Coburg - Witwe Meier möchte man - insbesondere Mann - im wahren Leben nicht unbedingt begegnen. Erstens könnte das tödlich enden (nicht für sie), und zweitens verkörpert Witwe Meier auf Anhieb nicht gerade das, was wir gemeinhin unter einer Sympathieträgerin verstehen. Hauptberuflich Witwe ist die 60-jährige Bambergerin vollständig ausgelastet mit der Verwaltung ihrer Zipperlein und der Pflege ihres astronomischen Body-Mass-Index durch unermüdliche Kalorienzufuhr. Zwischen Lethargie und Missgunst vertrödelt sie übellaunig ihr Dasein mit Krankenhaussoaps, Pralinenorgien und Arztbesuchen - und dennoch gelingt es ihr auf wundersame Weise, des Lesers Interesse und sogar ein wenig seine Zuneigung zu gewinnen.

Das hat eine Menge mit ihrer Schwester Marie zu tun, die sich mit Hingabe dem Vertrieb von Reizwäsche in Übergrößen widmet - und mit einer Reihe kurioser Todesfälle, die Frau Meiers schlammfarbenes Witwendasein gravierend verändern und ihr ungeahnte Vitalitätsschübe verpassen. Final Leidtragende dieser Entwicklung sind auffälligerweise ausschließlich Männer, was Anlass zu Spekulationen über den Familienstatus der Autorin dieses Krimis gibt.

"Verheiratet, zwei Kinder, der Gatte erfreut sich bester Gesundheit", versichert Jette Johnsberg. Nunja, wir müssen es glauben, denn die gebürtige Coburgerin, die sich hinter dem Pseudonym Jette Johnsberg verbirgt, lebt mittlerweile in einem Dorf in Oberbayern, wo sie als Heilpraktikerin arbeitet und unter schrecklichem Heimweh leidet ("Eine Genusswüste, nicht mal anständige Krapfen gibt es hier").

Wenigstens geistig kehrt sie darum nach Franken zurück, wenn sie am Feierabend Witwe Meier die Feder führen lässt. "Es passiert wie von alleine, ohne festen Plan" beschreibt die Autorin ihre intuitive Methode, die bestens funktioniert: Dank salopper Schreibe, schwarzem Humor und zwanglosem Umgang mit political correctness überzeugte ihr erster Roman auf Anhieb die Lektoren des Gmeiner-Verlags, der "Witwe Meier und die toten Männer" Anfang Februar auf den Markt brachte. Ein Mordsspaß mit Perspektive: Im Herbst folgt "Witwe Meier und das Sarggeflüster", der dritte Band ist optioniert.

Die schwarze Witwe füllt ganz offenbar eine Marktlücke: Bislang stehen in aller Regel Ermittler im Mittelpunkt von Romanserien. Sehr zum Verdruss der leidenschaftlichen Krimileserin Jette Johnsberg, die es auf die Dauer langweilte, mit der schrägen Psyche seelenwunder Kommissare behelligt zu werden. So erfand sie das mit nicht minder schrägen Psychen gesegnete Personal ihrer "Witwe Meier"-Geschichten, deren erste binnen vier Monaten fertig war. "Meine Familie hat sehr gelacht", bekundet Jette Johnsberg. Auch der Ehemann.

Ihren bürgerlichen Namen möchte die 47-Jährige nicht verraten, aus Sorge, dass die "kriminelle Ader" einer Heilpraktikerin Mancher befremdlich finden könnte. Die Lust am Schreiben erwachte früh bei Jette Johnsberg und wurde schon am Gymnasium Albertinum von Deutschlehrern gefördert. Als freie Mitarbeiterin sammelte sie von 1987 bis 1991 journalistische Erfahrungen bei der Neuen Presse , während sie eine Ausbildung zur Fotografin absolvierte. Anschließend lebte sie in Bamberg, wo sie als Journalistin und im Tourismusbereich arbeitete.

Den Ritterschlag der Krimizunft hat sie soeben erhalten: "Das Syndikat", die ehrenwerte Gesellschaft von rund 750 Verlags-Krimiautoren, die alljährlich die "Criminale" veranstaltet, hat sie in seine Reihen aufgenommen.

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Jette Johnsberg. Witwe Meier und die toten Männer, Gmeienr-Verlag 2016, 248 Seiten, 10,99, ePub / PDF 8,99