Coburg Tobias Ehrlicher 100 Tage im Amt

Von Christoph Scheppe
"Es fühlt sich gut an und es ist so, wie ich es mir vorgestellt habe": Seit 100 Tagen ist Tobias Ehrlicher Bürgermeister von Bad Rodach. Als "größtes Sorgenkind" bezeichnet der die ThermeNatur. Foto: Christoph Scheppe

Die Schonzeit für Bayerns jüngsten Bürgermeister ist vorbei. Der 26-Jährige will kein Abbild seines Vorgängers sein, sondern eigene Akzente im Bad Rodacher Rathaus setzen. ThermeNatur und Verschuldung sind für ihn die größten Sorgenkinder.

 
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Bad Rodach - Der blaue Anzug sitzt ebenso perfekt wie die orange-blau gestreifte Krawatte. Tobias Ehrlicher hat gerade am Tisch Platz genommen, als plötzlich seine Sekretärin Michaela Brehm eine Schere zückt und dem Bürgermeister an die Krawatte geht. Der nimmt´s mit Humor: "Ist doch Weiberfasching", sagt er und hält den abgeschnittenen Schlips lächelnd in die Kamera. Die Szene zeigt: Tobias Ehrlicher hat von der Unbekümmertheit, mit der er im Wahlkampf die Herzen der Bad Rodacher eroberte, auch 100 Tage nach der Amtsübernahme nichts verloren. Seit 1. November vergangenen Jahres ist der damals 25-Jährige Bayerns jüngster Rathauschef. "Es fühlt sich gut an und es ist so, wie ich es mir vorgestellt habe", bilanziert er zum Ende der "Schonzeit".

"Die Stadt ist dein Baby"

Unbekümmert bedeutet aber keinesfalls oberflächlich oder gleichgültig. "Ich habe nun eine ganz andere Verantwortung, der ich mir auch bewusst war und bin", sagt der inzwischen 26-jährige SPD-Politiker. Das gelte nicht nur für die großen Dinge wie beispielsweise die ThermeNatur. Viele Bürger und Gäste kontaktierten ihn mit vermeintlich kleineren Problemen, die sich "für sie aber als elementar darstellen", berichtet Ehrlicher davon, dass "alle immer den Chef sprechen wollen". Dieser Bitte versuche er zwar nachkommen zu können, was aber schon zeitlich nicht immer möglich sei. Die Verantwortung, die er zuvor als Stadtrat gehabt habe, sei mit der des Bürgermeisters nicht vergleichbar. "Die Stadt ist dein Baby", beschreibt Ehrlicher seine Aufgabenstellung mit dem Ziel, alles dafür zu tun, dass "sich das Baby prächtig entwickelt".

Das kostet ebenso viel Kraft wie Zeit, hat aber sein bisheriges Leben nur in Nuancen verändert. "Ich bin als Bürgermeister kein anderer Mensch geworden", sagt er. Es bleibe zwar weniger Zeit für Freunde und Bekannte, dafür seien jetzt mehr "die Bürgermeister und der Landrat meine Familie geworden". Schmunzelnd fügt Tobias Ehrlicher hinzu: "Und meine Freundin, die in Dresden studiert, hat sich auch noch nicht beschwert."

In den ersten Wochen seiner Amtszeit hat Bayerns jüngster Rathauschef die von seinem Vorgänger Gerold Strobel angebotene Hilfe ab und an in Anspruch genommen. In jüngster Zeit sei dies nicht mehr der Fall gewesen. Gerold Strobel habe viel für Bad Rodach getan, aber "ich muss meinen eigenen Weg gehen und will auch nicht Abbild meines Vorgängers sein", erklärt Ehrlicher.

Im Rathaus selbst will er den Einsatz moderner Kommunikationstechniken sowie den Umgang mit den neuen Medien forcieren. Hier sehe er noch viel Potenzial nach oben. Zur Diskussion stehen auch kundenfreundlichere Öffnungszeiten. Außerdem plant Tobias Ehrlicher für Neubürger regelmäßige Informationsabende. Auch im Bereich der Jugendarbeit sieht er die Stadt noch längst nicht am Ziel: "Bei den Angeboten für die 13- bis 18-Jährigen haben wir ein bisschen Nachholbedarf."

Die ThermeNatur und deren finanzielle Belastungen bezeichnet Ehrlicher als "unser größtes Sorgenkind". Hinzu komme die Kreisumlage von jährlich 4,1 Millionen Euro. Dadurch nehme die Verschuldung in den nächsten Jahren um einige Millionen zu. Im ungünstigsten Fall steige zum Ende des Jahres 2014 die Pro-Kopf-Verschuldung von derzeit 1875 auf bis zu 2300 Euro. "Die Situation ist schlechter als gedacht. Für neue Dinge gibt es kaum Spielraum", sieht der Rathauschef den finanziellen Aktionsradius der Stadt künftig erheblich eingeschränkt.

Bürgerbus wünschenswert

Ganz oben auf der Ehrlicher-Agenda rangiert auch der demografische Wandel. Experten haben berechnet, dass im Stadtgebiet von Bad Rodach bis 2030 das Durchschnittsalter von jetzt 47 auf dann 57 Jahre ansteigt. "Das hat Auswirkungen auf viele Bereiche", plädiert der Bürgermeister, sich schon frühzeitig mit den Folgen zu beschäftigen und gegenzusteuern. Intelligente Ausweisung von Baugebieten in den Stadtteilen, Programme für die Kernstadt sowie ein intakter öffentlicher Personennahverkehr ("Ein Bürgerbus wäre eine gute Sache") stehen ganz oben auf der Prioritätenliste von Tobias Ehrlicher.

Bayerns jüngster Rathauschef hat auch die überregionalen Medien nach Bad Rodach gelockt. In den ersten Wochen habe er vielen Zeitungen und Radio- und Fernsehstationen Interviews geben müssen. "Klar, dass ich dabei auch kräftig für die Stadt und die ThermeNatur geworben habe", sagt der 26-Jährige. Ihm sei aber auch klar, dass die Leute keine Show sehen wollen. Deshalb halte er sich an den Rat guter Bekannter: "Bleib' so natürlich wie du bist und lass´ dich nicht verbiegen."

Die finanzielle Situation ist schlechter als gedacht. Für neue Dinge gibt es kaum Spielraum.

Bürgermeister Tobias Ehrlicher


15 Stadtteile, 6320 Einwohner, 130 Mitarbeiter

Seit 1. November 2012 ist Tobias Ehrlicher Bürgermeister der Stadt Bad Rodach. Zur Kommune gehören 15 Stadtteile mit insgesamt 6320 Einwohnern.

Der städtische Haushalt hat ein Volumen von 18,5 Millionen Euro. Davon entfallen 12 Millionen auf den Verwaltungs- und 6,5 Millionen auf den Vermögenshaushalt.

Als Bürgermeister ist der 26-jährige SPD-Politiker Chef von 130 Mitarbeitern in Rathaus, Stadtwerken und ThermeNatur.

Bad Rodach bietet 3800 Arbeitsplätze, verfügt laut Statistik selbst aber nur über 2500 Erwerbstätige. Schätzungen zufolge pendeln täglich 2000 Arbeitnehmer in die Thermalbadstadt.


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