Coburg Die Krise erreicht den Lehrstellenmarkt

Firmen kämpfen um ihre Existenz, Bewerbungsgespräche können nicht stattfinden, Ausbildungsmessen fallen flach: Die Folgen der Corona-Krise belasten in diesem Jahr den Ausbildungsmarkt in der Region. Symbolbild: Jörg Carstensen (dpa Archiv) Quelle: Unbekannt

Viele Betriebe fahren aufgrund der coronabedingten Schwierigkeiten ihr Engagement zurück. Und auch junge Leute reagieren verhalten. IHK-Präsident Herdan appelliert an beide Seiten einen eindringlich.

 
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Coburg - Die Coronakrise trifft Wirtschaft und Gesellschaft hart - und wirkt sich auch auf den Ausbildungsmarkt aus. Üblicherweise ist das Frühjahr die Hoch-Zeit für Veran-staltungen zur Berufsorientierung, Vermittlung von Ausbildungsplätzen und für Bewerbungsprozesse in den Betrieben. Doch in diesem Jahr ist bei vielen Schulabgängern das Thema Ausbildung bzw. Bewerbung um eine Lehrstelle in den Hintergrund geraten. Ein weiterer Faktor kommt hinzu: Weil viele Unternehmen wegen wirtschaftlicher Unsicherheiten "auf Sicht fahren" oder sogar ums Überleben kämpfen, wurde die Ausbildung teilweise zurückgefahren.

Immer noch genug

Aktuell (Ende Juni 2020) stellt sich der Ausbildungsmarkt im Bezirk der IHK zu Coburg so dar: Die Bewerberzahlen sind wegen des Rückgangs an Schulabsolventen aufgrund des demografischen Wandels gegenüber dem Vorjahr um 8,5 Prozent auf 658 gefallen, die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen sank um 15,4 Prozent auf 1272. Somit stehen derzeit für 282 noch unversorgte Bewerber 561 offene Lehrstellen zur Verfügung, also rein rechnerisch nahezu zwei Stellen für jeden Interessenten wie auch schon in den Vorjahren - also gute Zeiten für Azubis.

Positiv hebt sich hier die Versicherungs- und Finanzbranche mit einem Ausbildungsplus von acht Prozent ab. IHK-Präsident Friedrich Herdan kennt viele gute Gründe dafür, gerade auch in der aktuell schwierigen Lage das Ausbildungsengagement hochzuhalten: Duale Berufsausbildungen sind das beste Personal-Recruiting-Instrument: Wer ausbildet, hat in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels die Sicherheit, auf geeigneten Nachwuchs zurückgreifen zu können, der zielgenau den jeweiligen betrieblichen Anforderungen entsprechend qualifiziert ist. "Auch wenn unsere Betriebe aktuell mit Auftragsmangel, Kurzarbeit und Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben, sind wir in Zukunft auf Fachkräfte angewiesen, erst recht, um nach der Krisensituation kräftig durchstarten zu können. Ich appelliere deshalb an unsere Betriebe, Ausbildungsplätze zu schaffen und Azubis einzustellen, nicht zuletzt auch, um auf stark veränderte Anforderungen der Arbeits- und Berufswelt schnell reagieren zu können, weil den Auszubildenden entsprechende Kompetenzen dazu vermittelt werden", so Herdan.

Der IHK-Präsident verweist in diesem Zusammenhang auf Hilfsprogramme, wie den Ausbildungsbonus aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung: Betriebe, die ihr Ausbildungsplatzangebot in diesem Jahr im Vergleich zu den drei Vorjahren beibehalten, erhalten für jeden neuen Ausbildungsvertrag eine einmalige Prämie in Höhe von 2000 Euro. Wenn Unternehmen ihr Angebot an Lehrstellen erhöhen, werden für jeden zusätzlichen Ausbildungsvertrag 3000 Euro ausgezahlt und Betriebe, die Auszubildende aus Insolvenzunternehmen übernehmen, erhalten 3000 Euro pro Auszubildendem. "Die genannten Beträge stellen eine ansehnliche Unterstützung dar, die sich angesichts der tatsächlichen Ausbildungskosten auch wieder relativiert, aber solche Überlegungen dürfen nicht im Vordergrund stehen, denn Ausbildung ist für unsere Betriebe eine Zukunftsinvestition", stellt Herdan klar. Allerdings liege ein Manko in der Bonuslösung, weil ein Großteil der Ausbildungsbetriebe aufgrund der Mitarbeiterzahl von mehr als 249 davon ausgeschlossen sei.

Der IHK-Präsident richtet seinen Appell an junge Leute, sich jetzt dezidiert mit den Möglichkeiten der dualen Berufsausbildung zu befassen, denn in vielen Bereichen wurden auf Grund besonderer Corona-Hygienevorschriften die Bewerbungsprozesse zurückgefahren, deshalb sei es wichtig, die noch verbleibende Zeit bis zum Ausbildungsbeginn zu nutzen, um sich zu informieren und zu bewerben. Aktuell stehen im IHK-Bezirk Coburg für Interessierte noch 561 offene Lehrstellen zur Verfügung (siehe Infokasten). "Es gilt nach wie vor: Unsere duale Berufsausbildung ist ein Erfolgsmodell und weltweites Bildungsvorbild und der staatlich anerkannte Abschluss gilt als Qualitätssiegel", betont der IHK-Präsident. Die Verbindung aus praktischem Lernen im betrieblichen Arbeitsprozess und Theorievermittlung in der Berufsschule bilde die optimale Basis für eine "Karriere mit Lehre" entsprechend spezifischen persönlichen Fähigkeiten und Neigungen. Wesentlicher Aspekt sei auch die Ausbildungsvergütung, die im Gegensatz zum Studium frühzeitig selbst bestimmtes Leben ermögliche. Neben bewährten Unterstützungsmaßnahmen wie IHK-Lehrstellenbörse, "Ausbil-dungsScouts" und Nachvermittlungsaktionen für unversorgte Bewerber bietet die IHK zu Coburg aktuell eine neue Maßnahme an: das sogenante Matching-Verfahren. Dazu wurden im ersten Schritt die noch freien Ausbildungsplätze in den Unternehmen abgefragt.

Als nächstes werden bei einem virtuellen Speed-Dating den unversorgten Bewerbern ihrem Profil entsprechende Ausbildungsangebote vorgestellt. Über einen solchen Abgleich sollen auch Lehrlinge, die die Ausbildung bei ihrem bisherigen Arbeitgeber aufgrund Corona nicht fortsetzen können, an andere Ausbildungsbetriebe vermittelt werden. "Der Einbruch auf dem Ausbildungsmarkt ist in diesem Jahr sehr deutlich, hoffentlich ist das nur eine Momentaufnahme und es besteht berechtigter Anlass, dass sich an den Zahlen bis zum Beginn des Ausbildungsjahres noch etwas ändern wird und das Ergebnis unterm Strich besser ausfällt", hofft Herdan.

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass Coburger Betriebe in den letzten Jahren die Ausbildungsleistung kontinuierlich gesteigert hätten, weil erkannt worden sei, dass damit der Fachkräftenachwuchs am besten gesichert werden könne. "Damit kommen wir auch von einem relativ hohen Niveau direkt in den Krisenmodus", so Herdan.

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