Coburg Stars hautnah beim Traumspiel in Coburg

Schon bevor das Spiel zwischen dem Fanclub Red Residenz und den Bayern angepfiffen ist, gibt es einen Gewinner: Die Fußballfans der Region erleben einen in Coburg wohl einmaligen Tag.

 
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Coburg - Punkt 15.33 Uhr erfüllen sich Sonntagnachmittag in Coburg Fanträume. Thomas Müller steigt aus dem Mannschaftsbus des FC Bayern – und zwar nicht in der Säbener Straße in München, sondern direkt vor dem Dr.-Stocke-Stadion. Tosender Applaus brandet auf. Tausende Fans haben das Veranstaltungsgelände der Red Residenz Arena verlassen, um einen Blick auf den Mannschaftsbus zu werfen. Dieser hat natürlich verdunkelte Scheiben, doch Mats Hummels, Renato Sanches, Fabian Benko, Joshua Kimmich, David Alaba oder eben Müller zeigen sich kurz den Fans bevor sie im Vereinsheim verschwinden. Die Begeisterung ist riesig. Endlich sind sie da.




Noch eineinhalb Stunden vorher sah das anders aus. Denn auch schon um 14 Uhr kam ein Mannschaftsbus aus München vor dem Stadion an. Das Gedränge war ähnlich groß, doch die gezückten Smartphones wanderten schon nach kurzer Zeit wieder in die Taschen: Der Bus war leer. Das Warten ging weiter.
Seit zehn Uhr am Morgen waren die Tore der Red Residenz Arena geöffnet. Um die Mittagszeit füllte sich der Platz dann zusehends. Hochbetrieb herrschte da schon im Veranstaltungszelt, in dem die Neundorfer Blaskapelle aufspielte und ein Mittagstisch angeboten wurde. „Unser fränkischer Sauerbraten ist der Renner“, verriet Chefkoch Frank „Frankie“ Braungart, der zusammen mit seiner Frau Birgit für das Catering im Stadion zuständig war. Zwischen 400 und 500 Sauerbraten hätten die Küche verlassen. „An Klößen war es das doppelte“, so Braungart. Im VIP-Zelt auf der anderen Seite der Arena ging es dagegen weniger deftig zu. Dort standen unter anderem Garnelen und Antipasti auf der Speisekarte.




Für einen langen Fußballtag gestärkt, ging es für viele Fans dann direkt zu ihren Plätzen. Manch einer hatte dabei alle Hände voll zu tun. Andreas Häfner aus Sonnefeld zum Beispiel hatte das FC Bayern Logo im Großformat dabei – mit allen Unterschriften der Spieler. „Allerdings der Damenmannschaft“, verriet er mit einem Augenzwinkern. Beim Auswärtsspiel in Jena hatte er diese zusammengesammelt. „Weil ich Frauenfußball gut finde“, bekannte er. Und schließlich sei auch seine jüngere Tochter Leonie in einer Mannschaft aktiv. Gleich mit einem Bus war der Fanclub Old School Beikheim in die Vestestadt gereist. „Für uns ist es das erste Traumspiel überhaupt“, erzählte Mario Thomas. Knapp 50 Vereinsmitglieder seien mit nach Coburg gekommen. „Was hier auf die Beine gestellt wurde ist top“, lobt er. Und dazu gehörte auch ein umfangreiches Rahmenprogramm, das schon Stunden vor dem Anstoß jede Menge Unterhaltung bot. So war zum Beispiel der Sportartikelhersteller Adidas mit einer Innovation vor Ort: Im Event-Park hatten Dominick Weinberger aus Herzogenaurach und seine Mitstreiter eine elektronische Torschussanlage aufgebaut. „Eine solche Anlage steht in Groß in den Trainingszentren in Hoffenheim, Dortmund und Katar“, erklärte er. In der Red Residenz Arena hatten bis zum Nachmittag knapp 600 Nachwuchsfußballer ihre Torschusskünste unter Beweis gestellt. Daneben gab es Kinderschminken und Airbrush-Tattoos am Stand der Neuen Presse, den Zeitungshund Einstein sowie eine Hüpfburganlage und einen FC-Bayern-Truck mit Fan-Artikeln. Steffi Wolf

Tag der einmaligen Gelegenheiten

Beim Traumspiel kommen die Fans ganz nah an die Bayern Stars heran. Für viele Coburger bleibt der 20. August ein unvergessener Tag.

