Coburg ver.di und Klimaaktivisten verbünden sich

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Beide fordern am Freitag einen besseren ÖPNV. Der Gewerkschaft geht es bei dem Streik aber auch um mehr Geld.

 
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Coburg - Zum zweiten Mal innerhalb von 14 Tagen haben die Mitglieder Gewerkschaft ver.di den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Coburg lahm gelegt. Am Freitag blieben wieder alle Busse des SÜC-Verkehrsbetriebs im Depot.

Ein Unternehmen, zwei Tarife

Einer der Gründe, warum in Coburg fast immer alle Busfahrer dem Streikaufrufen von ver.di Folge leisten, ist die Tatsache, dass es im Verkehrsbetrieb zwei unterschiedliche Tarifsysteme gibt. Während die Busfahrer, die dem Unternehmen schon mehr als 20 Jahre angehören, nach den Bestimmungen des öffentlichen Dienstes entlohnt werden (TV-N), erhalten die nach dem Jahr 2000 eingestellten Fahrerinnen und Fahrer ihren Lohn nur noch nach dem Tarif des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO). "Das macht Gehaltsunterschiede von 600 bis 700 Euro pro Monat aus", hat ver.di-Sekretär Dirk Schneider ausgerechnet.

Mit der Ausgründung des Verkehrsbetriebs, der damals auch von den Coburger Stadträten abgesegnet worden war, wollten die Städtischen Werke ihre Personalkosten im ohnehin defizitären ÖPNV senken.

Angesichts der geplanten Verkehrswende fordert die Gewerkschaft ver.di die öffentlichen Verkehrsunternehmen nun auf, flächendeckend wieder zurückzukehren in den Tarif für den öffentlichen Dienst.

Die Gewerkschaft fordert von den Arbeitgebern des privaten Omnibusgewerbes Bayern (LBO) eine deutliche Lohnerhöhung und Verbesserungen der Sozialleistungen. "Wir wollen einen starken ÖPNV. Das geht aber nur mit Personal, das ordentlich bezahlt wird", sagte Michael Szmaciarz, Mitglied der ver.di-Tarifkommission. Zentrale Forderung der Streikenden ist eine Lohnerhöhung um mindestens 3,5 Euro pro Stunde.

Für die Gewerkschaft sind die Coburger Busfahrer offenbar eine sichere Bank. Wie ver.di-Sekretär Dirk Schneider, zuständig für den Fachbereich Verkehr, gegenüber der Neuen Presse sagte, hätten nicht nur alle Fahrer, die dem Tarifbereich LBO angehören, den Streikaufruf befolgt. "Es ist auch zu Solidaritätkundgebungen von Kollegen gekommen, die noch Altverträge des TV-N haben", unterstrich Schneider. Somit tauschten am Freitag mehr als 60 Coburger Busfahrer ihren Platz hinter dem Steuer mit dem vor dem Werkstor der SÜC.

Diesmal erhielten die streikenden Busfahrer Verstärkung aus einer ganz anderer Richtung. Aktivisten der Bewegung Fridays for Future schlossen sich am Freitagmorgen den Streikenden an. "Wir haben festgestellt, dass es eine große Übereinstimmung der Interessen gibt", sagte Helena Lakemann, die Sprecherin der Fridays for Future-Ortsgruppe Coburg. "Auch wir fordern die Verkehrswende und eine deutliche Stärkung des ÖPNV. Deshalb gehen wir gemeinsam auf die Straße."

Die Solidarität der jungen Aktivisten der Klimaschutzbewegung, die am Freitagmorgen um 8 Uhr vor dem Werksgelände der SÜC in der Uferstraße aufgezogen, wurde von ver.di umgehend erwidert. An der Klimademo, die gegen Mittag auf dem Coburger Marktplatz startete und durch die Stadt führte, beteiligten sich auch die streikenden Busfahrer. "Unser Thema bei dieser Veranstaltung ist der Ausbau des ÖPNV", erklärte ver.di-Mann Michael Blümlein. Dieser sei in Coburg wünschenswert, solle aber nicht auf Kosten der Mitarbeiter geschehen. Andere Forderungen der Fridays for Future-Bewegung würde er als offizieller Vertreter der Gewerkschaft eher nicht mittragen wollen. Gemeint waren hiermit unter anderem Sprechchöre, welche die Zerschlagung von Energieunternehmen wie RWE forderten.

In eigner Sache geht es der Gewerkschaft ver.di darum, Druck auf die Arbeitgeber des privaten Omnibusgewerbes Bayern zu erhöhen. "Die Arbeitgeber können weitere Streiks verhindern, indem sie ein ordentliches Angebot vorlegen", betonte Gewerkschaftssekretärin Silke Vorpahl. Bis jetzt wäre aber nur ein zweiter Verhandlungstermin im Januar 2021 angeboten worden. "Übersetzt heißt das: Sie bieten nichts", kritisierte Vorpahl. Der Beruf des Busfahrers müsse wieder attraktiver werden, unterstrich ihr Kollege Dirk Schneider. Mit Blick auf die besondere Situation in Coburg forderte der Gewerkschaftssekretär die Städtischen Werke auf, wieder zum TV-N-Tarif zurückzukehren, der bis 2000 auch in der Vestestadt gegolten habe. Nach der Ausgründung des Verkehrsbetriebs, der nun dem LBO-Tarifbereich angehört, hätten Fahrer deutliche Einkommensverluste hinnehmen müssen. Außerdem drohe einigen wegen des niedrigen Einkommens die Altersarmut, unterstrich Dirk Fischer. Wie er weiter sagte, hätten kommunale Verkehrsbetriebe in Bayreuth oder Bamberg längst die Zeichen der Zeit erkannt und wären entweder zum TV-N-Tarif der öffentlichen Arbeitgeber zurückgekehrt oder hätten ihren Haustarif daran ausgerichtet.

Von Seiten des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen hieß es, dass man weiterhin kein Verständnis für dies wiederholte Tarifkampf-Maßnahme habe. In einer Stellungnahme des Verbands, der der Neuen Presse von den Unternehmenskommunikation der Städtischen Werke zugeleitet wurde, wurde ver.di aufgefordert "von ihrer überzogenen Lohnforderung abzukehren". Bedingt durch die Auswirkung der Corona-Pandemie stünden viele private bayerische Betriebe im Reisebus- und Linienverkehr "weiterhin finanziell mit dem Rücken zur Wand".

Der Streik der Busfahrer hatte nach Angaben der Polizeiinspektion Coburg keine dramatischen Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr. Durch Elterntaxis sei es zwar zu Behinderungen im Bereich des Glockenbergs gekommen, wo sich vier Schulen in unmittelbarer Nähe befinden. Größere Stauungen oder Unfälle wären aber nicht gemeldet worden, sagte ein Polizeisprecher. Auch der Demonstrationszug am Nachmittag führte mit seinen lediglich rund 100 Teilnehmern - inklusive der Busfahrer - zu keinen schwerwiegenden Verkehrsstörungen.

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