"Wohlauf, die Luft geht frisch und rein, wer lange sitzt muss rosten", so jubelte der Dichter Victor Scheffel im Jahr 1859 beim Anblick des Staffelbergs bei Bad Staffelstein. Joseph Victor von Scheffel wurde am 16. Februar 1826 in Karlsruhe geboren. Sein Vater war Ingenieur, seine Mutter engagierte Schriftstellerin und Zentrum eines intellektuellen Salons.
Seit 1843 studierte der junge Mann in Heidelberg Jura, wo er zuletzt der Burschenschaft Frankonia beitrat. Die Burschenschaftsbewegung verstand sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Träger der deutschen Nationalstaatsidee und vertrat unter anderem durchaus liberale Ziele, wie z.B. die politische Beteiligung der Bürger. Damit stellten sich die Burschenschaften natürlich gegen die meisten deutschen Fürsten, die auf ihre ererbten Rechte pochten.

Im Jahr 1848 erlebte Victor Scheffel dramatische Umwälzungen - die Märzrevolution fegte durch den Deutschen Bund und ertrotzte sich zunächst politische Zugeständnisse: In Frankfurt am Main versammelte sich eine Nationalversammlung aller deutschen Bundesstaaten um über Grenzen und Gestalt eines deutschen Nationalstaates zu sprechen. Auch Scheffel reiste nach Frankfurt, als Begleiter des badischen Abgeordneten Carl Theodor Welcker. Noch im Jahr 1849 brach allerdings der revolutionäre Elan zusammen, und der Student kehrte an seine Universität zurück.

Nach dem Staatsexamen trat Victor Scheffel in den Dienst des badischen Großherzogs, gab aber diese Laufbahn schon 1852 wieder auf; der junge Mann fühlte sich zu den Künsten hingezogen. Zunächst reiste er nach Rom, um sein Talent als Maler zu erproben, verfiel aber dort auf die Schriftstellerei, anscheinend ein Erbteil seiner Mutter: Bereits in den folgenden Jahren verfasste er schon eine ganze Reihe von Werken, z.B. "Der Trompeter von Säckingen" oder den Roman "Ekkehard". Sein Gebiet waren Personen und Themen der deutschen Geschichte und Sage, die er in eine zeitgemäße, lebendige Handlung einwob.

Im Jahr 1859 gelang dem Dichter dann sein historischer Wurf: Victor Scheffel verbrachte damals einen Sommeraufenthalt im Kloster Banz. Dort schrieb er unter dem Eindruck der romantischen Landschaft rund um den Staffelberg seine "Wanderfahrt zum Heiligen Veit von Staffelstein", die später als "Frankenlied" berühmt werden sollte. Unter anderem heißt es da:

"Zum heil´gen Veit von Staffelstein komm" ich emporgestiegen

und seh´ die Lande um den Main zu meinen Füßen liegen.

Vom Bamberg bis zum Grabfeldgau umrahmen Berg und Hügel

die breite, stromdurchglänzte Au - ich wollt´, mir wüchsen Flügel."

Schon zwei Jahre später gab Valentin Eduard Becker dem Lied seine frische Melodie. Im Jahr 1864 heiratete Victor Scheffel Caroline Freiin von Malzen; diese Ehe verschaffte dem bürgerlichen Literaten zwar ausgezeichnete Kontakte zum badischen und bairischen Adel, leider hielt diese Verbindung nicht einmal drei Jahre.

Inzwischen wuchs allerdings der literarische Ruhm des Schriftstellers; seine Lieder und Gedichte weckten zunehmend die Aufmerksamkeit der deutschen Leser: Mit der Liedersammlung "Gaudeamus" oder "Frau Aventiure. Lieder aus Heinrich von Ofterdingens Zeit" begeisterte Scheffel sein Publikum. Der schriftstellerische Erfolg begünstigte freilich auch seine "weltliche Karriere": Scheffel erhielt das Amt eines Hofrates und erwarb ansehnlichen Grundbesitz. Zu seinem 50. Geburtstag erhielt er schließlich ein im 19. Jahrhundert heiß begehrtes Geschenk: Der Großherzog von Baden erhob den Dichter in den Adelsstand.

In den Achzigerjahren senkten sich dann Schatten über das Leben Victor von Scheffels: Eine Erkrankung des Gehirns fesselte den Dichter jahrelang an sein Haus in Radolfzell am Bodensee. Zuletzt wurde Scheffel nach Karlsruhe gebracht, wo er am 9. April 1886 verstarb.

Victor von Scheffel traf in seinen Arbeiten die Stimmung eines Großteils der Deutschen: Die Sehnsucht nach einem deutschen Nationalstaat und die sentimentale Verklärung gerade der mittelalterlichen Geschichte entsprachen damals dem Zeitgeist. Heute trägt unter Anderem die Realschule in Bad Staffelstein den Namen des Dichters, der den Franken ihre inoffizielle Nationalhymne gab: "Das Lied der Franken".

Eine Serie der Neuen Presse