Um das unwichtigste vorwegzunehmen: Der FC Bayern München hat das Traumspiel gegen die Fan-Club-Auswahl von Red Residenz Coburg 8:1 gewonnen. Der Reiz dieser Partie lag nicht im Ergebnis – der Sieg der Bayern-Profis stand außer Frage –, sondern in einmaligen Gelegenheiten.

Kurz vor dem Spiel werden die Hälse der rund 10 500 Fans im Dr.-Eugen-Stocke-Stadion immer länger. Schnell spricht sich nach Ankunft des Bayern-Busses herum, dass viele Stars mit angereist sind: Joshua Kimmich, David Alaba, Mats Hummels, Renato Sanches und Publikumsliebling Thomas Müller. Der setzt beim Einlaufen ins Stadion sein unverwechselbares bübisches Grinsen auf. Sofort ist das Publikum da und begrüßt die Münchener. „Uli-“, „Uli“-Rufe gibt es für den FC Bayern Präsidenten und Traumspiel-Erfinder Uli Hoeneß. Kurzes aufwärmen der Stars und zurück geht es in den Seitengang. Jetzt kommt die einmalige Gelegenheit von rund 150 Männer und Frauen eine für Coburger Verhältnisse nie dagewesene Eröffnungsshow zu bieten. Es klappt: Wahnsinn in rot und weiß, inklusive riesiger Fan-Fahne, die den Block A komplett abdeckt. Danach werden Kindheitsträume wahr: Die Einlaufkinder kommen mit den beiden Mannschaften aufs Feld.

Ernst wird es kurz vor dem Anpfiff als Stadionsprecher Thomas Apfel zu einer Schweigeminute für den kürzlich bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommenen Coburger Feuerwehrmann aufruft.
Anpfiff. Anstoß für die Fan-Club-Mannschaft. Erster Ballverlust nach knapp 15 Sekunden. Die Richtung des Spiels ist klar: Es geht meistens nur auf das Tor der Coburger. Doch dann kommt nach wenigen Spielminuten Kevin Popp. Er zieht völlig unerwartet ab und setzt den Ball an die Latte von Bayern Torwart Sven Ulreich. Popp verpasst seine einmalige Gelegenheit nur um wenige Millimeter, sorgt aber für ein erstes Stimmungshoch. Die restlichen 90 Minuten übernimmt Stephan Lehmann, Stadionsprecher des FC Bayern, diese Aufgabe. Er kommentiert den überraschenden Lattenhammer mit: „Dafür ist das kleine Städtchen berühmt. Man spricht nicht umsonst von ,feste Coburg’.“

Der restliche Spielverlauf ist wenig überraschend: Nach Vorlage durch Thomas Müller erzielt der 19-jährige Fabian Benko das 1:0 für die Bayern. Nach knapp 15 Minuten geht Fan-Club-Präsident Scholz vom Platz. „Der wechselt für die Rekordablöse von zwölf Euro zum FC Kronach“, scherzt Stadionsprecher Lehmann. In Erinnerung bleibt in jedem Fall René Wicht, der nicht nur mit einer Glanzparade eine höhere Niederlage verhindert. Das Publikum honoriert seine Rettungstaten mit viel Applaus. Mit 3:0 gehen die Bayern in die Halbzeit. Es gibt Autogramme und Fotos für die Fans am Zaun. Hummels, Müller und Coman nehmen sich am meisten Zeit. Einer der Glückspilze ist Marion Müller aus Lautertal. Sie steht in Block D genau an der Ecke zum Weg in die Kabine und ergattert für ihren Lebensgefährten eine Unterschrift von Müller und Kimmich.

Die zweite Halbzeit plätschert ein wenig dahin. Vor dem Schlusspfiff zieht Tim Knoch den Ball erst knapp am Tor der Bayern vorbei. Kurz danach bringt sich der Meederer Pokalheld wieder in Position und schießt erneut auf den Kasten des Bayern-Nachwuchskeepers Christian Früchtl. Der lässt die Beine etwas offen und über 10 000 Zuschauer jubeln. Ehrentreffer für die Coburger Auswahl. Es ist ein Geschenk für die Fans und der perfekte Abschluss eines einmaligen Fußballfestes. Thomas Heuchling

Ein Blick in strahlende Gesichter

Nicht nur für die Akteure von Red-Residenz-Coburg ist das Traumspiel ein unvergessliches Erlebnis. Auch das Lager des Rekordmeisters zeigt sich von der Kulisse in Coburg beeindruckt.

