrohte Arten, wie beispielsweise die gebänderte Heidelibelle oder der Fischotter, stark gefährdete Arten, wie die Knoblauchkröte oder der Kammmolch, und gefährdete Arten, zu denen der Star, der Haussperling oder die Rauch- und Mehlschwalben gehören.

Informationen, die die Arbeit der Biologen erleichtern, nimmt das Grünflächenamt der Stadt unter 09561/96-1670 entgegen.

Seit der Frühling Einzug gehalten hat, ist Hübner zusammen mit seinen beiden Kollegen Josline Griese und Jürgen Thein im Stadtgebiet unterwegs, um Tieren nachzuspüren, die es nicht mehr so häufig gibt: Salamandern und Fröschen etwa. Aber auch Libellen, Heuschrecken, Ringelnattern oder eben dem Wendehals. Die drei Diplom-Biologen arbeiten im Auftrag der Stadt Coburg, die eine - wie es im Behördenjargon heißt - Naturschutzfachkartierung in Auftrag gegeben hat. Das ist eine Art Volkszählung unter allem, was kreucht und fleucht. Sie soll zeigen, wie es um das Wildlife rund um die Vestestadt bestellt ist.

Die Stadt arbeitet bei der Kartierung eng mit dem bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) zusammen, das in ganz Bayern solche Untersuchungen durchführt. Ziel ist es, wie Bernhard Ledermann, der Leiter des Grünflächenamtes der Stadt Coburg, erklärt, sich einen Überblick über die Entwicklung verschiedener Tier- und Pflanzenarten zu verschaffen und auf Grund der Daten Entscheidungen für die Landesentwicklung zu treffen. "Runtergebrochen auf die Stadt Coburg geht es etwa um die Fragen, ob weitere Landschaftsbestandteile unter Schutz gestellt werden müssen, ob bestimmte Pflegemaßnahmen, wie zum Beispiel die Beseitigung von Büschen auf Magerrasenflächen, notwendig sind, um mehr Lebensraum für gewisse Insekten zu schaffen, oder ob Bau-Beschränkungen verändert werden müssen, weil sich einige Arten anders entwickelt haben, als wir vor einigen Jahren angenommen haben", berichtet Werner Pilz. Er ist beim Grünflächenamt für den Naturschutz in der Stadt verantwortlich.

Die Kartierung, mit der jetzt die drei Biologen aus den Landkreisen Coburg und Haßfurt beauftragt wurden, ist nicht die erste Erhebung dieser Art. "In den 1980er Jahren gab es schon einmal eine Biotopkartierung, die 2013 aktualisiert wurde", erinnert sich Werner Pilz. Während die Pflanzenwelt in der Stadt Coburg bereits in den zurückliegenden Jahren unter die Lupe genommen wurde, sind jetzt also die Tiere dran.

Dabei treibt es das Biologen-Trio eher an den Stadtrand, als mitten in die City. Denn Libellen, Amphibien oder seltene Vögle verirren sich kaum dort hin, wo der Verkehr lärmt und der Boden asphaltiert ist. Aber im Stadtteil Creidlitz beispielsweise, nur wenige Meter von den letzten Häusern entfernt, öffnet sich unverhofft ein Naturidyll: Ein kleines Tal wird von einem wasserführenden Graben durchzogen, der in einen schattigen Teich mündet. Hier könnte man sie noch antreffen, die Gartenrotschwänzchen, die großen Granataugen - eine Libellenart, die auf der roten Liste der gefährdeten Arten steht - oder die Bergmolche, die zum Laichen ein stilles Gewässer suchen.

Mit Kescher, Fernglas, Kamera und Kladde ausgerüstet, durchstreifen Jürgen Thein, Josline Griese und Gerhard Hübner das Gebiet, um alles festzuhalten, was ihnen auffällt. Bei der Suche nach Lebensräumen von seltenen Tieren dürfen die Biologen nicht zimperlich sein. Es geht auch mal durch unwegsames Gelände, dichtes Gebüsch oder am Rand von Gewässern entlang. "Manchmal reicht es schon, ein Larvenhäutchen zu finden, das übrig bleibt, wenn Libellen sich häuten", erzählt Jürgen Thein. Ein anderes Mal muss das Team lange warten, bis sich ein scheuer Vogel endlich zeigt.

Wie sich das Tierleben in der Stadt in den vergangenen 40 Jahren verändert hat, das wird erst deutlich, wenn die Daten, die Thein, Hübner und Griese zusammentragen, in eine Datenbank eingeflossen sind. Das wird voraussichtlich 2021 der Fall sein. Für Werner Pilz ist allerdings jetzt schon klar, dass mit Sicherheit erhebliche Verschiebungen deutlich werden - sowohl im Positiven, wie auch im Negativen. "Wenn wir allein an das Schutzgebiet rund um den Goldbergsee denken, dann haben wir dort einen erheblichen Zuwachs an wertvollem Lebensraum für Vögel", gibt der Naturschützer zu bedenken. Vor 40 Jahren war diese Fläche noch Ackerland. Andererseits wird man sicher einige Schrecken-, Nattern- oder Libellenarten nicht mehr finden. Und dann werden die Biologen mit Sicherheit auch auf Zuwanderer treffen, die als Folge der Klimaerwärmung aus südlichen Ländern nach Norden drängen.

"Wir liefern die Daten und die Argumentationsgrundlagen. Konkrete Maßnahmen müssen am Ende die Naturschutzbehörden daraus ableiten", beschreibt Jürgen Thein die Arbeit des Teams.


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