Weidach Strom vom Acker für 150 Hauhalte

Bettina Knauth
Energieerzeugung in Bürgerhand bietet der erste Solarpark der Bürgerenergiegenossenschaft Coburger Land am Ortsrand von Weidach. Er wurde am Samstag offiziell eingeweiht. Dazu konnte Vorstandsvorsitzender Christian Gunsenheimer (Mitte) den bayerischen Umweltminister Thorsten Glauber (links) und Weitramsdorfs Bürgermeister Andreas Carl begrüßen. Die ehemalige Ackerfläche bietet unter und neben den Modulen Raum für Flora und Fauna und soll noch weiter begrünt werden. Hobby-Imker Gunsenheimer hat hier auch Bienenvölker angesiedelt. Foto: Bettina Knauth

In Weidach geht ein neue Solarpark an Netz. Bürger vor Ort profitieren von der Anlage.

 
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Weidach - Wie kann die Energiewende gelingen? Die Bürgerenergiegenossenschaft Coburger Land setzt auf Solarparks, an der sich Bürger, die in der Nähe wohnen, beteiligen können. Am Samstag wurde die erste dieser Photovoltaik-Anlagen am Ortsrand von Weidach (Gemeinde Weitramsdorf) offiziell eingeweiht.

"Diese Anlage wurde von den Bürgerinnen und Bürgern in Weidach gewollt", sagte Vorstandsvorsitzender Christian Gunsenheimer angesichts des großen Interesses aus der Bevölkerung. Für Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) ist die neue Freiflächen-PV-Anlage nicht nur ein gelungener Beitrag zur "Stromwende", sie verbindet auch Klima- und Artenschutz miteinander. Das extensiv genutzte Grünland biete vielen Tier- und Pflanzenarten Raum und sorge für eine biologische Bereicherung.

Vor fast einem Jahr begannen die Arbeiten am Häslichweg, gleich hinter dem Züchterheim. Mitte März konnte die gut eine halbe Million Euro teure Anlage bereits ans Stromnetz der SÜC angeschlossen werden. Sie erzeugt fast 750 Kilowatt Strom, eine Energieleistung, die je nach Verbrauch 150 bis 170 Haushalte versorgen kann. Und das dezentral, vor Ort und unabhängig von importierten Energieträgern wie Erdöl und Erdgas. Durch die regenerative Stromerzeugung werden den Initiatoren zufolge rund 10 000 Tonnen CO2-Äquivalent gegenüber der konventionellen eingespart. Mindestens 20 Jahre - so lange läuft der Einspeisungsvertrag - könnte die Anlage Strom produzieren. "Die Mehrheit der Module wird auch in 30 Jahren noch Energie liefern", zeigte sich der Minister überzeugt.

Dem Aufruf der Energiegenossenschaft an interessierte Bürger, sich zu beteiligen, stieß auf große Resonanz. "Wir waren dreifach überzeichnet", berichtete der Vorstandsvorsitzende. Der Klimaschutzbeauftragte des Landkreises Coburg freute sich besonders, dass vor allem Ortsansässige von der Möglichkeit Gebrauch gemacht und Anteile gekauft haben. "Gerade wer die Anlage ständig vor Augen hat, soll auch von ihr profitieren können", meinte Gunsenheimer. Die Genossenschaft stehe für den Kreislauf vor Ort: Sie beteilige die Bürger, baue lokal die Anlage und stehe danach als Ansprechpartner zur Verfügung. Um allen Interessierten die Möglichkeit zur Teilhabe zu geben, wurden die Zahl der Anteile pro Kopf reduziert. Mit maximal 1500 Euro konnten sich die Bürger beteiligen (sonst 5000 Euro). Erst wenn sich nicht genügend Anlieger aus der betroffenen Gemeinde fanden, durften Mitglieder der Genossenschaft Anteile erwerben, danach auch Nicht-Mitglieder und Ortsfremde. 20 Prozent der Investitionssumme von 550 000 Euro kamen durch die Teilhaber zusammen. Drei Prozent Gewinn hofft Gunsenheimer pro Jahr ausschütten zu können.

