Coburg - Einen Vortrag halten, vielleicht auch in einer Kirche - nichts Besonderes für den Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin, Mitglied zahlreicher Gremien, der nach vielen beruflichen Stationen im In- und Ausland seit einiger Zeit wieder in seiner Geburtsstadt München lehrt.

Aber vor einem bildhauerischen Werk zu sprechen, das sein Vater Rolf vor 50 Jahren für eben diese Kirche geschaffen hat, bei dessen Enthüllung er als Neunjähriger anwesend war, das ist nichts Alltägliches. Nach eigenem Bekunden löste die Begegnung mit der bewegten und bewegenden Altarplastik bei ihm die unterschiedlichsten Empfindungen aus.

Offensichtlich strahlte sie positiv aus, denn der Vortrag über das Thema seines 2013 erschienenen Buches "Philosophie einer humanen Bildung" war mitreißend und trotz des schwierigen Themas kurzweilig und unterhaltsam. Denn da stand einer am Rednerpult, der ganz genau weiß, wovon er spricht, der sich nicht in Floskeln ergeht, aber auch offen zugibt, wovon er wenig Ahnung hat. Sein Buch hat er aus einem gewissen Unbehagen in Bezug auf die Bildungspolitik heraus geschrieben, auch weil man ihn in den USA darauf angesprochen hatte "was denn in Deutschland los sei".

Nun ist er kein Politiker (mehr), das war er nur für eine kurze Periode (übrigens eine Gemeinsamkeit mit Wilhelm von Humboldt, auf den er sich gern bezieht: "Der war noch kürzer im Amt als ich") im Kabinett Schröder. Auch die Denkweise des altgriechischen Philosophen Platon ist ihm nicht fremd: "Aufmerksame Zuhörer merken es - ich habe Ihnen gerade die vier Kardinaltugenden untergejubelt", so sein O-Ton. Seit 2500 Jahren gebe es quasi immer den gleichen Streit, was Bildung - übrigens ein Wort, das so nur in der deutschen Sprache existiert - zu leisten hat: genügt es, lediglich die Befähigung für einen Beruf zu vermitteln, mit dem man seinen Lebensunterhalt verdienen kann, oder soll der Mensch umfassend gebildet sein, um "Autor seines eigenen Lebens" werden zu können?

Nida-Rümelin traut man ohne weiteres zu, dass er mit einem Hammer und einer Säge umgehen kann, so wie in seinem Beispiel der gelehrte Professor, der einen Tisch zu zimmern weiß, genau so wie es dem Tischlermeister gut anstünde, etwas vom Altgriechischen zu verstehen. Er hofft sehr auf Veränderungen im Bildungssystem, doch er kann "nur" Vorschläge machen und Denkanstöße geben, die konkrete Umsetzung muss er "Bildungspraktikern" in interdisziplinärer, politischer und länderübergreifender Kooperation überlassen. Dass das Thema elektrisiert, konnte man an der anschließenden Diskussion in der gut besuchten Kirche ablesen, die - hätte nicht die Heimfahrt des Vortragenden nach München angestanden - leicht bis spät in die Nacht auszudehnen gewesen wäre.

Julian Nida-Rümelin: "Philosophie einer humanen Bildung".248 Seiten, Edition Körber Stiftung. 18 Euro. ISBN-13: 978-3896840967