Buch am Forst Gut fürs Tier, teuer für den Bauern

Ferkel stehen in einem Stall. Foto: Carmen Jaspersen/dpa/Symbolbild

Ab Januar 2021 müssen Ferkelerzeuger die Tiere zur Kastration in Vollnarkose versetzen. Die Geräte dafür sind teuer. Einige Bauern stellen die Existenzfrage.

 
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Buch am Forst - Es sind Bilderbuchferkelchen: Quickig, zartrosa, mit Ringelschwänzchen. Sie wuseln unter dem roten Licht der Wärmelampe um die Muttersau, trinken fleißig und beäugen die Welt um sich herum. Ulrich Ilmer lehnt an der Stallbox, in Blaumann und Arbeitsmütze. Wie lange er schon Landwirt ist? "Ein Leben lang", sagt der 60-Jährige.

Kollegen gesucht

Um die Kosten für die Anschaffung des Narkosegerätes abzumildern, sucht Landwirt Ulrich Ilmer Berufskollegen, die sich mit ihm zusammen tun wollen. Dann könnte eine Maschinengemeinschaft gebildet werden.

Wer Interesse an einem Zusammenschluss hat, kann sich an BBV-Geschäftsführer Hans Rebelein wenden. Er vermittelt den Kontakt und unterstützt bei der Ausarbeitung der vertraglichen Grundlage.

Kontakt: Bayerischer Bauernverband, Geschäftsstelle Coburg, 09561/ 795690; Mail: Coburg@
BayerischerBauernVerband.de

Nun ist sein Betrieb in Gefahr. Denn ab dem kommendem Jahr müssen Ferkelerzeuger bei der Kastration der Tiere zwingend eine Apparatur verwenden, die die Ferkel per Inhalation in Vollnarkose versetzt. Ein Gerät, dessen Anschaffung teuer sei - und vor allem kleine Betriebe wie den von Ulrich Ilmer vor immense Probleme stellen soll.

Hans Rebelein, Geschäftsführer des BBV-Kreisverbandes Coburg, kennt der Sorgen, die die Berufskollegen in diesen Tagen plagen, genau. "Es stehen einige Betriebe durch diese Regelung vor der Entscheidung, ob sie das Gerät kaufen und weitermachen - oder ob sie aufgeben", bedauert er. Denn männliche Ferkel müssen zwangsläufig wenige Tage nach der Geburt kastriert werden. Hintergrund ist der unangenehme Geruch, den das Fleisch von unkastrierten männlichen Mastschweinen haben kann.

Bislang betäubt Ulrich Ilmer die Ferkel zur Kastration lokal mit einer kleinen Spritze. "Nur ein Picks", sagt er und hält eine dünne, grüne Spritze hoch. Andere EU-Länder erlauben diese Art der Betäubung auch über das Jahr 2020 hinaus, darunter Holland und Dänemark. Der Kreisobmann des BBV-Kreisverbandes Coburg, Martin Flohrschütz, sagt deshalb: "Das ist ungerecht. Da werden den heimischen Erzeugern die höheren Kosten aufgebürdet - und damit werden noch mehr Betriebe wegbrechen." Ein Blick auf die Zahlen verdeutlich, dass dies ohnehin ein eigenes Problem ist: Der Rückgang an örtlichen Betrieben. So gibt es (Stand 2019) im Landkreis Lichtenfels inzwischen nur noch zwölf Landwirte, die Muttersauen halten. Vor gut 30 Jahren zählte der Landkreis noch 257 Schweinemastbetriebe. Im Landkreis Coburg listet die Statistik aktuell immerhin noch 40 Höfe auf.

Betroffen sind aus Sicht von Martin Flohrschütz daher alle Betriebe, ganz gleich ob groß oder klein. "Mit dieser Regelung wird ein Wettbewerbsvorteil für Ferkel aus Dänemark und Holland geschaffen. Wir aber wünschen uns Gerechtigkeit. Nur wenn es gleiche Voraussetzungen gibt, dann kann auch ein gesunder Wettbewerb entstehen", kritisiert er.

BBV-Geschäftsführer Hans Rebelein stimmt zu und sagt: "Das ist die Schizophrenie der Politik. Da will man zum einen kleine Betriebe haben, die direkten Kontakt zum Abnehmer halten und Tiere zu einem regionalen Metzger geben, zum anderen trifft man aber Entscheidungen, die für diese kleine Strukturen nicht finanzierbar sind." Um den Landwirten unter die Arme zu greifen, schlägt Hans Rebelein daher vor, dass sich mehrere Kollegen zusammen tun und gemeinsam ein Narkosegerät anschaffen, dass dann in den Betrieben rotiert. "Vertragliche Vereinbarungen über solche Maschinengemeinschaften sind grundsätzlich möglich", meint er. Ungewiss sei aus seiner Sicht allerdings noch, wie die Praxis einer solchen Gemeinschaft unter Hygienegesichtspunkten umgesetzt werden könne.

Dennoch ist diese Möglichkeit des Zusammenschlusses unter Kollegen ein Licht am Horizont für Landwirt Ulrich Ilmer. "Die Anschaffung, das wäre schon viel Geld für mich", sagt er mit Blick auf das moderne Narkosegerät. 10 000 bis 15 000 Euro müsste der 60-Jährige dafür aufbringen. Aber den Betrieb ganz aufgeben? Immerhin, das wird im Gespräch mit dem Landwirt recht schnell klar, ist der Beruf für ihn auch Berufung. "Ich bin hier aufgewachsen", zuckt er mit den Schultern. "Und ich mache den Beruf auch gerne."

Optional könnte Ulrich Ilmer auch Ferkel dazukaufen und die Kastration zu umgehen. "Aber das verursacht Kosten von zusätzlich etlichen tausend Euro im Jahr. Das bedeutet Einkommenseinbußen", gibt er zu bedenken. Und irgendwann, da ist das ganze System einfach nicht mehr wirtschaftlich. Vor zwei Jahren hat der 60-Jährige schon seine 15 Milchkühe aufgeben müssen. Im einstigen Kuhstall sind nun schlachtreife Schweine untergebracht; der restliche Teil steht leer.

Eine endgültige Entscheidung darüber, wie es nun weitergehen soll, ist nach alledem am Ilmer‘schen Hof bislang noch nicht gefallen. "Ich warte jetzt einfach noch ein wenig ab", sagt der Landwirt aus Buch am Forst und hofft auf Kollegen, die zum Zusammenschluss gewillt sind. Sein Sohn, 26 Jahre jung, geht auf die Arbeit. "Ob er den Betrieb übernimmt, das ist noch nicht raus", erklärt Ulrich Ilmer. Wenn, dann allenfalls im Nebenerwerb. Dann streckt er die Hand aus, zählt vier Finger ab und meint: "Vier Betriebe im Vollerwerb gibt es noch im Ort."

Unabhängig von den hohen Anschaffungskosten steht die Narkosepflicht unter Einsatz des Mittels Isofluran auch wegen anderen Punkten in der Kritik. So fürchten Anwender vor allem gesundheitliche Risiken. Denn bei der Verwendung des Narkosegases könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Mittel austrete - und von Landwirten ebenfalls aufgenommen werde. "Isofluran geht auf die Leber. Die Berufsgenossenschaften lehnen das Mittel daher ab", verdeutlicht Hans Rebelein. Welche Wirkungen habe das Gas dann erst bei größeren Betrieben auf Anwender, die noch 30 oder 40 Berufsjahre vor sich haben?

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