Coburg Naturerlebnis als Therapie

Aynur Abdullayeva mit ihrer Pflegerin Katharina Derr auf ihrem Lieblingsplatz im Schatten des Kirschbaumes. Foto: Frank Wunderatsch

Als es Aynur Abdullayeva vor einem Jahr immer schlechter geht, sind die Mediziner mit ihrem Latein am Ende. Hilfe kommt schließlich aus unerwarteter Richtung.

 
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Coburg - Die Dankbarkeit ist Anar Derr deutlich anzusehen. Er ist begeistert von der Hilfsbereitschaft des Schrebergartenvereins Coburg Nord, der es der Familie ermöglicht hat, seiner Schwester Aynur ein neues Leben zu schenken.

Seit ihrer Geburt ist Aynur Abdullayeva geistig und körperlich schwerbehindert. Das Mädchen spricht nicht und kann nicht laufen. Immer wieder hat sie schlimme Krampfanfälle, dann muss schnell der Notarzt kommen. 2017 ging es Aynur immer schlechter, die Familie fuhr zu Fachärzten unter anderem in Nürnberg und München, schildert Anar Derr. "Sie wussten nicht mehr, was sie tun könnten." Schließlich riet der Coburger Hausarzt dazu, das Mädchen so oft wie möglich in die freie Natur zu bringen. Doch die Familie lebt in der Coburger Innenstadt, ein Garten gehört nicht zur Wohnung. "Erst habe ich gelacht, was soll das denn bringen, wenn schon Medizin nicht hilft. Aber dann haben wir einen Versuch gewagt", sagt Anar Derr.

Doch das war schwerer als gedacht. Denn wenn das Projekt Erfolg haben sollte, dann musste der Garten eben sein und eine Zufahrt für den Rollstuhl haben. "Wenn meine Schwester einen Anfall hat, dann muss der Krankenwagen schnell da sein." Der Schrebergartenverein Coburg Nord konnte schließlich der Familie helfen. Sie stellten ein Grundstück zur Verfügung, direkt an einer Zufahrt. Der Vorbesitzer kam mit der Ablöse entgegen und seit nunmehr einem Jahr ist Aynur fast täglich im Garten.

"Seither hat sie fast keine Krampfanfälle mehr und hat etwas zugenommen", freut sich ihr Bruder. Mitunter sei seine Schwester sehr unruhig und entspanne sichtlich, sobald sie im Garten ankomme. Dort hört sie die Vögel zwitschern, der Wind raschelt in den Blättern, Bienen summen vorbei und die Luft riecht nach frischem Grün. Besucher oder Lärm kann sie gar nicht leiden, darum bleibt die Familie in ihrem grünen Paradies meist unter sich.

Einen Teil ihrer Woche verbringt Aynur in der Tagespflege der Wefa in Ahorn. Ansonsten kümmert sich Katharina Derr, die Frau ihres Bruders Anar, um sie. Aynurs Lieblingsplatz ist im Schatten des Kirschbaums, sie lacht fröhlich, als Katharina Derr ihren Rollstuhl für das Foto dorthin schiebt. "Sie lacht viel und ihr Leben ist schön geworden", freut sich die Pflegerin. Ihr Schützling schlafe nun auch viel besser, "das ist wie bei meinen drei Kindern, sie sind müde, wenn sie draußen waren", sagt sie.

Damit das große Taxi, welches Aynur samt Rollstuhl zum Garten fährt, ebenso wie der Krankenwagen, immer einen Parkplatz findet, hat der Verein direkt neben der Hecke des Gartens einen Schwerbehindertenparkplatz ausgewiesen. "Uns war es wichtig, zu helfen. Das ist wirklich notwendig", sagt Karin Petrenz, dritte Vorsitzende des Vereins. Sie hat sich darum gekümmert, dass der Familie der Weg zum eigenen Garten geebnet wurde. Und sie hat vermittelt, als bei anderen Gartenbesitzern Neid wegen dem Sonderparkplatz aufkam.

Im Garten trifft sich die ganze Familie oft vor oder nach der Arbeit und an Wochenenden, schildert Anar Derr, der mit seinen Eltern vor 18 Jahren aus Aserbaidschan nach Deutschland kam und bei der Bahn arbeitet. "Ich hatte keine Erfahrung mit Gärtnern und noch nie einen Nagel eingeschlagen", gibt er zu. Viele neue Erkenntnisse hat er im ersten Gartenjahr gesammelt, ein Gewächshaus gebaut und heuer die Tomaten auf der Fensterbank vorgezogen. "Wir hoffen, dass das selbst angebaute Biogemüse und Obst meiner Schwester gut tut." Anar Derr ist froh, in den Reihen des Schrebergartenvereins immer jemanden zu finden, der seine Fragen zum Gemüseanbau beantworten kann.

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