Coburg Zoff um neue Bauernregeln

Mit solchen Bauernregeln wirbt das Umweltministerium für eine naturverträgliche Landwirtschaft. Die Bauern fühlen sich an den Pranger gestellt. Quelle: Unbekannt

Eine Plakataktion des Bundesumweltministeriums stößt auch bei Coburgs Landwirten auf massive Kritik. Auf Verbandsebene spricht man von Mobbing.

 
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Coburg - Bundesweit regt sich Protest gegen eine Kampagne des Umweltministeriums. Große Plakate zeigen im Stil von Bauernregeln Sprüche, die auf Missstände in der Landwirtschaft hinweisen.

"Diese Kampagne ist eine Zumutung für unsere Landwirte" sagt Hans-Jürgen Rebelein, der Geschäftführer des Coburger Bauernverbandes. Er spricht von einem Angriff auf die konventionelle Landwirtschaft und berichtet, dass viele Bauern seine Meinung teilen und sich bereits telefonisch bei ihm darüber beschwert haben. "Ein Landwirt hat eine Beschwerdeplattform eingerichtet, dort haben sich schon über 9500 Bauern eingetragen", schildert er. Rebelein hat sich in einem Brief an Abgeordnete gerichtet und sich "gegen das Mobbing" ausgesprochen. Besonders wurmt ihn, dass diese Aktion mit Steuergeldern bezahlt worden seien.

Ihm geht es um die Art und Weise, wie das Thema behandelt und "auf die Bauern draufgehauen wird". Jeder Autofahrer, jeder Hausbesitzer und jede Industrieanlage belaste die Umwelt. Nur allein die Landwirte zum Ziel der Plakataktion zu machen, sieht er als nicht gerechtfertigt an. "Eigentlich müsste unser Landwirtschaftsministerium jetzt genauso auf das Umweltministerium draufhauen mit einer ähnlichen Kampagne."

Jeder Landwirt versuche, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Ställen das beste für seine Tiere zu tun, alle drei Jahre müsse zudem ein Sachkundenachweis über den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln erbracht werden. "Dünger und Pflanzenschutzmittel kosten Geld, jeder überlegt sich genau, ob er etwas ausbringt", so Rebelein.

Unterstützung bekommen die Landwirte von der Lichtenfelser Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner, CSU. Sie bezeichnet die Kampagne der Umweltministerin als "Gift für jede Debatte" und kritisiert, dass den Plakaten nichts Konstruktives abzugewinnen sei. "Ich fordere das Bundesministerium dazu auf, diese Kampagne sofort zu beenden", so Zeulner in einer Pressemitteilung. Sie regt dazu an, einen runden Tisch in den Landratsämtern einzurichten, wo die Landräte mit Vertretern der Landwirtschaft und der Unteren Naturschutzbehörden gemeinsam vor Ort nach Lösungen suchen. Ziel müsse es sein, auf kommunaler Ebene die Probleme genau zu definieren. "Umweltschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wird nur dann erfolgreich sein, wenn nicht einfach nur die Landwirtschaft den Schwarzen Peter zugeschoben bekommt."

Auch die Junge Union Coburg-Land fordert die örtliche SPD und insbesondere deren Bundestagskandidatin Doris Aschenbrenner in einem öffentlichen Schreiben zur Distanzierung von den neuen Bauernregeln auf. "Die steuergeldfinanzierte und populistische Kampagne trägt nicht mal ansatzweise zur Verbesserung der Nachhaltigkeit bei, sondern ist schlichtweg dazu da, um unsere Landwirte in den Dreck zu ziehen", so die Vorsitzende der Jungen Union Coburg-Land, Christina Bieberbach. Sie nennt die Kampagne einen Schlag "in das Gesicht unserer heimischen Landwirte". Die Landwirte in Bayern und insbesondere im Landkreis Coburg trügen seit Jahrhunderten zur Erhaltung der Kulturlandschaft bei. "Falls die SPD auch nur einen Hauch bayerische Interessen vertreten möchte, ist es dringend geboten, dass sich parteiintern Widerstand gegen das unsägliche Vorgehen von Frau Hendricks regt und die Kampagne zurückgezogen wird", so die Forderung Bieberbachs.

Doris Aschenbrenner begrüßt es auf Nachfrage der Neuen Presse, dass "um das Thema Umweltschutz gestritten wird", dies geschehe viel zu selten. Es sei ein wichtiges Ziel, die von der Landwirtschaft verursachte Umweltbelastung zu verringern. Allerdings räumt sie ein, dass dies nicht auf dem Rücken von einzelnen Menschen ausgetragen werden dürfe. Die Plakataktion bezeichnet Aschenbrenner als "eine witzige und sehr gelungene Marketingkampagne". Statt nun aufeinander los zu gehen, sollte eine sachliche und inhaltliche Diskussion folgen. "Ich verstehe, dass das Thema zwischen CSU- und SPD-Ministern hochkocht. Doch ich weiß nicht, ob wir dieses Spiel auch auf unterer Basis spielen sollten", meint sie mit Blick auf die Forderung der Jungen Union nach parteiinternem Widerstand.

Voraussetzung für mehr Umweltschutz ist nach Ansicht von Demeterlandwirt Benjamin Hirsch aus Ahorn ein Umdenken bei den Verbrauchern. "Wenn 60 Prozent der Menschen mehr darauf achten würden, was sie kaufen, wäre viel mehr Nachhaltigkeit möglich", so Hirsch, der in Witzmannsberg einen kleinen Hofladen betreibt und weitgehend ohne Maschinen Obst und Gemüse in Bioqualität anbaut. Letztendlich bestimme der Verbraucher, wie und was angebaut werde und unter welchen Bedingungen Tiere gehalten würden. "Jeder Landwirt kann bei sich anfangen", so Benjamin Hirsch. Allerdings weiß er aus Erfahrung, dass ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln das Unkrautzupfen auf 20 000 Quadratmetern Fläche Tage dauern kann - was die Produkte entsprechend teuer macht.


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Christiane Schult:

"Faire Preise statt Beleidigungen"

Neue Bauernregeln für mehr Umweltschutz: Unter dem Motto "Gut zur Umwelt. Gesund für alle" wirbt seit Anfang Februar Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) für einen bewussten Umgang mit der Natur. Im Stil von alten Bauernregeln prangert sie Missstände an. "Gibt's nur Mais auf weiter Flur, fehlt vom Hamster jede Spur" steht etwa auf den Plakaten, die in über 70 deutschen Städten aufgehängt wurden. Zudem werden die Sprüche auf Ansichtskarten, über eine Kampagnen-Webseite und über soziale Medien verbreitet. "Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm", so ein weiterer Spruch.

"Wir wissen, dass die intensive Landwirtschaft die Belastungsgrenzen von Böden und Natur viel zu oft überschreitet", so Hendricks in einer Pressemitteilung. Ihr Ziel sei es, die EU-Agrarförderung so umzubauen, dass Landwirte stärker für öffentliche Leistungen wie den Naturschutz bezahlt werden.


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