Suhl - D er Menschen werden es hierzulande nicht mehr. Im Gegenteil. Die Provinz ist kein Ort, die auf Zuzug hoffen kann. Das ist eine Erfahrung zwischen Sonneberg, Suhl und Eisenach, das ist die von Statistikern immer wieder festgestellte Bilanz, und das ist auch die Prognose der Forscher. Doch dieses immer weniger muss - kulturell gesehen - nicht immer ärmer bedeuten. Zwar liegt ein Teil der Erfüllung mit Kulturerlebnissen aller Art sozusagen on the Road: In Erfurt, Jena, Leipzig oder anderswo. Aber auch wer im Lande bleibt, hat kaum ein Zeitfenster für Müßiggang - jedenfalls wenn er als kulturinteressiert gelten will.

Programm

24. 8.: Hennebergisches Museum Kloster Veßra: Open Air-Konzert mit DOTA "Freiheit"

1.9., , 18 Uhr, Cineplex Suhl: Lesung am Weltfriedenstag mit Wolfgang Bauer, Dokumentarfilm "Seefeuer"

6. 9., 19.30 Uhr, Gewerbepark Simson, Suhl: Lesung Jens Weißflog

8.9., 11 Uhr Waffenmuseum Suhl: Dixieland-Kulturfrühschoppen mit der Burgen-Jazz-Band

22.10., 19.30 Uhr Stadtbücherei Suhl: Lesung mit Marion Brasch "Lieber woanders"

23.10., 19 Uhr Sparkasse Suhl: Musikalische Lesung mit Esther Esche "Der Hase im Rausch spielt Cello"

24.10., 20 Uhr, Congress Centrum Suhl: Konzert mit Katharina Franck und dem Club der toten Dichter - Fontane neu vertont

25.10., 20 Uhr IHK Suhl: Martin Brambach und Christine Sommer lesen aus "Love Letters"

26.10., 15 Uhr, CCS: Im Gespräch: Thomas Thieme und Frank Quilitzsch "Ich Hoeneß Kohl"

26.10., 17.30 Uhr, CCS: Lesung mit Daniela Dahn "Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute"

26.10., 20.30 Uhr, CCS: Jasmin Tabatabai und das David Klein Quartett

27.10., 17 Uhr, St. Ulrich, Suhl: Chor Heavenly Voices "Don’t stop us now!"

29.10., 20 Uhr AWG Suhl: Konzert mit Falkenberg "Im leisen Verschwinden der Landschaft"

23.11., 20 Uhr, CCS: Meret Becker und The Tiny Teeth "Le grand Ordinaire"


Ein lebenswerter Ort

Dass dem so ist, das ist nicht nur, aber auch engagierten Menschen zu verdanken. Menschen wie Claudia und Hendrik Neukirchner. Seit 20 Jahren - die Vorbereitung fürs erste Drei-Tage-Event mit eingerechnet - stellen die beiden Suhler mit zahlreichen Mitstreitern in jedem Herbst das Kulturfest "Provinzschrei" auf die Beine. Als sie anfingen, waren sie knapp über 20, studierten in Leipzig und Halle, und wollten unbedingt etwas in ihrer alten Heimat auf die Beine stellen. Heute hat jeder der beiden Festival-Macher seinen Lebensmittelpunkt in Südthüringen gefunden. Und ja, sie haben der Provinz sanften Charme verliehen. Haben sie als lebenswerten Ort betrachtet. "Alles, was Rang und Namen hat, war schon da", blickt Hendrik Neukirchner auf die Festival-Jahrgänge zurück.

Das stimmt zwar nicht ganz, aber immerhin: Von Katja Riemann bis Wolfgang Adams reicht die lange und beeindruckende Liste, die im Heft abgedruckt ist. Manche der Sänger, Musiker, Autoren konnten sie holterdiepolter verpflichten, anderen gingen sie so lange auf den Wecker, bis sie schließlich zusagten. Manche Wünsche sind natürlich Preisfragen für ein so kleines Festival, andere ein Problem der Terminkalender. "An Lars Eidinger bin ich schon jahrelang dran", sagt Claudia Neukirchner - einer der Träume, der bleibt für die Zukunft. Aber, und das macht eben das Glück der Provinz aus, gerade hier, fern der Großstadt, fühlten sich viele Künstler so frei, dass ihnen bewegende Abende glückten: Wer erinnert sich noch an die Begegnungen mit Eva Matthes, Iris Berben, Martina Gedeck oder Annekathrin Thalbach?

Nun also röhrt der Hirsch zum 19. Mal. Und wieder verspricht das Programmheft Sensationelles im Thüringer Wald: Schauspielerin Meret Becker wird mit The Tiny Teeth kommen und "Le Grand Oridinaire" aufführen - ein musikalisches Zirkusprogramm (23. November). Auch Jasmin Tabatabei bringt Musik mit nach Suhl: "Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist", hat sie ihren Abend genannt (26. Oktober). Die Schriftstellerin Daniela Dahn wird aus "Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute" lesen - ein Plädoyer dafür, nicht nur die DDR, sondern auch die 30 Jahre danach aufzuarbeiten. Der Thüringer Journalist und Autor Frank Quilitzsch begibt sich in den Dialog mit dem Thüringer Schauspieler Thomas Thieme. Martin Brambach - Stiefbruder von Jan-Josef Liefers und Dresdner Tatort-Kommissar, liest mit Christiane Sommer, seiner Frau, "Love Letters. Der "Club der toten Dichter" hat sich in diesem Jahr aus Gründen seines Jubiläums den Schriftsteller Theodor Fontane vorgenommen. Und Jens Weißflog liest aus den "Geschichten meines Lebens".

Los geht es am 24. August mit einem Open-Air-Konzert der Liedermacherin Dota im Hennebergischen Museum Kloster Veßra. Am 1. September, dem Weltfriedenstag, folgt ein politischer Abend: Der Zeit -Journalist Wolfgang Bauer wird Reportagen vorstellen, die er über syrische Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa geschrieben hat. Insgesamt sind bis 23. November 13 Abende mit 17 Veranstaltungen geplant. Für ein Festival, das mit lediglich rund 10 000 Euro institutioneller Förderung durch den Freistaat Thüringen und die Stadt Suhl auskommen muss, eine ganze Menge. Klagen möchten Claudia und Hendrik Neukirchner dennoch nicht: Die Wertschätzung des Publikums machte manchen Kampf ums Geld vergessen. Und das wird kommen - auch in diesem Jahr.

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www.provinzschrei.de