Coburg Licht, Kamera, Emanzipation

Katja Diedler

Das Kino begeisterte die Menschen in den 1920er- Jahren. Eine Frau aus Coburg will hinter den Kulissen arbeiten und überwindet Widerstände.

 
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Coburg - Die dritte Staffel der Erfolgsserie Babylon Berlin startet am Sonntag mit einem Mord: Die Filmschauspielerin Betty Winter stirbt in den Filmstudios in Babelsberg. Sie dreht einen Tonfilm, ein für diese Zeit spektakuläres und gefährliches Unterfangen. Jederzeit könnte ein Scheinwerfer von der Decke fallen oder gar ein Feuer ausbrechen. In diesem Millieu beginnt Kommissar Gereon Rath seine Ermittlungen, die ihn wieder einmal in die Abgründe Berlins führen werden. Er glaubt nicht an einen Unfall. Die Serie will ihre Zuschauer in die Berliner Filmszene mitnehmen. Die florierte gegen Ende der 1920er-Jahre, denn der Tonfilm war das Medium der Zeit.

Babylon Berlin

Schon die ersten beiden Staffeln von Babylon Berlin haben das Fernsehpublikum begeistert. In der dritten Staffel geht es nun mehr in die spannende Welt des Films. Die ersten Folgen der dritten Staffel laufen am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD. Seit Freitag stehen sie in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit.


Rund 400 Kilometer entfernt nimmt in Coburg, im Kinosaal der ehemaligen Gaststätte Grübelei an der Mauer, eine Emanzipationsgeschichte ihren Anfang. Margarethe Jäger, später Birnbaum, ist die Tochter des Besitzers. Stadtheimatpfleger Christian Boseckert ist auf ihre Vita gestoßen: "Eigentlich recherchierte ich zum 100. Jubiläum des Union Theaters."

Was er da zufällig entdeckt hat, ist eine spannende Geschichte des Coburgs der 1920er-Jahre: Margarethe Jäger wollte Filmvorführerin werden. Der Job war damals annähernd so gefährlich wie die Produktion der Filme, denn sie waren auf leicht brennbares Zelluloid gebannt. "Es konnte schon mal sein, dass ein Funken übersprang", erklärt Boseckert. Die junge Frau kümmerte das nicht. Die Technik faszinierte sie und im Filmsaal der Gaststätte bediente sie die modernen Apparate ohne Probleme.

Bis zum Jahr 1919, denn dann zog das Kino an den Hahnweg, die Geburtsstunde des Union Theaters. Die Filmvorführerin will weitermachen, der Kinobesitzer ist damit einverstanden, ein Coburger Gesetz steht ihr aber im Weg. Es verbietet Frauen, den Beruf als Filmvorführerin auszuüben. Nach einigem hin und her darf sie aber doch ihre Prüfung vor den Augen des Vorstandes der Städtischen Werke ablegen - und besteht mit Bravour. Die Herren müssen ihr ein Zeugnis ausstellen, haben dann aber doch eine Anmerkung: Beim Abspringen von Glut-Teilchen gerate Damenmode eher in Brand als die von Herren. Sie kann ihren Job trotzdem weiter ausüben.

Als in Coburg die bayerischen Gesetze gelten, dürfen Frauen zwar Filme vorführen, aber erst mit 30 Jahren. Margarethe, die jünger ist, erhält eine Sondergenehmigung, muss jedoch noch eine Prüfung ablegen, die sie nicht besteht. Deswegen verlässt sie 1929 das Union Theater, geht nach Meiningen und arbeitete dort als Geschäftsführerin eines Kinos. Dabei lernt sie ihren Ehemann kennen: Heinrich Birnbaum, der mehrere Kinos in der Region besaß.

1933 kehrte sie als Margarethe Birnbaum nach Coburg zurück und pachtet das Union Theater. Damals eines von fünf Kinos, die sich allesamt auf bestimmte Sparten spezialisiert hatten. Im UT fanden die großen Premieren statt. "Als sie den Betrieb übernahm lag das Kino danieder. Die Leute hatten nach der Weltwirtschaftskrise kein Geld mehr", erklärt Boseckert. Die taffe Coburgerin schafft es aber, den Laden wieder auf Vordermann zu bringen. Aus wirtschaftlichen Gründen zeigt sie auch die Filme der nationalsozialistischen Propaganda, stand politisch aber eher den Sozialdemokraten nahe.

Lesen Sie am Mittwoch: Wie heimgekehrte Soldaten noch lange unter den Erlebnissen im Schützengraben litten.

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