Coburg Powerplay der Komödianten

Schluss mit zeitraubenden Altlasten: Clotilde (Eva Marianne Berger) und Pierre (Frederik Leberle, rechts) wollen sich von Antoine (Nil Liebscher) stilvoll entfreunden. Was gar nicht so leicht ist, aber ausgesprochen lustig. Foto: Sylvain Guillot

Ein kolossaler Spaß um Freundschaft und Sozialstress: "Das Abschiedsdinner" eröffnet mit schrägem Witz und forschem Tempo den Premierenreigen im Landestheater.

 
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Coburg - Sechs Monate Bühnenentzug: Da staut sich was auf. Jetzt muss es raus, jetzt darf es raus: Sie bersten schier vor Spiellust, diese Drei, die wegen der Verschiebung der "Globe-Songs" nun die Ehre und das ansteckende Vergnügen haben, die erste Premiere der Spielzeit zu wuppen.

Klar, das Stück ist eine Steilvorlage für Komödianten, aber was dieses Trio draus macht, bringt das Publikum von Null auf Hundert: Mit Lachattacken und Szenenapplaus quittiert es das 70-minütige Powerplay von Eva Marianne Berger, Frederik Leberle und Nils Liebscher. Um sie mal in alphabetischer Reihenfolge zu nennen. Denn in Sachen Wucht und Witz, Mimik und Slapstick stehen sie gleichauf auf dem Siegertreppchen. Nicht zu vergessen Regisseur André Rößler, der schon im vergangenen Jahr die grandios witzig-böse "Extrawurst" in der Reithalle zubereitet hat, und nun mit vollem Drive und wildem Witz dieses "Abschiedsdinner" arrangiert.

Auch diese Konversationskomödie des französischen Erfolgsduos Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière wäre unter normalen Umständen ein Fall für die Studiobühne, doch in Coronazeiten kommen auch die kleinen Stücke ins Große Haus. Und siehe da: Es passt. Die drei Akteure haben keine Mühe, mit vitalem Körpereinsatz die ganze Bühne zu bespielen, die Simone Graßmann spartanisch schick möbliert hat: Weiße Wohnlandschaft vor weißer Wand, auf der das virtuelle Kaminfeuer auf dem Alexa-gesteuerten Multmediabildschirm flackert. Cooler Lifestyle, den kein Buch, kein Bild, keine Vase trübt, nur der kränkelnde Ficus in der Ecke.

Die perfekte Kulisse für ein aufgeräumtes Leben, um das es ja hier geht: Weniger ist mehr, finden Pierre (Frederik Leberle) und Clotilde (Eva Marianne Berger), die mit zwei Kindern, Job und gesellschaftlichen Verpflichtungen überlastet sind. Um den Sozialstress zu mindern, wollen sie "tote Äste abschneiden", wie es Pierre darwinistisch-drastisch formuliert: Zeitraubende alter Freunde fliegen raus, aber bitte stilvoll: Beim Abschiedsdinner mit edlem Wein und nostalgischen Gesprächen soll die Trennung sozialverträglich verkündet werden.

Als erste Abschusskandidaten bieten sich Antoine und Bea an, nervtötende Freundschafts-Altlasten aus der körneraffinen Psycho-Künstler-Ecke. Weil Bea weltverbessernd unterwegs ist, trifft der final countdown nur Antoine, und rasch wird klar, warum gerade ihn: Hinreißend ulkig karikiert Nils Liebscher den Typus des narzisstischen Neurotikers, der mit hysterischer Hingabe um sich selbst kreist und seinen Therapeuten noch auf dem Sterbebett volllamentiert.

Eine drollige Nervensäge, der man nur leider nicht böse sein kann - schon gar nicht nach 30 Jahren Freundschaft. Und so gerät Antoines Verteidigungs- und AnklageSuada zum panischen Tanz auf dem Vulkan, den Frederik Leberle höchst sportiv in Szene setzt. Die Lava brodelt auch bedrohlich in Clotide, und Eva Maranne Berger glüht auf in dieser ulkigen Prachtpartie.

Bei soviel Furor die gebotene Distanz zu wahren, ist nicht leicht - aber die Regie macht die Not zur Tugend und die Corona-Regeln zum Gag: Wann immer zwei sich zu nahe zu kommen drohen, funkt der Abstandsalarmmelder akustisch und visuell dazwischen. Und selbst zupackende Lebensrettung funktioniert auch auf Distanz, das demonstrieren Leberle und Liebscher handfest, nachdem Antoine seiner Verzweiflung mit einer Überdosis Erdnüsse ein Ende bereiten wollte.

Keine Sorge: Weder ein allergischer Schock noch das stattliche Messer, das die wilde Clotilde aus dem Nichts zückt, machen die Komödie zur Tragödie. Es bleibt - trotz der durchaus ernsthaften Thematik um Freundschaft, Aufrichtigkeit und Selbsterkenntnis - ein intelligenter Spaß bis zum überraschenden Ende, das natürlich nicht verraten wird.

Am 24. Oktober und 12. November besteht die empfehlenswerte Gelegenheit, das "Abschiedsdinner" selbst zu genießen.

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