Seßlach –Rettung Kleintier aus Schacht“: Als Robert Cervenka am Samstag um 11.45 Uhr dieser Einsatzbefehl erreicht, ahnt der Kommandant der Seßlacher Feuerwehr nicht, welch aufregende Stunden ihm und seinem Team bevorstehen. Den Notruf abgesetzt hatte Vanessa Cocco: Als die Seßlacherin ihre Labradore Choco und Balou auf dem Feldweg hinter dem Seßlacher Neubaugebiet Lindachsteig V von der Leine ließ, rannte Choco plötzlich zu einem Gulli. „Er blieb da stehen und fiepte“, berichtet Cocco später. Als sie näher an das Loch im Boden herantrat, war von unten ein Bellen zu hören. Mit Leckerli versuchte Cocco den Verursacher hervorzulocken. Ohne Erfolg: „Da kam nichts vor.“ Kurzentschlossen leinte die junge Frau ihre Vierbeiner an und wählte den Notruf.

Kurz darauf treffen die Polizeiobermeister Benjamin Mathiebe und Michael Seegenschmiedt sowie zwei Einsatzfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr Seßlach mit zehn Kräften an der Fundstelle ein. Kommandant Cervenka ahnt bereits: „Da kommt was auf uns zu!“ Kopfüber überzeugen sich sowohl Feuerwehrmann Manuel Kraus als auch Seegenschmidt im Gullischacht davon, dass sich im Regenwasserkanal tatsächlich ein Tier befindet. Mittlerweile haben sich aus der Nachbarschaft zahlreiche Schaulustige eingefunden. „Den Kopf da so reinzustecken, da gehört auch etwas zu“, kommentiert Nadine Falk. Diese Übung wird in Folge noch mehrfach zu absolvieren sein.

Auch Cervenka macht sich selbst ein Bild: „ich sehe ihn, aber er bewegt sich keinen Zentimeter“, verkündet der Kommandant, nachdem er mühsam wieder aus dem Loch gezogen wurde. Offensichtlich ist der kleine Vierbeiner, warum auch immer, vom Graben in den Regenwasserkanal eingedrungen. Dabei hat er sich hinter einem Absatz so verfangen, dass er weder zurück fand noch dem Kanal zum tiefer gelegenen Rosenwässerle zu folgen vermochte. "Vielleicht ist er auch so verängstigt, dass er sich nicht mehr hervortraut", mutmaßt Cervenka. Vom Schacht aus ist das Tier jedenfalls nicht zu erreichen. Nachdem der Kommandant den Befehl gegeben hat die Abwasserleitung aufzubrechen, heißt es graben: Neben dem Schacht entsteht nach und nach rund zwei mal zwei Meter große eine Grube.

Neben Bürgermeister Martin Mittag schaut selbst Kreisbrandrat Manfred Lorenz vorbei, zur moralischen Unterstützung: „Hilfe brauchen die Einsatzkräfte nicht, das schaffen sie allein!“ Die Feuerwehr kümmere sich eben auch um so vermeintlich kleine Dinge, so Lorenz weiter. Mittag hat auf Wunsch der Feuerwehr sogar eine Angel mitgebracht, mit der versucht werden soll den Hund zu erreichen.

In der Tiefe stoßen die Kräfte schnell auf eine Betonplatte. Statt Schaufel sind jetzt Trennschleifer, Hammer und Meißel gefragt. Staub, Funkenflug und Lärm behindern die Feuerwehrleute. Und immer wieder stellt sich die bange Frage: Wie geht es unter diesen Umständen dem Hündchen dort unten? Erst als Sven Eichler mit seinem Bohrhammer anrückt, zerbröselt die Betonschicht langsam. Vorsichtig löste die Freiwilligen Stück für Stück heraus. Eine Schaufel soll unter der Öffnung verhindern, dass die Brocken auf den Hund fallen. Mit der Flex wird das überstehende Bewährungseisen entfernt. "Wenn wir zu viel Staub machen, erstickt uns der Hund", warnte Cervenka. Momentan dringen nur Laute aus dem Loch, zu sehen ist der Hund nicht. Unten am Rosenwässerle kontrolliert derweil ein Posten, ob der Gefangene nicht doch noch den langen Weg nach unten findet.

