Coburg Viel Appetit auf Lesefutter

Ob Kinderbuch oder Klassiker: Die Stadtbücherei verzeichnet steigende Nachfrage, vor allem online. Wer vor Ort ausleiht, darf zwar nicht zu lange schmökern, doch dafür lokale Kunst genießen.

 
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Coburg - "Jetzt müssten wir nur noch Glühwein ausschenken. Das dürfen wir aber leider nicht", schmunzelt Brigitte Maisch und schaut ein bisschen wehmütig über den Weihnachtsmarkt. Der Budenzauber rund um Albert erleuchtet einladend die Dezembernacht - nicht weit vom vertrauten Ort, aber leider nur auf der Leinwand. Im 2. Stock der Stadtbücherei weckt Beate Graßhoffs Gemälde Erinnerungen an ein Advents-Event, das es in diesem Jahr nicht geben wird.

Auch manch andere heimatliche Impression gibt es zu entdecken in dieser Ausstellung der Gruppe [P]art 5, zu der sich Heide Kunze-Lysek, Beate Graßhoff, Eva Golandsky, Ina Niemann und Nina Netzkau vor rund zehn Jahren zusammengefunden haben. "5 Künstlerinnen und ihre 4 Jahreszeiten" lautet der Titel der vielschichtigen Schau, in der auf drei Etagen anmutige Landschaften mit abstrakten Kompositionen kontrastieren, filigraner Strich mit expressiver Geste, malerische Poesie mit zeichnerischer Akribie und Lokalkolorit mit Fernweh: Der Blick in eine mediterrane Gasse stimmt schon ein bisschen melancholisch.

Während Museen derzeit geschlossen bleiben, sind Bibliotheken zugänglich - und die Kundinnen und Kunden der Stadtbücherei freuen sich über diese farbenfrohe künstlerische Aufhellung dieser betrüblichen Zeit: "Die Leute sind dankbar!", sagt Brigitte Maisch. Hotspot-Sorgen muss die Diplom-Bibliothekarin nicht haben: Auf 1000 Quadratmetern kommt man sich nicht so leicht ins Gehege, 100 Besucher/innen dürften gleichzeitig ins Haus, doch diese Frequenz wird ohnehin nicht erreicht. Die Klammern, mit denen anfangs die aktuelle Anzahl der Kunden überwacht wurde, gibt es deshalb nur noch für den Kinder- und Jugendbereich: Zehn knallpinke und frisch desinfizierte Klammern hängen bereit, wenn sie vergriffen sind, heißt es warten.

Maximal 30 Minuten sollen sich Besucher/innen in der Bücherei aufhalten; in Ruhe Zeitung lesen, in Romanen abtauchen, lernen oder arbeiten ist momentan passé. Lesesaal, Schmökerecken und auch die Spielnische wurden deshalb mit Flatterband abgesperrt, nur fünf Arbeitsplätze und ein Internet-Terminal stehen zur Verfügung. Um Andrang im Foyer zu vermeiden, wurden CDs und DVDs von dort in andere Abteilungen verlagert. Bücher und andere Medien können auch kontaktlos zurückgegeben werden: Die Rückgabebox am Eingang hat rund um die Uhr "geöffnet" und wird gut angenommen. Alle Rückläufer kehren erst nach dreitägiger "Buchquarantäne" zurück in die Regale.

Strenge Hygieneregeln gelten für das Team, das ganztägig Mund-Nase-Masken trägt. An Beschäftigung mangelt es den neun Mitarbeiterinnen nicht, denn in Zeiten der Pandemie erfreuen sich Geschichten zum lesen, hören oder sehen wachsender Beliebtheit: Wurden vor Corona täglich im Durchschnitt 376 Medien ausgeliehen, so sind es nun über 500.

Onleihe boomt

Einen regelrechten Boom gab es am letzten Tag vor dem Lockdown im März, als sich die Kunden mit Lesefutter eindeckten und 1000 Medien über den Tresen gingen.

Die physischen Ausleihen sind derzeit zwar leicht rückläufig, doch dafür brummt die Onleihe: Die Nachfrage nach E-Books, E-Papers und E-Hörbüchern, die registrierte Kunden der Stadtbücherei über franken.onleihe.de herunterladen können, ist in diesem Jahr um 20 Prozent gestiegen.

Einen deutlichen Aufschwung erlebt nach Brigitte Maischs Erfahrung das Kinderbuch: "Mehr Eltern legen wieder Wert darauf, dass ihre Kinder mit Büchern in Berührung kommen." Auch die jungen Erwachsenen entwickeln wachsenden Leseappetit, die Stadtbücherei hat deshalb ihr Angebot im Bereich Liebesromane und Erotik aufgefrischt - "und das ist ständig weg", bemerkt die Leiterin.

Neben Lesefutter ist auch vermehrt anspruchsvolle Kost gefragt, Klassiker feiern dank Corona ein Comeback, meint Maisch: "Man liest wieder Weltliteratur." Auch in der Sachbuchabteilung ist spürbar, dass Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen - und das nicht nur mit Netflix oder Tatort: Handbücher für Kreative, zum Beispiel über Handarbeit und Kunst, liegen im Trend.

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