Mitwitz/Hassenberg Störche zieht es auf das Schloss

Maria Löffler

Über Hassenberg thronen zwei Adebars. Das Paar hat viele interessierte Fans in der Region. Aus diesem Grund informierte der Storchenbeauftragte über das Leben der Vögel.

 
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Mitwitz/Hassenberg - Sie wohnen immerhin auf einem Schloss und thronen über Hassenberg. Das Weißstorchpaar, das sich zum Brüten und zur Aufzucht ihrer Jungen hier niedergelassen hat, sorgt für viel Interesse. In Steinach bei Mitwitz organisierte deshalb der Vorsitzende der LBV-Gruppe Steinachtal (Landesbund für Vogelschutz), Uli Münch, ein ganz besonderes Treffen: "Storchenwatch" nannte er es und Gastgeber waren Altbürgermeister Hans-Peter Laschka und seine Frau Barbara. Versorgt wurden die etwa 25 Teilnehmer nicht nur mit spektakulären Bildern, sondern vor allem auch mit ganz vielen Infos. Und die kamen vom Storchenbeauftragten Hans Schönecker.

Wissenswertes über den Weißstorch

Der Weißstorch wird etwa 80 bis 100 Zentimeter groß und hat eine Flügelspannweite von bis zu zwei Metern. Störche können bis zu 30 Jahre alt werden und ein erwachsenes Tier wiegt zwischen vier und fünf Kilogramm. Brutbeginn ist Mitte März bis Anfang Mai. Die Gelegegröße bewegt sich zwischen einem und sieben Eiern, im Schnitt sind es drei bis fünf. Die Brutdauer beträgt 32 bis 33 Tage und die Nestlingszeit 55 bis 65 Tage. Ihr Lebensraum sind Flussauen und Feuchtwiesen. Auf dem Speisenplan stehen bei Weißstörchen Regenwürmer, große Insekten, Kleinsäuger wie Mäuse oder Maulwürfe, Eidechsen oder Schlangen. Beim Schwarzstorch sind es eher Wassertiere wie Frösche und Fische. Gefährdet sind Störche vor allem durch den Verlust an Nahrungstieren, an Nahrungsflächen oder durch direkte Todesfälle. Dazu zählen unter anderem Krankheiten, Abschüsse, Tod an Stromleitungen, Vergiftungen, Dürreperioden im Wintergebiet oder der Verlust an Rastplätzen.

"I love Störche," so prangte es in großer Schrift auf seinem schwarzen T-Shirt und Schönecker lebt was er liebt. Sein umfassendes Wissen über diese Vogelart beeindruckte vor allem deshalb, weil er nicht mit trockenen Statistiken langweilte, sondern mit kleinen Anekdoten und vor allem mit spannenden Hintergründen. Ein ganzes Storchenjahr im Schnelldurchlauf, von der Eiablage bis zum Zug in ein Winterquartier und wieder zurück. Und zwischendrin: ganz viel Liebe, aber auch Schicksalsschläge und eben Erfolgserlebnisse. Auch Storcheneltern müssten lernen, Eltern zu sein, vermittelte der Experte.

Wie das klappt beim "Hassenberger Storchenpaar", das vermittelte ein Blick durchs Teleobjektiv. Quasi hautnah konnte man beobachten, wie die beiden Jungen gefüttert und umsorgt wurden. Selbst mit bloßem Auge war zu erkennen, dass beide Elternteile ihr Bestes gaben, um ihren Nachwuchs durchzubringen. Die sind mittlerweile zwar aus dem Gröbsten raus, was aber nicht bedeute, dass die Gefahr vorüber sei. Und Gefahren gebe es viele in so einem kleinen Storchenleben. Auch hier würden nämlich nur die Starken überleben. Wer nicht genug Fressen in den Magen bekommt, der sei am Ende der Verlierer. Aber auch Starkregen könne zum Tod der Tiere führen, weil ihr Flaum sie nicht vor Kälte und Nässe schützen könne. "Zwar breiten die Eltern die Flügel aus, aber auch sie werden ja nass und deshalb können ihre Jungen dann trotzdem an Unterkühlung sterben." Wer überlebt, bei dem werden "im Juni die Schwingenfedern langsam erkennbar, sie stehen auf den Füßen und sind etwa 1,5 Kilogramm schwer." Bis es allerdings zu etwa zwei Metern Flügelspannweite und zu einem Gewicht von drei bis vier Kilogramm kommen könne, dauere es noch etwas. "Aber sie machen die ersten ‚Flugübungen‘, denn die Flügel müssen bewegt werden, damit sich die Muskulatur ausbilden kann. Dabei heben sie schon mal zwei bis drei Meter über dem Horst ab und lassen sich dann wieder absinken. Aber diese Übung kann ganz leicht auch in die Hose gehen." Es käme schon mal vor, meinte Schönecker, dass dabei ein Junges mal "am Storchennest vorbeisinke" und auf dem Boden lande. "Aber selbst dann, kann es ein Happy End geben", tröstete der Storchenexperte sein Publikum.

Im Juli schließlich, wenn es mit dem Fliegen schon ganz gut klappe, stellten die Eltern langsam die Fütterung ein. "Das geschieht, damit die Kleinen ihnen folgen und lernen, sich ihre Beute selbst zu suchen." Heuschrecken, Mäuse, Insekten, Ratten, der Weißstorch sei nicht wählerisch, was sein Futter angehe. Da dürfe es auch schon mal Aas sein. Das anfängliche Betteln der Jungstörche ende nach etwa einer Woche, denn dann hätten sie endgültig begriffen: "Es gibt keinen Lieferservice mehr." Abgenabelt und bereit, ihr eigenes Abenteuer zu suchen, verließen die Jungstörche Anfang August den Horst, um sich einem Zug Richtung Winterquartier anzuschließen. Ab September machten dann auch die Eltern sich auf den Weg in wärmere Gefilde.

Welche Entfernungen sie dabei zurücklegen, ist spektakulär. Bis zu 13 000 Kilometer einfach kommen da - je nach Flugroute - schon mal zusammen. Richtung Afrika gäbe es nämlich eine Ost- und eine Westroute und da könne es auch mal vorkommen, dass Störche auf den Mülldeponien Portugals blieben, weil sie hier ein entsprechendes Nahrungsangebot vorfänden. Die anderen, die bis nach Afrika fliegen, leisten in etwa drei Wochen ein beachtliches Pensum. "Sie können bis zu 600 Kilometer am Tag zurücklegen und sind Thermikflieger, aber über dem Wasser gibt es keine Thermik. Sie müssen also in großer Höhe von Gibraltar aus starten und kommen in Bodennähe in Afrika an. Da kann es schon mal zu einer Überanstrengung kommen und ein Teil der Störche fällt deshalb in Küstennähe ins Mittelmeer." Außerdem würden in Teilen Afrikas Störche immer noch bejagt, bedauerte Schönecker. Im Frühjahr machten sich die Tiere an den Rückweg, denn "wer zuerst kommt, kann zuerst seinen Horst besetzen". Der Storch sieht es wohl eher pragmatisch, denn laut Schönecker kommt bei ihm die Horsttreue noch vor der Partnertreue. "Unter anderem auch aus diesem Grund überwintern immer mehr Störche hier, wenn das Futterangebot stimmt. Und kommt die alte Partnerin nicht zurück, dann nimmt er sich eine neue."

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