Eigentlich, so erzählt er, seien diese zu ihrer Zeit alles andere als angesehene Leute gewesen. "Sie waren vielen suspekt und mussten sich den Tisch mit Henkern, Bestattern und den Schlachtern teilen." Die Nacht hätte den Menschen Angst bereitet. Und daher auch jene, die in der Dunkelheit unterwegs waren. Nachtwächter hätten lichtscheues Gesindel fernhalten, den Stadträten heimleuchten und im Notfall Alarm schlagen sollen. "Das Feuer war nämlich der schlimmste Feind der Stadt", weiß er.
Doch bevor Leis von den großen Bränden am Marktplatz, im Steinweg und dem jüngsten, an Pfingsten 2012 in der Herrngasse berichtet, zeigt er seinen Zuhörern Details, die sie bisher wahrscheinlich noch nie wahrgenommen haben. So wie den komischen Vogel, der als Wappen an der ältesten Apotheke der Stadt prangt. "Die Hofapotheke wurde 1543 von Cyriakus Schnauß gegründet und trug den Namen 'Apotheke zum goldenen Strauß'", erzählt er. Weil im Mittelalter aber niemand so richtig wusste, wie ein Strauß überhaupt aussieht, hätte man ein Wesen gezeichnet, von dem man meinte, es könnte einem Strauß ähneln. "Heraus kam eine Mischung aus Schwan, Pelikan und Drache", schmunzelt Stefan Leis und zeigt hinauf zum Wappen.
Nur einen Steinwurf weiter fällt sein Blick wieder nach oben. Jetzt ist es das Prinz Albert Denkmal am Marktplatz, das die Runde ins Visier genommen hat. "Albert war der größte Coup, den die Coburger je gelandet haben", betont der Stadtführer und erzählt stolz von "unserem Coburger Prinz". Weil viele der Gäste an diesem Donnerstagabend aber Einheimische sind - so wie Stefan Leis übrigens auch - bleiben die Ahs und Ohs aus. Zumindest bis der Nachtwächter auf die tiefe Traurigkeit zu sprechen kommt, die Queen Victoria befiel, nachdem ihr geliebter Albert mit nur 42 Jahren an Typhus gestorben war. "Drei Jahre zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und trug von da an nur noch Schwarz", weiß der Stadtführer. Aus Solidarität zu ihrer Königin hätte es ihr der Hofstaat auf ewig gleich getan. "So ist es in Mode gekommen, dass man bei öffentlichen Terminen Schwarz oder zumindest gedeckte Kleidung wählt", erklärt Stefan Leis.
Am Münzmeisterhaus in der Ketschengasse legt der Nachtwächter einen weiteren Stopp ein. Hier zeigt er "ein Steuersparmodell", wie er das Gebäude nennt, das von Etage zu Etage weiter in die Gasse ragt. "Weil die Steuern nach der Grundfläche berechnet wurden, vergrößerte man die Fläche erst weiter oben." Vorsorge zu treffen, nicht zu viel zahlen zu müssen -"darauf geht auch der Ausspruch 'jemand hat vorgebaut' zurück", weiß der Gästeführer.
Noch mal auf die Schulbank schickt Stefan Leis seine Zuhörer dann am Casimirianum. Das Prozedere rund um die Bekränzung ist vielen bekannt. Allerdings nicht die Geschichte von Goethes Vater, der fünf Jahre hier zur Schule ging. Ein Nachtwächter soll ihn auf dem Heimweg vom Hotel Leuthäuser (heute die Deutsche Bank in der Spitalgasse) aufgriffen haben, weil er betrunken und lärmend durch die Stadt gezogen ist. "Auf ihn wartete am Casi der Karzer", weiß Leis und macht sich auf zu den letzten Stationen seiner Tour.
Zwischen Morizkirche und Steingasse bekommen die Zuhörer nicht nur noch "wunderbare kulinarische Spezialitäten der Stadt" vermittelt sondern auch eine Antwort auf die Frage, warum die Steinfiguren Adam und Eva am Eingang der Kirche einen Bauchnabel tragen. Diese Geschichte soll Coburgs Nachtwächter Ihnen aber selbst erzählen.