Errichtet wurde der neue Solarpark auf früherem Ackerland, für das sich nach seiner Ausweisung als Gewerbegebiet wegen der schwierigen Topographie nie ein ernsthafter Interessent fand. Statt Fabrikgebäude oder Hallen wurden hier nun die aufgeständerten Module errichtet. Zur Eröffnung pflanzten die Firma Münch Energie (Rugendorf), die die Anlage gebaut hat und der Landschaftspflegeverband Bäume. Durch die weitere Bepflanzung des Areals mit Hecken, Sträuchern und Bäumen soll noch ein zusätzlicher Mehrwert geschaffen werden. "Nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es können", meinte Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Weiß. Außerdem wird das Gelände eingezäunt. Zwischen den Modulen könnten bald Schafe weiden. Am Ende der Nutzungszeit lasse sich die Anlage restlos zurückbauen und erneut als Ackerland nutzten.

Spielt der Gesetzgeber mit, so könnte die Anlage bald erweitert werden. Die dazu notwendige Fläche hat sich die Energiegenossenschaft schon reserviert. "Vorerst erlaubt uns das Erneuerbare Energie-Gesetz nur 750 Kilowatt Leistung", so Gunsenheimer. Einen konkreten Wunsch gab der stellvertretende Landrat seinem Parteifreund von den Freien Wählern mit: Die Politik möge dafür sorgen, dass bei PV-Freiflächenanlagen zukünftig keine Ausgleichsmaßnahmen mehr notwendig werden. Gunsenheimer: "Auch ohne unser Zutun ist die Fläche rund um die Module ein Traum an Ökologie und würde selber als Ausgleichsfläche taugen." Da brauche es nicht noch mehr Flächen, die der Landwirtschaft entzogen würden.

"Jetzt zu sagen, dass jede PV-Anlage keine Ausgleichsfläche braucht, wäre falsch", entgegnete Glauber. Nicht überall sei Flurdiversität gegeben. Doch auch er wolle "mehr Dynamik in die Thematik Erneuerbare Energien" bringen, versprach der Minister, immerhin sei Bayern "mit Sonne gesegnet".

Sein Wunsch: Jeder Bauherr sollte verpflichtet werden, auf seinem Neubau eine PV-Anlage zu errichten und einen Speicher in den Keller zu stellen. Die Kosten hätten sich in weniger als zehn Jahren amortisiert. Auch wenn das Speichermedium noch eine "Herkulesaufgabe" darstellt, zeigte sich Glauber überzeugt: "Die Stromwende ist technisch durchorganisiert und machbar."

Nach Errichtung einer 84-KW Anlage auf dem Dach des Coburger Gymnasiums Ernestinum im Jahr 2016 ist der neue Solarpark das zweite Projekt der Energiegenossenschaft. Derzeit werden Standorte für weitere Freiflächen-PV-Anlagen gesucht, vorrangig ebenfalls in alten Gewerbegebieten. Einer weiteren Anlage in Weitramsdorf hatte der Bauausschuss vor kurzem eine Absage erteilt. "Ich bitte die Gemeinde mit Blick in die Zukunft mehr dieser Anlagen möglich zu machen", wandte sich Gunsenheimer daher an Bürgermeister Andreas Carl (DGN). Immerhin produziere die Genossenschaft nicht-industriell Strom und werde in Weitramsdorf Steuern zahlen, wie andere Gewerbetreibende auch.

Dem Weidacher Solarpark hätten die Verwaltung unter seinem Vorgänger Wolfgang Bauersachs sowie das Landratsamt Coburg in kürzester Zeit den Weg frei gemacht. "Es ist ja nicht so, dass jeder bei einem Solarpark gleich Hurra schreit", wandte Carl ein, auch wenn Anlagen unter Beteiligung der Bürger "natürlich besser zu begründen seien".

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