Kronach - Nahezu sieben Jahre hat Günter Grass an seinem Roman "Hundejahre" geschrieben. 1963, als der dritte Band der "Danziger Trilogie" - dazu zählen "Die Blechtrommel" (1960) sowie "Katz und Maus" (1961) - erschien, überschlugen sich die Kritiker vor Begeisterung. Sie sprachen von "heißlaufender Phantastik" und einem "kaum gebändigten Hagelschauer von Einfällen".

Günter Grass, so heißt es, halte "Hundejahre" bis heute für sein wichtigstes Buch. So nimmt es nicht Wunder, dass sich der Literaturnobelpreisträger (1999) rund 50 Jahre später noch einmal des Romans angenommen hat. Als dem inzwischen 86-Jährigen sowohl von seine Frau Ute als auch von Freunden 2011 auf der Frankfurter Buchmesse bestätigt wurde, dass seine Hände nicht zitterten, verkündete er seinen Entschluss, "Hundejahre" zu illustrieren.

Grotesker Realismus

Aus der "Fabulierer" wurde wieder der "Radierer". Für die Jubiläumsausgabe der Hundejahre, erschienen im Göttinger Steidl-Verlag, hat Grass weit über 100 Radierungen gefertigt, in allen drei Techniken: der Kaltnadel-, der Ätz- und der Aquatinta-Radierung. Die sind, auf 42 Blättern, vom heutigen Samstag an - Eröffnung ist um 11 Uhr - bis 6. April in der Kronacher Synagoge in einer Ausstellung zu sehen.

Die Exponate sind unverkennbar: Ebenso, wie Grass nicht abstrakt schreibt, malt er auch keine abstrakten Bilder. Schon immer ist das Bildhafte seiner Sprache eng mit seiner Vorliebe zur realistischen Kunst verbunden. Bei Günter Grass ist das Wirkliche immer der Ausgangspunkt, auch wenn das Geschehen ins Fantastische, Groteske oder Surreale übergeht. In seinem bisherigen grafischen, malerischen und bildhauerischen Werk gab es bei Günter Grass immer eine direkte Korrespondenz zu seinen eigenen literarischen Arbeiten. Einzige Ausnahme: die Lithografien zu Andersens Märchen "Der Schatten". Für Grass ist die Zeichnung "die Nahtstelle zur Lyrik". Beide Disziplinen beschränken sich metapherngleich auf das Wesentliche und zwingen zur Präzision und Entscheidung. "Ich bin ein schreibender Zeichner und das ist jemand, der die Tinte nicht wechselt", sagt er selbst.

Müssen Grass-Ausstellungen seit etwa drei Jahren normalerweise über den Steidl-Verlag abgewickelt werden - der Galerist kauft einen der nummerierten Sätze der Radierungen komplett und kann die Blätter dann verkaufen - stellt Kronach eine Ausnahme dar. "Nur der persönlichen Zusage von Günter Grass ist es zu verdanken", sagt Ingo Cesaro, der mit Unterstützung des Aktionskreises Kronacher Synagoge die Ausstellung für die Regionale Kunstförderung Kronach zusammengestellt hat, "dass ich diese Radierungen zu "Hundejahre" überhaupt ausstellen kann".

Im Herbst in Coburg

Grass ist dem Kronacher Lyriker seit Jahren freundschaftlich verbunden. Es ist inzwischen die sechste Grass-Ausstellung, die Cesaro in die Region geholt hat. Der Literaturnobelpreisträger hat bereits zweimal in Kronach gelesen. "Es hat schon Tradition, das machen wir wieder", versprach der Künstler.

So kommt es, dass sich die Lübecker Stiftung von Ute und Günter Grass mit engagiert und Probedrucke und editions-artist-Arbeiten (e.a.) zur Verfügung gestellt hat. Cesaro: "Die Blätter habe ich direkt in Lübeck bei der Stiftung von Ute und Günter Grass abgeholt." Im Gegensatz zu Ausstellungen, bei denen Galeristen Komplettsätze erwerben und dann Einzelblätter, die dann natürlich nicht mehr verfügbar sind, verkaufen, werden in Kronach von Sammlern erworbene Blätter über die Grass-Stiftung nachgeliefert.

Eine Vereinbarung, die nicht zuletzt Kunstsammler und Grass-Freunde in Coburg zu schätzen wissen dürften. In der Vestestadt wird die Ausstellung "Hundejahre" vom 25. September bis 12. Oktober in der Alten Darre im Hofbrauhaus Coburg gezeigt.

Günter Grass: Radierungen zu "Hundejahre", Eröffnung am 22. März, 11 Uhr, Kronacher Synagoge, Nikolaus-Zither-Straße 27, bis 6. April, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr, samstags von 10 bis 13 Uhr.

Ich bin ein schreibender Zeichner und das ist jemand, der die Tinte nicht wechselt.

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