Coburg Coburger Wirtschaft und Politiker atmen auf

Foto: Kay Nietfeld/dpa Quelle: Unbekannt

Hans Michelbach hat den künftigen US-Präsidenten Joe Biden vor Jahren persönlich kennen gelernt. Er setzt große Stücke auf ihn. „Die tiefen Gräben schließen“: Das erhoffen sich Abgeordnete und IHK.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Coburg - Der Sieg Joe Bidens bei der US-Präsidentenwahl hat auch bei Politik und Wirtschaft im Coburger Land für große Erleichterung gesorgt. Ob Landrat oder Oberbürgermeister, ob Landes- oder Bundespolitiker oder die IHK: Alle hegen große Hoffnungen auf einen Neustart der schwer angeschlagenen Beziehungen zu den USA.

IHK-Präsident Friedrich Herdan weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass der Ausgang der Wahlen wegen enger transatlantischer Wirtschaftsbeziehungen auch auf viele heimische Unternehmen unmittelbare Auswirkungen habe. "Die Vereinigten Staaten sind nach Europa äußerst bedeutend für unsere Coburger Wirtschaft, insbesondere für die Branchen Automotive, Maschinenbau, Elektrotechnik und Gebrauchsgüter. Die Geschäftsbeziehungen sind über viele Jahre gewachsen, auch in Zeiten mit protektionistischen Tendenzen", schreibt Herdan.

Biden habe sich im Wahlkampf mit versöhnlichen Gesten gegenüber Europa präsentiert. "Welche Schwerpunkte in der US-Wirtschaftspolitik unter Biden als Präsident wirklich gesetzt werden, bleibt abzuwarten." Herdan wünscht sich baldige, eindeutige Klarheit über das Wahlergebnis. "Denn Unsicherheit ist immer Gift für die Wirtschaft." Gerade in der jetzigen Phase des weltweiten Wirtschaftsabschwungs, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, sei es wichtig, Spannungen und Hürden auf den Weltmärkten wieder abzubauen. "Vor allem aber ist der Regierungswechsel Anlass wie auch Chance, unser politisches Verhältnis zu den USA neu auszurichten, denn Protektionismus ist keine Lösung für eine komplexe und globalisierte Welt."

Die zentrale Aufgabe der nächsten Jahre besteht laut Herdan darin, "aufeinander zuzugehen, um wechselseitig wieder Vertrauen aufzubauen und weiteren Einschränkungen von Freihandel und Multilateralismus entgegenzuwirken." Für Deutschland und Europa müsse es in diesem Prozess darum gehen, sich als Partner der Vereinigten Staaten stärker einzubringen, aber auch selbst mehr Verantwortung zu übernehmen - nicht nur in der Wirtschafts-, sondern auch in Außen- und Sicherheitspolitik. "Mit Joe Biden als Präsident rechne ich damit, dass handelspolitische Probleme mit den USA zwar vorerst weiter bestehen, allerdings doch wohl weniger konfliktträchtig, mit anderem Ton und Stil, ausgetragen werden."

Der Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach (CSU) hat den designierten US-Präsidenten vor 15 Jahren bei einer Delegationsreise in die USA persönlich kennengelernt. Damals war Biden Senator für den amerikanischen Bundesstaat Delaware. "Ich habe ihn als kultivierten und kundigen Gesprächspartner erlebt", sagt Michelbach. Er ist deshalb zuversichtlich, dass Biden "die tiefen Gräben schließen wird, die unter Trump auch zwischen den USA und Europa entstanden sind und an die Stelle der unberechenbaren sprunghaften Politik Trumps wieder verlässliche und vertrauensvolle gegenseitige Beziehungen treten". Vor allem in der Wirtschaft: "Davon würden unsere Exportindustrie und auch viele Betriebe in unserer Region profitieren."

Deutschland müsse sich aber auch darauf einstellen, dass ein US-Präsident Biden wie schon seine Vorgänger Clinton, Bush und Obama von Deutschland und Europa einen deutlichen stärkeren Beitrag zur internationalen Sicherheit und damit auch zum westlichen Verteidigungsbündnis NATO einfordern wird. Zudem werde Biden "mindestens im ersten Amtsjahr" seine Kraft vor allem auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie im Land konzentrieren müssen. "Ganz wichtig ist, dass wir von beiden Seiten daran arbeiten, zu engen und vertrauensvollen Beziehungen zurückzukehren."

Michelbachs Parteifreund, der Landtagsabgeordnete Martin Mittag , freut sich, dass "zum Glück" viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben und Biden "klarer Sieger" geworden ist. "Ein Sieg für die Demokraten, aber vor allem und ganz besonders ein Sieg für die Demokratie. Herzlichen Glückwunsch an Joe Biden, herzlichen Glückwunsch an die Demokraten, aber besonders herzlichen Glückwunsch an Amerika", erklärt Mittag in einer Stellungnahme.

Jetzt bestünde große Hoffnung, dass auch die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten wieder in vielen Bereichen besser werden könnten. Auch wenn das amerikanische Wahlsystem nicht eins zu eins mit dem deutschen vergleichbar sei, gelte gerade auch in den USA, dass jede Stimme zählen müsse, um den Willen der Wählerinnen und Wähler abzubilden, so Mittag. "Ich hoffe, dass auch die letzten Versuche, dieses klare Ergebnis mit zweifelhaften Maßnahmen zu verhindern, keinen Erfolg haben werden."

Der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Busch hatte lange Zeit die Befürchtung, dass der amtierende Präsident Donald Trump "die Demokratie in unserem Vorbildstaat ruinieren könnte", wenn er weitere vier Jahre im Amt geblieben wäre. "Kein Präsident hat die Gesellschaft dermaßen gespalten wie er."

Busch freut sich, dass sich der künftige Staatschef "sehr präsidial, empathisch und äußerst versöhnlich gibt und dass ‚democracy works’, wie er selbst es ausgedrückt hat". Mit der designierten Vize-Präsidentin Kamala Harris habe Biden zusätzlich ein deutliches Zeichen gegen Rassismus gesetzt.

"Ich hoffe, dass sich das auch positiv auf die deutsch-amerikanischen wie auch die europäisch-amerikanischen Beziehungen auswirkt. Denn Amerika ist und bleibt - hoffentlich - einer unser wichtigsten Partner in der globalisierten Welt."

Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) schreibt: "Gratulation an Joe Biden und Kamala Harris. Ich wünsche den beiden, dass sie die offensichtlich tief gespaltene amerikanische Gesellschaft versöhnen können und der partnerschaftliche Dialog mit Europa wieder aufgenommen wird." Es werde auch unter Biden nicht immer Einigkeit geben, erwartet der Coburger OB. Er denke hier beispielsweise an den amerikanischen Wunsch nach Steigerung der deutschen Rüstungsausgaben.

Aber wichtige zentrale globale Zukunftsfragen wie der Klimaschutz könnten nur gemeinsam gelöst werden. "Der Trump’sche nationale Egoismus der letzten Jahre war hierfür nicht hilfreich", so Sauerteig.

Landrat Sebastian Straubel (CSU) wünscht Biden "viel Kraft" für die Bewältigung einer Reihe großer Herausforderungen: Sei es die Corona-Pandemie, der Klimawandel und nicht zuletzt die Zusammenführung eines gespaltenen Landes. "Dass er es kann, hat er als Vizepräsident von Barack Obama ja bereits bewiesen."

Autor

Bilder