Christian Zagel: Auf meinem ersten Computer lief Windows 2.0, es war ein 286er mit 20 MB-Festplatte, dazu ein schwarz-grüner Monitor: der alte Rechner meines Onkels. Für Windows 95 habe ich mir einen neuen Computer gekauft und noch aufgerüstet. Ich habe lange für mein erstes CD-Laufwerk gespart. Es hat 600 Mark gekostet. Windows 95 war das erste Betriebssystem, das nicht nur auf ein paar Dutzend Disketten ausgeliefert wurde, sondern auch auf einer Installations-CD. Und darauf war ein Musikvideo versteckt: "Buddy Holly” von Weezer. Das habe ich bestimmt 200 Mal geschaut. Videos auf dem PC abzuspielen, war total cool.
Welche Bedeutung hat Windows heute aus Ihrer Sicht?
Buket Kurtulus: Heute nutze ich kein Windows mehr, ich bin irgendwann auf Apple umgestiegen. Zuerst hatte ich ein iPhone, dann kam der Mac … alle Geräte sind untereinander so gut kompatibel, dass ich nach und nach alles umgestellt habe.
Michael Mützel: Für die Nutzer ist es wichtig, dass sie ein vertrautes Gefühl haben, auch bei einer Neuerung darf sich ein System nicht fremd anfühlen. Die Leute wechseln ungern ihr Betriebssystem. Kluges Marketing und Nutzerfreundlichkeit: Dadurch hat sich Windows so etabliert, dass das Symbol heute auf jeder Tastatur ist. Mir persönlich ist egal, mit welchem Betriebssystem etwas läuft. Das ist wie die Frage, welche Marke das Benzin an der Tankstelle hat.
Zagel: Stimmt, was es ausmacht ist, dass es funktioniert. Und das Marketing. Windows 95 war das erste System, das vorinstalliert zusammen mit dem Rechner vertrieben wurde. Bahnbrechend war auch die Bedienung: mit der Maus klicken statt mit der Tastatur DOS-Befehle tippen. Heute sind Spracheingaben und Touch in, aber das heißt ja nicht, dass das künftig auch so ist. Stellen Sie sich vor, Sie würden im Büro alles über Spracheingabe steuern. Man kennt das aus dem Supermarkt: Es ist doof, wenn da einer steht und quatscht. Oder Gestensteuerung. Wär auch irgendwie affig, wenn jemand in der U-Bahn mit der Hand vorm Gesicht rumfuchtelt.
Was bringt die Zukunft?
Christian Zagel: Es gibt viel Interessantes in der Forschung: Kontaktlinsen mit Augmented Reality (erweiterter Realität), einen Ring am Finger, der eine Steuerung mit unauffälligen Handbewegungen am Oberschenkel ermöglicht oder Brain-Computer-Interfaces, Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer. Mich interessiert NFC (Nahfeldkommunikation) zum kontaktlosen Austausch von Daten - persönlich und aus Forschungssicht. Ich habe mir einen in medizinisches Glas eingefassten NFC-Chip unter die Haut implantiert. Wenn ich die Hand mit dem Handy scanne, öffnet sich mein Paypal-Konto. Daheim öffne ich damit die Haustür. In Schweden kann man damit bezahlen oder sein Bahnticket darauf buchen, in Deutschland ist man zögerlicher. Die Leute haben Angst vor digitaler Transformation und Künstlicher Intelligenz, davor, dass ihre Daten nicht sicher sind und ihre Jobs nicht mehr benötigt werden. Aber früher haben auch 30 Leute auf dem Feld gearbeitet. Dann kam der Traktor. Wir brauchen Anpassungsfähigkeit und Offenheit. Dass die Welt sich verändert, werden wir nicht verhindern.
Buket Kurtulus: Wenn ich sehe, wie sich die Technik entwickelt hat und wie es sich immer mehr beschleunigt, kann ich mir gut vorstellen, dass in 25 Jahren alles ganz anders aussehen wird. Ich lasse mich einfach auf das ein, was kommt. Aktuell interessiere ich mich besonders für Software Engineering und Embedded Systems - auf jeden Fall werde ich in einem spannenden Bereich arbeiten.
Michael Mützel: Microsoft verkauft jetzt Dienste wie Teams oder One Drive, das wird wohl die Zukunft sein. Dass die Leute so an einem Betriebssystem wie Windows 95 hängen, ist vorbei. Was mit Windows 95 begann, endete mit Windows 10. Seitdem gab es viele neue Versionen, aber keinen neuen Namen mehr. Der Desktop interessiert im Grunde nicht mehr. Interview: Natalie Schalk