Coburg DGB macht Front gegen Leiharbeit

Martin Rebhan
Als Hauptredner der diesjährigen Maikundgebung des DGB konnte Jan Körper (links) gewonnen werden. DGB-Kreisvorsitzender Stefan Bühling dankte dem NGG-Gewerkschaftssekretär für seinen viel beachteten Beitrag. Foto: Rebhan

Flammende Plädoyers für mehr Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit hielten die Redner der Mai-Kundgebung in Coburg. Allen voran NGG-Gewerkschaftssekretär Jan Körper.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Coburg - Der 1. Mai als "Tag der Arbeit" ist wichtiger denn je. Dies ist das Credo, das bei der diesjährigen Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Coburger Prinzengarten immer wieder betont wurde. Schonungslos deckten die Redner, neben Oberbürgermeister Norbert Tessmer und Landrat Michael Busch vor allem Jan Körper, Sekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Missstände im sozialen und wirtschaftlichen System der Bundesrepublik auf. Sie machten dabei deutlich, dass nicht alles Gold sei, was glänzt, sondern es sehr viele Betätigungsfelder gebe, auf denen die Politik aktiv werden müsse, um die Lebensqualität vieler Menschen zu verbessern.

Richtig "aufs Korn" nahm Jan Körper den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. Dem BDI und der "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" sagte er nach, sie würden alles dafür tun, um die soziale Marktwirtschaft abzuschaffen und dafür ein Wirtschaftssystem zu installieren, bei dem der solidarische Gedanke keinen Platz mehr finde.

Seine Behauptung, die Reichen bekämen immer mehr, belegte er damit, dass die Arbeitnehmer Anfang der 80er Jahre rund 76 Prozent des Bruttoinlandproduktes erhielten. In den vergangenen 15 Jahren sei demnach diese Quote auf 64,6 Prozent gesunken. Tendenz weiter fallend. "Das ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn", betonte Jan Körper.

Minutiös zerlegte er die Aussagen des BDI "Die Löhne sind Weltspitze" und "Gute Arbeit ist in Deutschland Standard". Aus seinem Herzen machte er keine Mördergrube, als er meinte, dass solche Worte des BDI in den Ohren der Betroffenen schon zynisch klingen müssten.

Unwillkürlich kam Körper auch auf die Themen Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge zu sprechen. Seine Botschaft an die Politik war eindeutig: "Wo diese nicht benötigt werden, müssen sie weg." Weiter beschäftigte er sich mit den Themen Ausbildung, Rente und Hartz IV. Letzteres bezeichnete er als sozialpolitische Katastrophe. Erschreckend sei für ihn, dass lediglich 24 Prozent der Betriebe überhaupt noch ausbilden und bei einem nicht geringen Teil hiervon mehr von Ausbeutung denn von Ausbildung gesprochen werden könne.

Wohin die deutsche Handelspolitik führen könne, zeigte er am Beispiel Kenia auf. Durch ein Freihandelsabkommen "auf Druck der Bundesrepublik" seien in dem ostafrikanischen Land die Kleinbauernstrukturen faktisch ausgelöscht worden. "Europäischer Freihandel hat Menschen in die Flucht getrieben." Am Ende seiner Ausführungen stellte er eine im übertragenen Sinn revolutionäre und ernst gemeinte Forderung in den Raum, die seine vier- und sechsjährigen Kinder formuliert haben: "Schokolade für alle!"

Aus kommunaler Sicht beschäftigte sich Oberbürgermeister Norbert Tessmer mit dem diesjährigen DGB-Motto "Zeit für Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit". Er hinterfragte, ob man in Deutschland auf einem guten Weg sei. Tessmer: "Solange es noch Überwachungsmethoden in Bereichen der Mitarbeiterspinde gibt, der Niedriglohnsektor nicht trockengelegt ist, prekäre Beschäftigungen nicht eingedämmt und sachgrundlose befristete Beschäftigung nicht abgeschafft ist, gibt es noch viel zu tun." Klar sprach sich das Stadtoberhaupt für Solidarität und gegen eine gesellschaftliche Spaltung aus. Vehement forderte er: "Klare Kante gegen Rassismus, klare Kante gegen extrem Rechte und Linke."

Landrat Michael Busch erinnerte daran, dass der 1. Mai als ein Synonym dafür stehe, sich zu erinnern, dass für vieles, was heute in der Arbeitswelt als selbstverständlich erscheint, immer gekämpft werden musste. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung meinte Busch, Fortschritt müsse dem Menschen dienen. "Dient er ihm nicht, ist es ein schlechter oder gar kein Fortschritt." Busch kam zudem nicht umhin, auch die Flüchtlingssituation zu thematisieren. So zeigte er sich überzeugt, dass man innovative Ideen brauche, um Menschen zu integrieren. Michael Busch: "Der Befehl, Kreuze in öffentlichen Gebäuden aufzuhängen, ist auf jeden Fall völlig untauglich."

Bilder