Coburg Schweigen in der Drogerie

Die Mitarbeiter bangen nach der Insolvenz um ihre Arbeitsplätze. Ob und wie es weitergeht, ist noch völlig ungewiss.

 
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Coburg - Die Verkäuferinnen in den Schlecker-Filialen lassen sich nichts anmerken. Sie füllen an diesem Mittwochvormittag die Regale auf, kassieren ab oder kontrollieren Listen. Zeit zum Reden hätten sie, denn im Laden ist nur eine Kundin. "Wir sind angehalten, nichts zu sagen. Bitte haben Sie Verständnis." Freundlich, aber bestimmt verweisen sie auf eine "Anordnung von oben", sich weder dienstlich noch privat zur Insolvenz ihres Arbeitgebers zu äußern. "Natürlich lässt uns das nicht kalt. Jeder fragt sich, ob und wie es künftig weitergeht", gibt eine Verkäuferin dem Reporter noch mit auf den Weg.

Selbst der Betriebsrat, der gestern in einer Coburger Filiale tagt, hüllt sich in Schweigen. Keine Angaben über die Anzahl der Beschäftigten und Filialen in Coburg Stadt und Landkreis. Die Internet-Suchmaschine listet aktuell elf Schlecker-Läden auf, davon jeweils zwei in Coburg und Neustadt/C. sowie jeweils eine in Bad Rodach, Sonnefeld, Weidhausen, Ebersdorf, Rödental, Großheirath und Weitramsdorf. Vor Jahren waren es nahezu 30. Die jüngsten Schließungen erfolgten erst vor zwei Wochen. Seither ist Schlecker im KEZ (Ketschendorf) und im Heimatring Geschichte.

Unklar ist, ob, wann und welche Filialen im Zuge der Insolvenz noch geschlossen werden. Das verunsichert nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Kundschaft. "Ich habe nach den ganzen Insolvenzmeldungen schon Bedenken, dass es Schlecker in Bad Rodach bald nicht mehr gibt", sagt eine Thermalbadstädterin. Nach ihrer Ansicht sei das auch schon zu spüren: "Das Sortiment wird seit geraumer Zeit nicht ergänzt und immer kleiner."

Eine weitere Kundin spricht davon, eigentlich nicht so der Schlecker-Fan zu sein. "Aber es ist halt bequem, wenn man in der Nähe arbeitet und in der Mittagspause Kleinigkeiten kaufen kann, zumal es in Bad Rodach an Alternativen mangelt." Eine Schließung der Filiale wäre zwar "besonders für die Belegschaft nicht schön, aber ich hätte nichts dagegen, wenn eine bessere Drogeriekette reinkommt".

Experten sehen im "Schmuddel-Image" einen der Gründe für die Schieflage beim Drogerieriesen Schlecker. Diese Ansicht teilt Regina Merzougue voll und ganz. "Ich war Kundin von Schlecker, gehe jetzt aber lieber zu Rossmann. Der Laden ist modern, das Sortiment viel ausgewogener", sagt die Neustadterin, die in der Nähe der Schlecker-Filiale am Markt wohnt.

Auch Norbert Gansert sieht das eher pragmatisch: "Ich kaufe zwar bei Schlecker ein, habe aber festgestellt, dass einzelne Regale schon vor Weihnachten nicht mehr aufgefüllt wurden. Das liegt bestimmt nicht an den Mitarbeiterinnen." Der Neustadter denkt vor allem an das Personal, das nach der Tarifvertragskündigung wohl noch weniger verdienen und sich oft nur mit Sozialhilfen über Wasser halten kann. cs, chp, pet



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Das Schlecker-Imperium

Im In- und Ausland betreibt Schlecker insgesamt 10 000 Filialen, davon 7000 in Deutschland. Im Inland beschäftigt die insolvente Kette rund 30 000 Mitarbeiter, im Ausland 17 000. Das 1975 von Anton Schlecker gegründete Unternehmen hat seinen Sitz in Ehingen (Donau) in Baden-Württemberg.

Schlecker verzeichnete 2010 einen Umsatz von 6,55 Milliarden Euro.

Das Vermögen von Seniorchef Anton Schlecker beläuft sich nach Schätzungen auf rund drei Milliarden Euro. Schlecker hatte bei Drogerieartikeln im Jahr 2010 einen Marktanteil von 7,4 Prozent und im vergangenen Jahr von 5,5 Prozent.

Mitte November 2010 gaben Lars und Meike Schlecker, Kinder von Anton Schlecker und seit zehn Jahren im Unternehmen tätig, bekannt, nun für den Außenauftritt des Unternehmens verantwortlich zu sein. Bis Mitte 2012 sollten 230 Millionen Euro investiert werden, um die Filialen wettbewerbsfähiger zu machen.

Am 23. Januar stellten die Anton Schlecker e.K. sowie die Tochtergesellschaften Schlecker XL GmbH und Schlecker Home Shopping GmbH beim Amtsgericht Ulm Antrag auf Eröffnung einer planmäßigen Insolvenz. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Neu-Ulmer Wirtschaftsprüfer Arndt Geiwitz bestellt.


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