Coburg Corona zwingt Landgasthof Wacker in die Knie

Traurig: Norbert Wacker mit seinen Töchtern Susanne Lassotta und Melanie Kühn, am Tresen des Landgasthofs Wacker in Gauerstadt. Am 9. August öffnet das traditionsreiche Wirtshaus zum letzten Mal. Lediglich der Übernachtungsbetrieb läuft weiter. Grund für die Schließung sind die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie. Foto: Braunschmidt

Die traditionsreiche Gastwirtschaft in Gauerstadt schließt. Die Folgen der Pandemie rauben dem Unternehmen die wirtschaftliche Grundlage. Der Übernachtungsbetrieb läuft dagegen weiter.

 
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Gauerstadt - Norbert Wacker steht hinter dem Tresen und blickt traurig auf das Kalenderbuch, das vor ihm liegt. Bis März waren die Seiten gut gefüllt, danach sind sie leer. "Unser Geschäft lief gut, wir hatten sowohl im Restaurant als auch im Hotelbetrieb einen leichten Zuwachs gegenüber dem Vorjahr", berichtet der Seniorchef des traditionsreichen Gasthauses in Gauerstadt.

Aus der Geschichte

1510: Erstmalige Erwähnung des heutigen Landgasthofes Wacker als Gemeindewirtshaus.

1857: Veit Kräußlach übernimmt das Gemeindewirtshaus.

1863: Nikolaus Büchner, Schwiegersohn von Veit Kräußlach, übernimmt das Wirtshaus gemeinsam mit seiner Frau Bernhardine und errichtet im gleichen Jahr eine Brauerei.

1881: Errichtung eines neuen Brauhauses und Stallgebäudes.

1898: Bau eines Lagerkellers.

1912: Ausbau eines Saales.

1923-1943: Albin Büchner führt den Gasthof und stirbt zwei Jahre vor Ende des Zweiten Weltkrieges.

1943: Der Brauereibetrieb kommt zum Erliegen. Klara Büchner führt den Gasthof bis zur Rückkehr ihres Schwiegersohnes Fritz Wacker aus dem Krieg.

1948: Fritz Wacker führt die Gastwirtschaft, unterstützt von seiner Ehefrau Else und den Söhnen Franz, Ewald, Norbert und Schwiegertochter Anna. Die Brauerei erwacht zu neuem Leben.

1965: Allen Widrigkeiten zum Trotz renoviert Fritz Wacker die Gaststube

des Wirtshauses.

1967: Inbetriebnahme des neuen Sudhauses.

1970: Erweiterung des Gastraumes von 50 auf 150 Quadratmeter.

1972: Das erste warme Thermalwasser sprudelt in Bad Rodach. Fritz und Else Wacker bauen den Dachboden der Gastwirtschaft aus und richten in ihrem Gauerstadter Wirtshaus acht Gästezimmer ein.

1975: Norbert und Elke Wacker übernehmen den Landgasthof.

1979: Erweiterung um zwölf Doppel- und zwei Einzelzimmer.

1984: Norbert Wacker schließt die Brauerei, da sich die Prioritäten zum Tourismus verlagert haben.

2011: Die Töchter von Elke und Norbert Wacker, Melanie Kühn und Susanne Lassotta, unterstützt von ihren Ehemännern sowie ihrer jüngeren Schwester Cornelia Wacker-Herzer, sind jetzt die verantwortlichen Gastgeber im Landgasthof Wacker.

2013: Jubiläum "Landgasthof Wacker 150 Jahre in Familienbesitz".

2020: Die Folgen der Corona-Pandemie zwingen die Familie Wacker zur Schließung ihres Gasthauses.

Dann trafen die Folgen der Corona-Pandemie das Unternehmen mit voller Wucht. Ab 21. März musste es, wie alle anderen gastronomischen Betriebe in Bayern, seine Türen über Nacht schließen. Aus zwei Wochen Stillstand, die Ministerpräsident Markus Söder zunächst angekündigt hatte, wurden zwei Monate. Erst am 18. Mai durfte die Außengastronomie öffnen, eine Woche später waren die Speiselokale dran, am 30. Mai konnten Hotels begrenzt ihren Betrieb wieder aufnehmen.

Für die Familie Wacker waren die Schließung und das, was darauf folgte, wirtschaftlich eine Katastrophe. Umsatzstarke Tage wie Konfirmation, Kommunion, Ostern und
1. Mai fielen aus. "Es kamen nur noch Stornierungen", berichtet Norbert Wacker. Das "Essen to go", das der Gasthof an Sonn- und Feiertagen anbietet, kann den Verlust trotz starken Zuspruchs treuer und neuer Gäste nicht ausgleichen. "Auch wenn wir dafür sehr dankbar sind: Zum wirtschaftlichen Überleben reicht das nicht", sagt Melanie Kühn, die Tochter der Wirtsleute Elke und Norbert Wacker. Gemeinsam mit ihrer Schwester Susanne Lassotta betreibt sie den Familienbetrieb in sechster Generation. Erst 2013 haben sie das Jubiläum "Landgasthof Wacker 150 Jahre in Familienbesitz" gefeiert.

Seit Mai gelten Lockerungen für die Gastronomie. Trotzdem bleiben auch in Gauerstadt Gäste aus. Ausnahme: der Biergarten im Freien. "In die Wirtsstube wollen nur wenige" erläutert Norbert Wacker. Angst vor dem Corona-Virus? "Man merkt, da ist eine Hemmschwelle da", antwortet Susanne Lassotta.

Corona hat den Landgasthof in die Knie gezwungen. Deshalb habe sich die Familie schweren Herzens entschlossen, das traditionsreiche Wirtshaus endgültig zu schließen. "Im Restaurant haben wir einen Umsatzrückgang von 72 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, im Hotelbereich von 70 Prozent", erläutert Norbert Wacker den Grund für die Entscheidung. Aufs Jahr hochgerechnet würde das Defizit im Mittel bei 40 bis 50 Prozent liegen - wenn keine neuen Corona-Einschränkungen kommen. Dann wären selbst diese schlechten Zahlen Makulatur. Wackers Fazit: "Wir können uns nicht vorstellen, dass wir die nächsten Monate wirtschaftlich überstehen. Es fällt uns sehr, sehr schwer, zu schließen, aber wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken." Dabei hat die Familie fest an eine gute Zukunft geglaubt. Erst 2015 haben Susanne Lassotta und Melanie Kühn in den Ausbau der Übernachtungsmöglichkeiten einen sechsstelligen Betrag investiert.

Immerhin: Auch wenn das Wirtshaus geschlossen werden muss, der Hotelbetrieb läuft wie gewohnt weiter. Wer noch Gutscheine vom Landgasthof Wacker hat, kann sie bis
9. August einlösen. Informationen dazu gibt es unter der Telefonnummer 09564/92 384.

Und eines ist der Familie Wacker ganz besonders wichtig: der Dank an ihre treuen Gäste und an ihre sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der Schließung betroffen sind. "Da sind über Jahrzehnte hinweg Freundschaften gewachsen", sagen Melanie Kühn, Susanne Lassotta und Norbert Wacker übereinstimmend. An eines mag er noch gar nicht denken: "Den Tag, an dem ich das letzte Glas Bier zapfen werde."

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