Coburg - Mit dem Coburger Rückert-Preis, der am kommenden Wochenende zum zweiten Mal verliehen wird, soll in Zeichen für den Brückenschlag zwischen den Kulturen und Literaturen unserer Zeit gesetzt werden. Nachdem der 1. Coburger Rückert-Preis 2008 an den arabischen Romancier Alaa al-Aswani verliehen werde, rückt die diesjährige Auszeichung des Lyrikers Essmâ'il Cho'i den Iran in den Focus. Die persische Literatur bildete einen Schwerpunkt in Rückerts dichterischem Schaffen. Einblicke in den modernen Iran geben in der kommenden Woche ein Spielfilm und zwei Lesungen im Rahmenprogramm des Rückert-Preises.

"Zeti des Zorn"

Den Auftakt macht die VHS-Kinoinitiative mit dem iranischen Film "Zeit des Zorn" (Dienstag und Mittwoch, 11. und 12. Mai, 20.15 Uhr Utopolis). Das Private ist unbedingt politisch in Rafi Pitts jüngstem Film, der auf der diesjährigen Berlinale große Aufmerksamkeit weckte. Er spürt den Narben und Wunden seiner Figuren nach, den "Überlebenden", wie Rafi Pitts sagt. Eine Anatomie des Widerstands und der Repression gelingt Pitts in dem elegisch-melancholischen und doch auch beinah hungrigen und fordernden "Zeit des Zorns". Der Film fragt nach politischer Handlungsfähigkeit unter den Bedingungen, denen eine global vernetzte, moderne und reaktionäre Gesellschaft unterliegt.

Sudabeh Mohafez zu Gast

Am Freitag, 14. Mai, lädt der Rodacher Rückert-Kreis e.V. zu einer Lesung mit der deutsch-iranischen Autorin Sudabeh Mohafez ein. Sudabeh Mohafez

Sie lebte in Teheran, Berlin und Lissabon und ist seit einigen Jahren in Stuttgart heimisch. Sie studierte Musik, Anglistik und Erziehungswissenschaften und war lange Jahre in der Gewaltprävention und Krisenintervention tätig. Die Schriftstellerin erhielt mehrere Literaturstipendien und Preise, hatte im Sommersemester 2007 die Poetikdozentur an der Fachhochschule Wiesbaden inne und war 2008 für den Bachmannpreis nominiert. Im Februar erschienen ihr neuer Roman "brennt" im DuMont Verlag, sowie "Das Zehn-Zeilen-Buch" in der Edition Azur. Ebenfalls in 2010 erscheinen ihre Poetikvorlesungen im Fischer Verlag.

Anja Lenßen liest

Am Samstag, 15. Mai, 20 Uhr, wird die Schauspielerin Anja Lenßen, stellvertretend für die erkrankte Autorin Anne Ameri-Siemens, im Gemeindezentrum Contakt aus der Biographie der Fürstentochter Azar "Auf bald, Teheran" lesen.

Die Biographie der dem Nomadenstamm Ghashghai angehörenden Fürstentochter schildert ihren Kampf für die Freiheit im Iran und beginnt mit der Flucht Azars und ihrer Familie aus dem Iran 1980. In den fünfziger und siebziger Jahren muss die Familie Azars die Willkür des Schahs erdulden, der sie ins Teheraner Exil schickt. Ein Bruder Azars, der als Partisan kämpft, wird hingerichtet. Voller Hoffnung begleiten Azar und ihre Angehörigen und die Revolution 1978/79. Doch der Gottesstaat Khomeinis ist nicht das, was sie für ihr Land erhofft haben. Das neue Regime zwingt die Fürstentochter mit ihren Kindern und ihrem Mann zur Flucht.

"Auf bald, Teheran" ist somit nicht nur ein spannendes, sondern zugleich ein überaus informatives Buch, das die aktuellen Geschehnisse im Iran in Zusammenhang mit der politischen Historie besser verstehen lässt. (VVK Buchhandlung Riemann 5,- / Abendkasse 6,- ).

Der Preisträger des 2. Coburger Rückertpreises, Essmâ'il Cho'i, ist einer der großen alten Herren der modernen iranischen Poesie und einer der letzten lebenden Repräsentanten der zweiten Blüte der persischen Lyrik. Politische und melancholische, Liebes- und Naturpoesie sind bei ihm zu finden, oftmals bildersprachlich ineinander verwoben, doch niemals in sich gefangen. Obwohl Cho'i schon lange im Exil lebt, ist seine Heimat Iran in seinen Gedichten immer präsent.

Unerschrockener Dichter

Essmâ'il Cho'i wurde 1938 in Maschhad geboren. Er studierte Philosophie in Teheran und London. Nach Abschluss seines Studiums war er eine Zeitlang in Teheran als Hochschullehrer tätig.

Da er sich als eines der Gründungsmitglieder des Schiftstellerverbandes aktiv für die Gedanken- und Meinungsfreiheit einsetzte, wurde er als dem Schah-Regime missliebig aus dem Staatsdienst entlassen. Nach der islamischen Revolution sah er sich einem noch repressiveren System gegenüber. Bald musste er in den Untergrund gehen, wo er sich zwei Jahre lang verborgen hielt, bevor er 1983 nach England floh. Er lebt bis heute in London. Dort hat er sich immer wieder als eine der mutigsten Stimmen gegen die islamische Tyrannis geäußert und z. B. seine Solidarität mit Salman Rushdie und Taslima Nassrin bekundet.