I rgendwann in "Die Reise durch Franken" lässt Matthias Egersdörfer seine leidgeprüfte Frau zu Wort kommen. "Da haben sich zwei gefunden!", lautet der eheliche Kommentar angesichts der Aktivitäten des satirischen Autorenduos Matthias Egersdörfer / Jürgen Roth.

Sehr geehrte Frau Egersdörfer: Danke, dass Sie durchgehalten haben! Denn herausgekommen ist ein bemerkenswertes Stück Franken-Literatur. "Deutschlands originellste Gegend wird jetzt endlich richtig entdeckt", schreibt denn auch die Kritikerin der Zeit begeistert.

Deutschlands originellste Gegend - wie bitte ist das zu verstehen? Meint sie damit die Hundeschisswiese in Fürth oder das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg? Oder Neuendettelsau im Mittelfränkischen, wo Jürgen Roths Mutter den Reisenden einen phänomenalen Hackbraten aufgetischt haben muss?

Meint sie gar Egloffstein, wohin es die Autoren verschlägt, um am ersten offiziellen Hirnwurstwettbewerb teilzunehmen? Die Fränkische Schweiz mit ihren Fachwerkhäusern und Felstürmchen, die auch auf dem Einband abgebildet sind?

Gemeint sein könnten natürlich auch die Menschen, die hier leben, und die in diesem Buch in mehreren ausführlichen Interviews zu Wort kommen. Sie liefern weitere Anhaltspunkte zum nach wie vor rätselhaften Wesen der Bewohner dieses kleinteiligen Landstriches zwischen Aschaffenburg, Gunzenhausen, Wunsiedel und Coburg.

Völkischer Urschlamm

Promi-Franken à la Lothar Matthäus sind da nur eine Marginalie. Mehr Platz bekommt beispielsweise die gänzlich unprominente Lina Moll aus Lauf an der Pegnitz, die das "Tausendjährige Reich" als Kind erlebte und die Spalier stehen musste, wenn der "wampert' Göring und der Hitler" Nürnberg besucht haben. Dem "völkischen Urschlamm", dem "Naziterritorium" namens Franken widmet Jürgen Roth ein ganzes Kapitel. Dieses endet mit dem Hinweis auf einen Medienbericht aus dem Jahr 2011; über ein Konzert des rechtsextremen Liedermachers Frank Rennicke in Coburg, wo für das abgetauchte Terrortrio des NSU gesammelt worden sei. Gehört auch dazu, liebe Franken und Nichtfranken.

"Die Reise durch Franken" lebt von den sprachlichen Spitzfindigkeiten und Verbalscharmützeln der beiden Autoren, die in Briefform über Erlebtes reflektieren. Die fränkische Esskultur wird in epischer Breite aufgerollt und bis ins kleinste Detail genüsslich zerpflückt. Das Buch ist sowohl landschaftliche als auch gesellschaftliche Stilkritik, Roadmovie und ein buntes kulturgeschichtliches Lesebuch obendrein.

Die größten Stoiker

"Werden die Franken nicht außerhalb der Grenzen ihres Reiches, gemessen am Tempo, in dem sie zu sprechen belieben, für die langsamsten Denker Deutschlands, ja für die behäbigsten Geschöpfe Gottes gehalten - oder wenigstens für die größten Stoiker der nördlichen Hemisphäre, sofern man ihr Lebensmotto 'Es hilft ja nix' und 'Es werd scho' widder' ernst nimmt?", fragt Jürgen Roth Matthias Egersdörfer. Na und? Wer sagt denn, das Schnelligkeit und Aktionismus besser sind?

Auch "Die Reise durch Franken" fordert Zeit und Aufmerksamkeit des Lesers, will dieser alle Windungen und Abstecher links und rechts des Weges, alle philosophischen Exkurse, Rundum-Verrisse und zarteste poetische Landschaftsbetrachtungen auf sich wirken lassen. Touristische Neu-Erschließungen wie die "Antiromantische Straße" und Rothenburg-ob-der-Tauber-Bashing inklusive. Man möchte dieses Buch jedenfalls jedem Franken in die Hand drücken und sagen: "Es hilft ja nix. Bassd scho."

Die Reise durch Franken

Matthias Egersdörfer, Jürgen Roth

Piper Verlag, 2014, 352 Seiten,

ISBN: 978-3-89029-445-2

22,99 Euro, E-Book 16,99 Euro

Die Autoren

Jürgen Roth , geb. 1968, lebt als Schriftsteller und Journalist in Frankfurt am Main. Zahlreiche Bücher und CDs, darunter "Stoibers Vermächtnis" und "Der Untergang des Bayernlandes" (zusammen mit Hans Well, 2007 und 2008), "Sie Düffeldoffel da!" (2010) sowie "Helmut Schmidt" (2011).

Matthias Egersdörfer , geb. 1969, studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Philosophie sowie freie Malerei in Nürnberg. Als Kabarettist erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem das Passauer Scharfrichterbeil, den Hamburger Comedy Pokal sowie 2010 den Bayerischen Kabarettpreis (Kategorie Senkrechtstarter) und den Deutschen Kleinkunstpreis.