Ein Schriftsteller erklärt sein Gedicht. Das ist etwas, das er eigentlich nicht tun sollte. Denn, so formuliert es der aus Schwabach stammende Berliner Autor Gerhard Falkner, er hindert damit das Gedicht an seiner freien Entfaltung und drängt ihm "das an Speck wieder auf, was es während seiner Entstehung glücklicherweise abgenommen hat, um zu seiner idealen Figur zu finden".
Im vorliegenden Fall erlaubt sich der Dichter eine Erklärung, weil es sich um ein Gedicht handelt, das "in Dienst gestellt" wurde. Es trägt den Titel "Der letzte Tag der Republik" und gesellt den Bildern eines gleichnamigen Films des amerikanischen Videokünstlers Reynold Reynolds eine Aussage bei, die sich kooperativ zu dessen Thema verhält - dem umstrittenen Abriss des Ostberliner Palastes der Republik, in dem von 1976 bis zum Ende der DDR die Volkskammer ihren Sitz hatte. Falkners Gedicht greift die Suggestionen der Bilder auf: Geschichte, Schönheit, Destruktion, rhythmisiert von Tempo, Bewegung und Stillstand, durchirrt von Baustellenfahrzeugen. Es stehen so schöne Sätze darin wie dieser: "Karthago ist auch nicht an einem Tage zerstört worden." Und es endet so: "Erst wenn die Wolken ins Gras beißen, / wird dieses Stück Geschichte gegessen sein."
Nachzulesen ist das Gedicht, zusammen mit einem Essay des Architektur- und Filmkritikers Moritz Holfelder, in einem Buch aus dem jungen Verlag "starfruit publications", den Manfred Rothenberger, Leiter des Instituts für moderne Kunst Nürnberg, und Kathrin Mayer mit sehr spezieller Zielsetzung gegründet haben: Alle Bände präsentieren Gemeinschaftsarbeiten von Gegenwartsautoren und zeitgenössischen Künstlern. Dem 152 Seiten starken "Republik"-Buch ist eine DVD mit dem achtminütigen Reynolds-Film beigefügt. Der fasziniert als raffiniert geschnittenes Abbruch-Ballett mit Kränen und Baggern, die an urzeitliche Echsen erinnern. (www.starfruit-publications.de)