Coburg Live und vor Publikum: Das Open-Air lebt

Starke Songs und schwache Sprüche: Andreas Kümmert (rechts) und Stefan Kahne eröffneten die Reihe von Samstags-Open-Airs am Coburger Kunstverein. Foto: Ungelenk

"Coburg trotz(t) Corona": Im beschaulichen Amphitheaterchen am Kunstverein eröffnet das Andreas Kümmert-Duo den etwas anderen Open-Air-Sommer.

 
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Coburg - "Wir reden halt gern Schwachsinn", behauptet Andreas Kümmert - und es wäre unhöflich, ihm zu widersprechen. Geistreiche Moderationen sind eben nicht so sein Ding, dafür kann er singen wie ein Soul-Gott, der Typ an seiner Seite spielt die Telecaster, dass einem das Herz aufgeht, über allem strahlt die Junisonne gerade das Gewölk weg - und vor allem: Das hier ist kein Fiebertraum, sondern tatsächlich das erste Open-Air 2020 in Coburg!

1. Coburger Kultursommer

4. Juli: Stefan Eichner spielt

Reinhard Mey

11. und 12. Juli: Gizela -

Rock & Pop unplugged

18. Juli: Stefan Eichner alias "Das Eich": Best Of-Musik-Comedy

25. Juli: Marcelini & Oskar

(15 Uhr Kinderzauber-Show, 18 Uhr Varieté-Show)

1. August: "Ella - First Lady Of Song" mit Laura Mann und Florian Bernd

8. August: "Nur das Beste" von Streckenbach & Köhler

15. August: Bembers’ "Sommer Spezialprogramm"

Beginn: 18 Uhr am Kunstverein,

Zufahrt Leopoldstraße.

Was Viele kaum zu hoffen wagten, geht an diesem frühen Samstagabend doch noch in Erfüllung, ein paar Nummern bescheidener als gewohnt, ohne Sichtschutzzäune, Monsterstrucks und Megabühne, doch dafür beschaulich und charmant: Ein paar Steinwürfe vom Schlossplatz entfernt erlebt das kleine Amphitheater am Kunstverein seine Premiere als Eventlocation, und man fragt sich, weshalb dieses hübsche Plätzchen zwischen Hofgarten und Leopoldstraße nicht schon längst für die Kleinkunst genutzt wurde. Die Antwort liegt nahe, mitten im Wohngebiet: Nicht alle Nachbarn mögen dem Kulturgenuss so gewogen sein wie jene, die es sich auf dem Balkon gemütlich machen und das Konzert in ihrer Privat-Loge genießen.

Mit Rücksicht auf die Anlieger geht es früh los (18 Uhr) und zeitig zu Ende (19.30 Uhr), es gibt weder Pause noch Catering, doch das nehmen die 99 Musikfans in der ausverkauften Mini-Arena in Kauf, um den Start des "1. Open-Air-Kultursommers" mitzuerleben, der unter dem Motto "Coburg trotz(t) Corona" ein Zeichen setzen soll: Vor allem regionalen Künstler/innen will die Ebersdorfer Agentur Streckenbach gemeinsam mit Sponsoren Auftrittsmöglichkeiten bieten mit diesem kleinen Festival, das an acht Samstagen Blues, Rock, Jazz, Chanson, Comedy und Zauberei auf die Freilichtbühne bringt.

Andreas Kümmert, den die Veranstalter als Zugpferd gewonnen haben, zählt als Mainfranke ja irgendwie auch noch zur Region, doch musikalisch ist der Singer/Songwriter aus Gemünden eher im Süden der USA heimisch, dort, wo der Blues herkommt, der ihm nicht nur in der Kehle sitzt. Blues, R’n’B und Soul prägen auch sein achtes Studioalbum "Harlekin Dreams", eine komplette Eigenproduktion, die auf Kümmerts neuem eigenen Plattenlabel Vomit Records erschienen ist - fatalerweise im März 2020. Der Lockdown machte Tourpläne und Promotion zunichte, "alles für den A..." klagt der 33-Jährige mit begreiflicher Bitterkeit. Dass er bei der Gelegenheit sonderliche Ansichten über das Virus und "die Medien" verbreitet, ist sein Recht - spricht aber nicht gerade für solide Faktenkenntnis, sondern eher für die eingangs erwähnte Neigung zu verbalen Torheiten.

Das Publikum steckt’s weg, schmunzelt auch brav über die lauen Kalauer - Hauptsache, die Musik passt, und da gibt es wahrlich nichts zu meckern: Andreas Kümmert und Stefan Kahne sind ein Dreamteam, das mit zwei Gitarren und drei Stimmen (die von Kümmert zählt doppelt) alles wuppt, von knorrigen Blues aus eigener Produktion bis zur Soulballade, vom Commodores-Schmeichler bis zum CCR-Kracher, vom "Simple Man" (Andreas Kümmert) bis zum "Rocket Man" (Elton John). Immer wieder erntet Stefan Spontanapplaus für seine beseelten Soli auf der E-Gitarre, die rockig rotzend und bluesig singend perfekt mit Andreas‘ unglaublicher Röhre korrespondiert, die jeden Song zum Elementarereignis erhebt.

Und das dazwischen vergessen wir mal lieber.

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