Art Spiegelman macht sich Sorgen, und derzeit besonders viele. «Ständig bin ich beunruhigt», sagte der Comic-Zeichner jüngst dem britischen «Independent». «Das liegt in meiner Natur. Aber jetzt habe ich endlich etwas gefunden, worüber sich das Sorgen lohnt.» Spiegelman meint US-Präsident Donald Trump. «Ich sehe da Ähnlichkeiten zu Hitler in der Weise, wie es sehr schnell zu Dingen kam, die mir surreal vorkommen.» Der Zeichner, der am Donnerstag (15. Februar) 70 Jahre alt wird, beobachtet in seinem amerikanischen Heimatland zudem ein «Abrutschen hin zu Grobheit».

Der Nationalsozialismus und der Holocaust haben Spiegelman geprägt, ihn besorgt und zum anhaltenden Mahner werden lassen. In den 80er Jahren packte er seine Gedanken dazu in ein Comic: «Maus». Für die Kritiker war es ein Tabubruch, dass er Nazis als Katzen und Juden als Mäuse gezeichnet hatte. Darf man den Holocaust als Comic verpacken und Tiere als Metaphern wählen? «Ich mache Comics, also war es für mich die einzig natürliche Sprache, in der ich sprechen konnte», lautete Spiegelmans Begründung - und die Zustimmung überwog schließlich. «Maus» machte den Zeichner weltbekannt. 1992 erhielt er als erster Comic-Autor den Pulitzer-Preis.

««Maus» hat Abstraktionen benutzt, um es real zu machen», sagt Spiegelman. «Ich habe es nie gemacht, um die Welt zu verbessern. Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass man die überhaupt besser machen könnte, denn es passieren doch immer wieder die gleichen grausamen Dinge, und so werden diese Erfahrungen auch immer wieder gemacht. Aber ich habe gehofft, dass, wenn man eine emphatische Reaktion durch Kunst hat, dass es einem dann ermöglicht wird, die Erfahrung zu absorbieren.»

Selbst erlebte Spiegelman den Nationalsozialismus nicht, aber die Erfahrungen seiner Familie prägten auch sein Leben. Die Eltern überlebten Auschwitz voneinander getrennt und kamen erst nach der Befreiung des Lagers im Januar 1945 wieder zusammen. Der erste Sohn war im Konzentrationslager gestorben. Spiegelman wurde 1948 in Stockholm geboren, während die Familie auf die Überfahrt nach Amerika wartete.

Die Erinnerungen der Vergangenheit blieben bei den Eltern immer präsent, hingen über dem Familienleben. Spiegelman flüchtete sich in Comics und später in Drogen. 1968 folgte ein Zusammenbruch, er wurde in eine Klinik eingewiesen. Im selben Jahr - kurz nach dem Tod des einzigen Bruders - beging seine Mutter Anja Selbstmord.

In der Kunst fand Spiegelman einen Weg, die Geschehnisse zu artikulieren. Den Tod seiner Mutter prangerte er in «Gefangener auf dem Höllenplaneten» an. 1972 begann er die Erzählungen seines Vaters auf Tonband aufzunehmen. Erste «Maus»-Comics erschienen im Magazin «Raw», 1986 kamen sie in Buchform heraus. Er hatte den Leidensweg seiner Eltern nachgezeichnet, in drastischer Metaphernsprache. Und bewies: Comics sind auch ernsthaften Themen gewachsen.

Anfang der 90er Jahre begann Spiegelman für das Magazin «New Yorker» zu arbeiten, wo seine Ehefrau, die Französin Françoise Mouly, bis heute Art-Direktorin ist. Spiegelman entwarf viele Titelbilder, sein berühmtestes erschien wenige Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Ganz schwarz, die Twin Towers sind schemenhaft zu erkennen.

Die Terroranschläge erschütterten Spiegelman und Mouly. Tochter Nadja ging um die Ecke der Twin Towers zur Schule, am Morgen der Anschläge rannte das Paar dorthin, um sie abzuholen. Kurz danach stürzten die Türme ein. «Ich hatte Halluzinationen und konnte nicht arbeiten. Meine Nerven lagen blank», erinnerte sich Spiegelman später an die Zeit danach. Aus den Erlebnissen entstand der Bildband «In the Shadow of no Towers» (Im Schatten keiner Türme), der 2004 erschien.

Es war eines der bislang letzten größeren Projekte von Spiegelman. Danach gab es noch einige Nebenprojekte und eine Museumsretrospektive. Ansonsten lebt Spiegelman das Leben eines New Yorker Intellektuellen mit Ehefrau Mouly in einem Loft im Stadtteil SoHo. Tochter Nadja und Sohn Dashiell sind bereits ausgezogen. «Ich will nicht noch einmal 13 Jahre auf ein Buch verwenden», sagte er jüngst. «Anscheinend habe ich dieses andere Buch nicht in mir.»