Coburg - Seine Russendisko in Berlin ist ein Geheimtipp, seine Bücher sind Kult: Der 1967 in Russland geborene und seit 1990 in Deutschland lebende Wladimir Kaminer wurde im Genre der humorvollen Literatur zu einem der gefragtesten Autoren Deutschlands. Am 13. Oktober um 20 Uhr wird er mit seiner Lesung im Coburger Kongresshaus die Reihe "Lesezeichen" der Neuen Presse eröffnen. Wir hatten vorab Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Berliner Humoristen, der uns wirklich ganz ernsthaft Rede und Antwort stand.

Guten Tag Herr Kaminer. Wie war's diesen Sommer im Schrebergarten?

Kaminer: Es waren noch mehr Fernsehteams als sonst. Ich glaube Schuld daran war das Sommerloch in Deutschland, so wurde der Schrebergarten zu einem riesigen Thema. Jetzt wurde sogar zum ersten Mal live die Prüfungskommission ausgestrahlt aus unserer Parzelle. Ich habe mich so für diese Menschen, also von der Prüfungskommission, geschämt, die mir live vor der Kamera erzählt haben, wie es auszusehen hat in einem Schrebergarten. Das war furchtbar - eigentlich.

Wenn Sie am 13. Oktober in Coburg lesen, was bringen Sie den Zuhörern - außer erntefrischen Äpfeln - alles mit?

Am liebsten würde ich in Coburg aus noch nicht erschienenen Büchern vorlesen. Ich hab ja vieles vor. So schreibe ich zum Beispiel über meine Schwiegermutter - seit etlichen Jahren schon. Im August waren wir im Kaukasus und da habe ich viele neue Geschichten mitgebracht. Auch werde ich aus meinem neuen Buch über die russischen Nachbarn vorlesen.

Da geben Sie mir gleich das Stichwort für meine nächste Frage: In Coburg gibt es ja auch einige Wohngegenden, wo sich viele russische Nachbarn finden. Was ist für Sie das typischste Missverständnis zwischen Deutschen und Russen?

Ich glaube über Jahrzehnte hinweg hat man einfach wenig voneinander gesehen und voneinander gewusst. Doch seitdem die Grenzen gefallen sind vor 20 Jahren geht es langsam voran. Nachdem ich mein halbes Leben in Deutschland verbracht habe, bin ich eigentlich gleichzeitig der russische und der deutsche Nachbar. Ich bin die Symbiose und deswegen, glaube ich, war auch dieses Buch für mich unausweichlich.

Sie sind bei Ihren Reisen durch den deutschen Dschungel ja schon einmal in Coburg gewesen, ich glaube mit "Schönhauser Allee". Auf was freuen Sie sich bei uns in der Provinz?

Auf jeden Fall war das vor sehr langer Zeit, als ich das letzte Mal in Coburg gelesen habe. Ich bin gerne unterwegs. Das Reisen ist für mich eine wichtige Quelle, aus der ich den Stoff für neue Geschichten schöpfe.

Was ist denn für Sie an so kleinen Städten wie Coburg interessant?

Kaum entfernt man sich mehr als fünf Kilometer vom eigenen Haus, sind die Leute ganz anders als hier an meinem Wohnort in Berlin Prenzlauer Berg. Ich lasse mich überraschen. Ich glaube, ich werde einfach in Coburg spazieren gehen.

Wie schaffen Sie selber den Spagat zwischen Russendisko und Schrebergarten, zwischen Bücherschreiben und Familie, zwischen Heimat und Wahlheimat?

Das Wichtigste im Leben aus meiner Sicht ist die Bewegung. Es muss sich ständig etwas verändern, sonst wird es einem irgendwann einmal langweilig. Dann verliert man das Interesse und die Neugier am Leben. Ich habe es selber nicht geglaubt, aber auch Schrebergarten und Russendisko passen wunderbar zusammen. Mein DJ von der Russendisko hat uns damals, als wir angefangen haben als Gartenfreunde, noch gehänselt und mir komische SMS geschrieben unter dem Motto "Dein Zwerg ist umgefallen!". Der ist inzwischen selbst auch Gartenfreund und leiht bei uns den Rasenmäher aus.

Sie haben Ihren Lesern ja auch schon das Kochen beigebracht. Was kommt denn bei Ihnen im Oktober in Töpfe und Pfannen?

Fisch! Im Oktober - wenn ich Ihre Frage jetzt ernsthaft beantworten darf - kommen die richtigen Fische, Kaltwasserfische, Meeresfische. Meine Heimat, die Sowjetunion, war ein sehr großes Land. Und da waren überall, wo die Menschen nahe am Wasser leben, im Oktober die Fischfeste angesagt. Menschen, die am Wald leben, essen im Oktober natürlich Pilze und zwar Steinpilze. In Deutschland habe ich nur einen einzigen Steinpilz in der Natur gesehen. Aber in Russland gibt es nach wie vor jede Menge Steinpilze. . .

. . .aber ist das nicht nach wie vor gefährlich?

Nee, das ist nicht gefährlich. Ach das haben die Leute sich hier eingebildet mit Tschernobyl, also die Pilze sind seitdem nur besser geworden. .

. . .größer!

. . . größer auf jeden Fall!

Zum Schluss noch eine wirklich ganz ernste Frage: Meinen Sie, dass jetzt nach der Wahl auch alles liberaler wird für die Kleingartenbesitzer?

Wie kann man Ihre Frage ernsthaft beantworten? Ich glaube, dass in Kleingartenkolonien, die ja wirklich einen Großteil Deutschlands ausmachen, eine Art Generationswechsel stattfindet. Es kommen neue Leute mit anderen Vorstellungen. Ich glaube, das Bundeskleingartengesetz wird jetzt auch umgeschrieben. Es wird progressiver werden auf jeden Fall. Ich glaube, die Leute sind nicht mehr abhängig von Gemüseanbau, von ihren Gärten als Vergnügungsquelle. Es werden mehr Blumen blühen, das wünsch' ich mir auch für Deutschland!

FRAGEN: HEIDI HÖHN

Karten für die Kaminer-Lesung zu 17 Euro bei Neue Presse, Tel. 09561/850172. Weitere Lesezeichen: 25. November Helmut Vorndran (12 ), 27. Januar Axel Hacke (17 ), 6. März Volker Klüpfel & Michael Kobr (16 ).