Coburg Kehrtwende am Schlachthof

Bislang wollte die Stadt Coburg das Schlachthof- und Güterbahnhofgelände in Eigenregie entwickeln. Jetzt vollziehen der Finanz- und der Bausenat eine Kehrtwende. Die Mehrheit in beiden Gremien will einen Investor ins Boot holen. Die endgültige Entscheidung fällt Ende Juni im Stadtrat. Foto: Norbert Klüglein

Der Finanz- und der Bausenat wollen für die Entwicklung des Geländes einen Investor ins Boot holen. Das war bislang abgelehnt worden.

 
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Coburg - Die Stadt beginnt, sich aus der Entwicklung des Schlachthofgeländes zurückzuziehen. Der Bau- und der Finanzsenat haben am Dienstag in einer gemeinsamen, nichtöffentlichen Sitzung beschlossen, das Areal, das von der Frankenbrücke bis zum Zollgebäude reicht, "mit einem Investor via Konzeptausschreibung, welche die städtebaulichen und nutzungsspezifischen Kriterien und Vorstellungen sichert", partnerschaftlich zu entwickeln.

Diese politisch umstrittene Lösung fiel nach Informationen der Neuen Presse mit elf gegen sechs Stimmen. Dafür votierten Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) als Vorsitzender des Finanzsenats, 2. Bürgermeisterin Dr. Birgit Weber (CSU/JC) als Vorsitzende des Bausenats sowie die in diesen Gremien vertretenen Stadträtinnen und Stadträte von SBC, Pro Coburg, CSU/JC und CSB. Die sechs Gegenstimmen kamen von der SPD und von den Grünen.

Der Beschluss von Finanz- und Bausenat hat allerdings nur empfehlende Wirkung. Die endgültige Entscheidung liegt beim Stadtrat. Sie soll in der Sitzung am 28. Juni fallen.

Ursprünglich war geplant, dass die Stadt die Hoheit über die Gestaltung des Schlachthof- und Güterbahnhofareals behält. Damit sollte gewährleistet werden, dass es aufgrund unterschiedlicher Interessen verschiedener Investoren, die dort Grundstücke erwerben und Gewinne erwirtschaften wollen, zu einem beliebigen, austauschbaren Stückwerk wird.

Coburg warb bislang damit, auf dem etwa sechs Hektar großen Gelände in der Südstadt zwischen der Franken- und der Ernst-Faber-Brücke kein alltägliches Gewerbegebiet aufbauen zu wollen, "sondern ein lebendiges, leistungsstarkes und lebenswertes Quartier zu erschaffen". Kein banales Gewerbegebiet solle auf dem Gelände entstehen, "sondern ein Refugium, in dem sich Wirtschaft, Wissenschaft, Dienstleistung und Kultur ergänzen und befruchten". Geschaffen werden solle "ein Leuchtturmprojekt für Coburg".

Das ist jetzt in Gefahr. Deshalb hatte die SPD-Stadtratsfraktion Anfang Juni den Antrag gestellt, die gesamte Entwicklung in städtischer Verantwortung zu belassen. Nur so könne gewährleistet werden, mit dem Schlachthof- und Güterbahnhofgelände "auf Jahrzehnte hinaus einen Standort für Kreativität, Innovation und Nachhaltigkeit" zu schaffen und zu sichern, heißt es in dem Antrag.

Bei den Coburger Designtagen wurden eine Planung und ein Modell vorgestellt, was in dem Bereich mit dem Globe-Theater und unter Bewahrung des alten Bahner-Übernachtungshauses, der Pakethallen, der Glaserei Späth, des Stellwerks, des Zollgebäudes, der Schlachthofhallen und der Direktorenvilla entstehen könnte. Davon zeigte sich auch Michael Stoschek, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Brose-Gruppe, begeistert. In einem Interview der Neuen Presse kündigte er an, dass die Globe Coburg GmbH, deren Gesellschafter die Unternehmen HUK, Kaeser und Brose sind, einen Struktur- und Gestaltungsplan finanziert, der das gesamte Güterbahnhof- und Schlachthofareal umfasst. "Sonst haben wir die Sorge, dass auf dieser tollen Fläche wieder ein Sammelsurium von Einzelaktivitäten stattfindet, nach dem Motto: Hauptsache ein Investor erwirbt ein Grundstück. Das steht aber einem schlüssigen Gesamtkonzept entgegen, wie wir es jetzt vorschlagen", sagte Michael Stoschek.

Der Finanz- und der Bausenat begründeten ihre Entscheidungen, einen Investor an der Entwicklung zu beteiligen, mit Zeit- und Kostendruck. Die Hochschule Coburg will mit ihrem zunächst auf fünf Jahre angelegten Projekt "Creapolis" in die alte Kühlhalle des Schlachthofs einziehen, die in der Planung als "Gebäude Nr. 9" ausgewiesen ist. Es muss dafür umgebaut werden. Hatte der Bausenat am 14. März dieses Jahres entschieden, dass die Stadt dies selbst übernimmt, schwenkte das Gremium am Dienstag gemeinsam mit dem Finanzsenat um und gab der Variante mit einem Investor den Vorzug. Die Stadtverwaltung hatte vorgerechnet, dass ein "zeitintensiver Ausschreibungs- und Vergabeprozess zu erwarten" sei. Ein Bezug im Jahr 2019 sei ausgeschlossen, "eine zeitnahe Umsetzung schwer vorstellbar".

Auch die Wirtschaftlichkeit spielte bei der Entscheidung eine Rolle. In der Vorlage zur gemeinsamen, nichtöffentlichen Sitzung von Bau- und Finanzsenat heißt es, "eine wirtschaftliche Betrachtung hat für die Stadt Coburg im Falle einer Eigenentwicklung einen sehr langen Amortisationszeitraum mit einer Vielzahl an Risiken und unbekannten Variablen zur Folge".

Lesen Sie dazu auch den NP-Kommentar

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