Coburg - Sie fügen sich keiner Norm, sie stehen nicht im Regal stramm und lassen sich nicht einfach so durchlesen: Wilhelm Schramms Künstlerbücher sind Individualisten, sie lieben's extravagant, kurios, effektvoll, verspielt - und keines ist wie das andere. Das Kugelbuch fächert sich auf wie eine Girlande, die "Gottesanbeterin" ist leporelloartig gefaltet, "Gingko im Herbst" nimmt aufgeklappt die Gestalt eines stilisierten Baumes an, es gibt geflochtene und geschnittene Seiten, Pop-Up-Geschichten, Vexierbilder und Himmel-und-Hölle-Faltungen.

Wilhelm Schramm

Wilhelm Schramm (* 21. März 1952 in Kaltenbrunn/Itzgrund) studierte Textil-Design an der Fachhochschule Coburg/Münchberg. Er gründete mit Werner Götz und Hubertus Hess die Gruppe Farbkasten und betrieb seine erste Galerie Mitte der 70er-Jahre in Coburg. Seit 1975 arbeitet er mit Autoren zusammen. Nach dem Abschluss seines Studiums arbeitete er als Designer in Bludenz in Österreich. 1989 gründete er mit dem Druckereibesitzer Bertram Frei den Verlag Freipresse und verlegt seitdem Bücher mit Originalgrafik (Hoch-, Flach- und Tiefdruck) und Texten lebender Autoren, darunter Ingo Cesaro aus Kronach. Seit 1973 beschäftigt er sich intensiv mit der Mail Art. Seit 2003 konstante Mail Art Projekte, die als Bücher veröffentlicht werden. 1988 erhielt er den Kunstpreis der ASU/BJU Oberfranken,

1994 eine Würdigung beim Wiener Albertina Koschatzky-Preis, 1994 einen Aufenthalt im Atelier Lucas Cranach, Wittenberg. Seine Arbeiten befinden sich u. a. im Germanischen Nationalmuseum und in den Kunstsammlungen der Veste Coburg.

"Wir gehen mit den Büchern in den Raum", erklärt der Grafiker und Designer das Konzept, das er mit seinem Künstlerfreund Ingo Cesaro seit zwei Jahren verfolgt. Ihre Zusammenarbeit begann freilich viel früher: Seit 40 Jahren kennen und schätzen sie einander, der aus dem Itzgrund stammende Wahl-Österreicher Schramm und der Kronacher Autor und Kultur-Aktivist Cesaro, rund 220 Bücher und zehn Grafik-Text-Kalender haben sie gemeinsam veröffentlicht - und unzählige "im Kopf" ersonnen.

Ideen und Material gehen dem kongenialen Duo nicht aus: "Ich habe zwei Leitz-Ordner voller Cesaro-Gedichte, alle auf der Schreibmaschine gehämmert, wie es sich für einen Dichter gehört", schmunzelt Wilhelm Schramm, der sich von den Texten, die oftmals im strengen Haiku-Stil verfasst sind, zur (typo)grafischen Umsetzung und gestalterischen Experimenten inspirieren lässt. Der Band "Weiße Raben" zum Beispiel ist komplett weiß, und dennoch lesbar: Die Worte sind ins Papier gestanzt. Das "Wunderbuch" dürfte ein Fall für die Guiness-Liste der Rekorde sein: 1,2 Millionen Kombinationen der 420 in Streifen geschnittenen Haikus sind möglich.

Dass bei diesen Koproduktionen stets die Form im Vordergrund steht, stört den Mann des Wortes nicht, denn es ist ein Win-win-Effekt: "Das sind Blickfänger. Erst wird das Objekt angeschaut, dann der Text gelesen", meint Cesaro. Und er gönnt dem Leser auch den haptischen Genuss: "Unsere Bücher darf man anfassen!" Das ist nicht die Regel bei den bibliophilen Messen, bei denen manche Schätze allenfalls mit Samthandschuhen berührt werden dürfen. Die Unikate von Schramm & Cesaro sind international präsent, allein in diesem Jahr beschickt Schramm Ausstellungen in China, Australien, den USA, Frankreich und Deutschland. Und Ingo Cesaro war Ehrengast bei der internationalen Frauenfelder Buch- und Druckkunstmesse.

Verlegt werden die Künstlerbücher im österreichischen Verlag "Freipresse", den Schramm mit Bertram Frei 1989 gegründet hat. In Klein-Auflage entstehen hier teils in traditionellem Bleisatz, teils in Holzletternsatz und auch im normalen Offsetdruck und Laserprint grafisch gestaltete Werke, die Texte in farbige Lithografien, Holzschnitte, Linolschnitte und Radierungen einbetten. Neben den Editionen werden auch Unikatbücher in Handarbeit gefertigt - teilweise mit Originalmalerei.

Nachdem er 40 Jahre lang als Textildesigner tätig war, widmet sich Schramm seit zwei Jahren mit Begeisterung dem Material Papier, bedruckt in verschiedenen Techniken Büttenpapier, Goldpapier, Irisfolie und was er sonst noch in Spezialgeschäften oder im Internet aufspürt: "Man ahnt gar nicht, wie viele Arten von Papier es gibt."