Coburg - Zwei unterschiedliche Gitarren, ein Mikrophon - mehr braucht Oliver Steller nicht, um einen ganzen Abend lang einen gut gefüllten Saal zum intensiven Zuhören zu bringen. Bereits zum siebten Mal stellt der Künstler, der nach dem Abitur in seiner Heimatstadt Bonn in den USA Gitarre, Komposition und Gesang studierte, ein literarisch-musikalisches Programm im Contakt vor. Er war 2003 einer der ersten in der Reihe "Kultur im Contakt".

Sein aktuelles Programm "Fragt nicht lang" befasst sich mit Christian Morgenstern, dem Dichter, der Dingen Hirn und Seele gab, der alles konnte: heiter-besinnlich, sarkastisch, ruhig fließende Liebesgedichte, vorweg genommenes Dada und, und, und. Viele kennen die Galgenlieder, die Palmström-Gedichte, manches hat man schon als Kind gehört, vieles ist wenig bis unbekannt.

Eine gut bekömmliche Melange aus all dem seinen Zuhörern zu kredenzen, ist Stellers Anliegen. Die Auswahl bei Morgenstern fiel ihm nicht leicht, die ursprüngliche Auswahl dauerte rund sieben Stunden - so viel fand er vortragenswert. Für die Bühne hat er eine konzentrierte Fassung auf rund eineinhalb Stunden eingedampft.

Durch den ganzen Abend zieht sich wie ein Roter Faden die Lebensgeschichte des Dichters, der früh die noch junge Mutter verlor, sich danach zuerst beim Patenonkel und dann in einer Erziehungsanstalt wieder fand. Die Tuberkuloseerkrankung, die ihn mit Anfang 40 dahinraffte, seine Freunde, die späte Liebe - alles bringt Steller unter, ohne dass ein Fünkchen Langeweile aufkommt.

Zu Beginn plaudert er charmant und mit Augenzwinkern über selbst Erlebtes wie die Begegnung mit der allzu strengen Grundschullehrerin, die ihm eigentlich Gedichte vermiest hatte. Er spricht das Publikum auch mal direkt an, freut sich, dass einige Leute Gedichte mitsprechen können. Das Wichtigste aber sind ihm Morgensterns Werke, die er teils als rockig, teils als sensibel-sentimental ausgeformte Lieder mit Gitarre begleitet, teils "a cappella" vorträgt. Da wispert und zischt es, wenn es um Wasser und Wind geht, spannend begleitet von Zeitlupenhandbewegungen. Man hört ein Kinderstimmchen, wenn die Schnecke erzählt, ganz lyrisch und weich wird die Stimme im Liebesgedicht an Margareta Gosebruch von Liechtenstern, die Morgenstern fünf Jahre vor seinem Tod gegen den Willen der jeweiligen Familien heiratete. Mit ihr verlebte er seine schönsten Jahre, obwohl die finanzielle Situation alles andere als rosig war.

Irgendwann muss auch der unerschöpflich scheinende Oliver Steller Schluss machen, aber nicht ohne einen Einblick in seine nächsten Pläne zu geben: Ein Programm mit deutschen Dichterinnen schwebt ihm vor, das ihm nur durch finanzielle Ansprüche der "Verwertungsgesellschaft Wort" bzw. noch lebende Erben der von ihm ausgewählten Kandidatinnen durchkreuzt werden kann. Ganz zum Schluss zieht er das erstaunlich reife Gedicht einer elfjährigen aus der Tasche, das er "zufällig" dabei hat und lässt sich danach auch durch heftigen Applaus nicht mehr aufs Podium und zu einer Zugabe bewegen.