Beinahe wäre die Überraschung geglückt: Kevin Popp vom Team Red-Residenz-Coburg treibt den Ball elegant durch die Hälfte der „Bayern“ und zieht trocken ab. Der Ball ist lange in der Luft und knallt gegen die Querlatte. Sven Ulreich im Kasten des deutschen Fußball-Rekordmeisters steht wie versteinert auf der Linie und kann dem Geschoss nur noch verdutzt hinterher schauen. Vermutlich niemand der 10 500 Zuschauer hätte mit solch einem satten Schuss gerechnet, den nur Augenblicke vorher stand der Präsident des FC-Bayern-Fanclubs im Mittelpunkt des Geschehens. Norbert Scholz hatte Schwierigkeiten bei der Ballannahme und stolpert über das Leder. Im Fallen spitzelt er die Kugel noch in den Lauf von Kevin Popp. Im weiten Rund des prall gefüllten Dr.-Stocke-Stadions brandet Jubel auf. Die begeisterten Anhänger honorieren den Einsatz des Red-Residenz-Chefs. „Es war mein Traum, etwas spektakuläres zu machen. Das ist mir geglückt“, sagt Norbert Scholz mit einem herzhaften Lachen. Sein Trainer Stefan Späth stimmt seinem Mittelfeldantreiber zu: „Wenn wir hier wirklich in Führung gehen, dann brennt der Baum“, ist sich der Coach sicher.

Doch der sprichwörtliche Baum brennt auch ohne den Führungstreffer des Underdogs. Frenetische Bayern-Fans verwandeln das altehrwürdige Dr.-Stocke-Stadion in die Red-Residenz-Arena. Als Bayern-Youngster Fabian Benko die Gäste – nach sehenswerter Vorbereitung von Thomas Müller mit der Hacke – in Front bringt, gibt es auf den Tribünen kein Halten mehr. Untermauert von den Klängen „Stern des Südens“ und den Worten von FCB-Stadionsprecher Stefan Lehmann feiern die Massen auf den Rängen. Die Bayern überzeugen mit spielerischer Dominanz, ohne glasklare Torchancen heraus zu spielen. Der Red-Residenz-Übungsleiter macht seinem Team ein Kompliment. „Die Mannschaft hat super dagegengehalten. Wir wollten einstellig bleiben, das haben wir geschafft“, resümiert Stefan Späth zufrieden und fügt an: „Das war der geilste Tag meines Lebens.“

Im Lager des Aushängeschilds des deutschen Fußballs herrscht ebenso große Zufriedenheit. „Es war ein sehr schöner Nachmittag, ein sehr schönes Erlebnis für alle“, findet Co-Trainer Willy Sagnol. Deutschlands Nationalverteidiger und Philipp-Lahm-Nachfolger beim FC Bayern Joshua Kimmich kann dem nur zustimmen. „Es ist Wahnsinn, was hier los ist. Schön, dass wir den Leuten mit dieser Partie eine Freude machen können.“ Dass die Begegnung am Ende mit 1:8 zugunsten der „Bayern“ ausgeht, ist für die Tausenden strahlenden Fans nur ein Randaspekt. Nur einem scheint aus Sicht der Bayern der Fanclub-Treffer sauer aufzustoßen. „Ich war beim Gegentor einfach viel zu weit weg. Dann bekommt unser Torwart (Anm. d. Red. Christian Früchtl) den Ball auch noch durch die Beine“, analysiert Verteidiger Niklas Süle mit einem Augenzwinkern. Dennoch ist der Neu-Münchener von der Atmosphäre in Coburg begeistert. „Obwohl die Beine vom Freitag (Anm. d. Red. Eröffnungsspiel der Bundesliga gegen Leverkusen) noch ein bisschen schwer waren, hat es trotzdem viel Spaß gemacht, hier zu spielen.“

So verlassen die Massen zufrieden das Stadion in der Coburger Wiesenstraße. Auch Benjamin Müller, obwohl er allen Grund hätte, betrübt zu sein. Der Kicker von Red-Residenz hatte sich in der Vorbereitung auf die Partie einen Kreuzbandriss zugezogen und wurde erst vor sechs Wochen operiert. „Auch wenn ich heute nicht spielen konnte, war das trotzdem ein super Erlebnis“, strahlt der Unglücksrabe. So sehen es wohl auch die Bayern-Spieler, die nach dem Abpfiff gut gelaunt Autogramme geben und Selfie-Wünsche erfüllen. Nur einer hat es eilig, um in die Kabine zu kommen: Startrainer Carlo Ancelotti. Der „Mister“ verabschiedet sich im Vorbeigehen lediglich mit einem „Ciao“ von den Zaungästen.


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