Hamburg - Ein wenig erschöpft lässt sich Carlos Ruiz Zafón (52) in die Ledercouch in einer ruhigen Ecke der Hotellobby fallen. Am Abend zuvor noch in Zürich, jetzt zur Lesung in Hamburg - der Erfolg kostet ihn Schlaf. Nicht einmal Zeit für eine «kleine Siesta» ist ihm geblieben, wie er erzählt. Er lächelt unmerklich, als er eine Ausgabe von «Der Schatten des Windes» auf dem Glastisch vor ihm liegen sieht.

Es ist das Buch, das ihm 2001 zum internationalen Durchbruch verhalf, der Beginn der Saga rund um den «Friedhof der vergessenen Bücher». Und auch «Das Labyrinth der Lichter», der Abschluss der Serie, steht Anfang April hoch oben in der Spiegel-Bestsellerliste. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der Erfolgsautor über sein Abschlusswerk, das schwierige Verhältnis zu seiner Heimatpresse und seine Zukunftspläne.

Herr Zafón, mit dem Roman «Das Labyrinth der Lichter» endet die Serie rund um den «Friedhof der vergessenen Bücher». Wie fühlt sich das für Sie an?

Tatsächlich fühle ich einen gewissen Frieden, sogar ein Gefühl des Triumphes. Ich habe 1998 mit dem Schreiben der Serie angefangen, die Fertigstellung hat im Endeffekt jedoch viel länger gedauert, als ich es mir ausgemalt hatte. Es wurde zu einer Herausforderung, die ich aber unbedingt meistern wollte.

Und sind Sie glücklich mit dem Weg, den Sie in ihren Erzählungen eingeschlagen haben?

Rückblickend bin ich wirklich sehr zufrieden mit all meinen Schöpfungen. Ich mag die Welt, die ich erschaffen habe. Es kommt ja immer wieder vor, dass Kreative am Ende des Arbeitsprozesses ihre eigene Schöpfung hassen. Ich kann aber wirklich sagen, dass ich meine Geschichten sehr zu schätzen weiß.

Nicht nur Sie, auch Ihre Leser weltweit scheinen ihre Geschichten mit Begeisterung aufzunehmen. Anders scheint es sich mit den spanischen Medien zu verhalten...

Die spanische Medienlandschaft ist wirklich sehr schwierig. Es ist ein politisches Spiel, in dem es von essenzieller Bedeutung ist, wer deine Freunde sind und wen du kennst. Als ich damals nach langer Zeit in den Staaten zurück nach Spanien kam, kannte ich wohl nicht die richtigen Leute. Und viel wichtiger - ich hatte nicht die Erlaubnis der «richtigen Leute», erfolgreich zu sein. Das ist in Spanien leider unverzeihlich. Und dann auch noch weltweiter Ruhm: Schlimmer geht es kaum.

Welche Konsequenzen hatte das für Sie als Autoren?

Es bedeutete, dass ich sehr hart angefasst wurde. Erst ziehen sie dich ins Lächerliche, dann versuchen sie, dich zu zerstören - und wenn das alles nicht klappt, dann ignorieren sie dich. Das ist in der spanischen Medienlandschaft völlig normal und passiert immer wieder, auch anderen Autoren.

Das klingt fast so, als hätten Sie ihren Frieden damit gemacht?

Ja, Spanien ist ja zum Glück «nur» mein Geburtsort. Es war quasi ein «Unfall», dass ich da geboren wurde, ich hatte keinen Einfluss darauf. Ein viel verbreitetes Klischee beschreibt den Neid als spanische «Nationalsünde»; da steckt leider viel Wahrheit drin. Trotzdem habe ich natürlich auch in Spanien unglaublich viele treue Leser, die großen Gefallen an meiner Literatur finden.

Sie werden oft nach dem Geheimnis Ihres Erfolges gefragt. Dabei beschreiben Sie die Arbeit eines Schriftstellers in Ihren Romanen als ein sehr technisches Handwerk. Das klingt wenig romantisch.

Das stimmt, das Schreiben weist eher Ähnlichkeit zur Ingenieurskunst oder der Architektur auf. Man stützt sich dabei schließlich auch auf eine Vielzahl von Techniken. Der Leser bekommt jedoch am Ende nur die emotionale Wirkung zu spüren, nicht den Arbeitsprozess, der dahinter steckt. Wenn jemand eine schöne Brücke überquert, bewundert er vielleicht die architektonische Ästhetik, er denkt aber im Normalfall nicht über die mathematischen und physikalischen Grundlagen nach.

Sie haben sich ja in der Vergangenheit immer wieder gegen eine Filmadaption Ihrer Werke ausgesprochen. Könnte das nicht dazu beitragen, die emotionale Reichweite Ihrer Geschichten zu verstärken?

Mein erklärtes Ziel war es immer, so zu schreiben, dass dem Leser bei der Lektüre automatisch Bilder in den Kopf projiziert werden. Gerüche, Geräusche, Farben: All das habe ich versucht, möglichst erlebnisreich auf Papier zu bringen, so dass es nicht nur gelesen, sondern auch empfunden werden kann. Ich denke, dass alle, die sich einen Film wünschen, das Buch gelesen und eben diese Bilder vor ihrem inneren Auge gesehen haben. Sie jetzt auf Leinwand einzufangen, würde den arbeitsreichen Schaffensprozess rückwirkend redundant erscheinen lassen.

Wie geht es jetzt für Sie weiter? Verdienter Ruhestand - oder ein neues Buchprojekt?

Das kann ich leider nicht verraten. Nicht einmal mein Verlag erfährt, woran ich arbeite. Ich gebe ihnen erst dann Bescheid, wenn das Werk schon fast fertig ist. Ein elementarer Teil meines Schaffensprozesses ist, dass ich meine Ideen für mich bewahre. Diskussionen und Gespräche würden mich nur beeinflussen und so das Endprodukt verändern. Was in meinem Kopf passiert, gehört jedoch nur mir.

Also weiß niemand, woran Sie gerade arbeiten?

Richtig, nicht einmal meine Frau weiß, in welche Richtung es thematisch gehen wird. Aber wenn «es» fertig ist, ist sie die erste Person, die es lesen wird.

ZUR PERSON: Carlos Ruiz Zafón wurde 1964 in Barcelona geboren. Seine ersten literarischen Erfolge feierte er mit den drei Schauerromanen «Der Fürst des Nebels», «Mitternachtspalast» und «Der dunkle Wächter». Mit «Der Schatten des Windes» gelang ihm 2001 auch der internationale Durchbruch. Heute teilt er sich seine Zeit zwischen Barcelona und Los Angeles.