Um 13.30 Uhr kann Manuel Kraus schließlich seinen Kopf weit genug unter die Betonplatte stecken. Seine überraschende Kunde: "Es sind zwei Hunde!" Mittag wundert sich: "Jemand muss doch die Tiere vermissen!" Inzwischen versucht Kraus, kopfüber im Loch hängend, mit Schlaufen und einer Bandschlinge die Tiere aus dem Loch zu holen. Doch weder die dargebotenen Wurstscheiben noch Pfiffe vermögen die verängstigten Tiere näher ins Licht zu locken. „Sie hecheln mich lediglich an“, berichtet der Feuerwehrmann. Immer wieder fordert er die Ausreißer auf: „Lauf doch drüber!“ Gemeint ist die Bandschlinge, mit der er sie, unterstützt von vier Kollegen um ihn herum, nach oben heben möchte. Nach einer gefühlten Ewigkeit gelingt es Kraus schließlich einen Hund nach dem anderen aus seinem Verlies zu befreien. Umringt von den Einsatzkräften schütteln sich die verdreckten Vierbeiner erst einmal. Offensichtlich haben sie ihr Abenteuer unverletzt überstanden. Auch „Entdeckerin“ Cocco und ihre Schwester Sandy Gericke, die über zwei Stunden die Rettung gebannt verfolgt haben, tätscheln erleichtert die Hunde.

Kurz nach ihrer Rettung treffen Vertreter des alarmierten Coburger Tierheims ein. Für Sabine Remter Routine: „Wir bekommen fast täglich Nachricht über Fundtiere, meistens Hunde“, berichtet die Tierpflegerin. Um Gefahren zu vermeiden, gelte es dann schnell zu reagieren. In den meisten Fällen könnten aber Herrchen oder Frauchen rasch ermittelt werden. „Diese beiden sehen so gepflegt aus“, mutmaßt Remter nach Prüfung der Geretteten, „der Besitzer wird sich bestimmt schnell finden.“

Sie sollte Recht behalten: Fabian Bartsch waren die Hunde bekannt vorgekommen. Mit einem Anruf erkundigte er sich in Hattersdorf, ob dort Vierbeiner vermisst werden und bat die potenzielle Hundebesitzerin zu benachrichtigen. Fast drei Stunden nach Alarmierung der Rettungskräfte konnte Katrin Schuster ihre Lieblinge wieder in die Arme schließen. „Bin ich froh! Als erstes muss ich gleich meinen Kindern berichten, dass die Ausreißer wieder aufgetaucht sind“, sagte die überglückliche Hundebesitzerin. Am frühen Samstagmorgen waren ihr Mama Chichi und Nachwuchs Purzel entwischt. „Ich habe sie heut früh um 5 Uhr rausgelassen, als sie plötzlich der Nachbarkatze nachgejagt sind“, schilderte Schuster. Stundenlang hatte sie die beiden in der Nachbarschaft in Hattersdorf gesucht, so weit fort in Seßlach hätte Frauchen die beiden Ausreißer „nie vermutet“. Auch hatte Schuster keine Erklärung, wie die Hunde in die vertrackte Lage geraten konnten. Sprachlos und geschockt zeigte sich die Hundebesitzerin angesichts des Aufwands der Rettungsaktion: „Ich habe mir zwar gedacht, dass etwas passiert ist, aber so etwas hatte ich mir nicht ausgemalt!“ Sichtlich erleichtert wandte sich Schuster an die Feuerwehrleute: „Habt vielen Dank für e uren Einsatz!“

Ob die Hundebesitzerin für die Rettungsmaßnahme zur Kasse gebeten wird, bleibt abzuwarten. Die Öffnung im Kanal wurde von den Einsatzkräften vorerst provisorisch gesichert. Nicht, dass sich dort noch weitere Tiere verfangen.