Feuilleton Der Promi-Faktor ist zweitrangig

Die Coburger Literaturtage gehen in die 14. Runde. Diesmal geht es um Selbstfindung, künstliche Intelligenz und gelebte Streitkultur.

 
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Coburg - Martin Walser war schon da, auch Tankred Dorst, Thea Dorn, Alex Capus, Martin Mosebach, Juli Zeh und Sten Nadolny. Und doch steht bei "Coburg liest!" nicht der Promi-Faktor im Vordergrund: "Name-Dropping gibt es bei uns nicht. Uns geht es vor allem um die Literatur, um die Inhalte", erklärt Irmgard Clausen. Die gut vernetzte Buchhändlerin kümmert sich im Vorfeld der Coburger Literaturtage um die Kontakte zu Verlagen und Schriftstellern. Zuweilen ist selbst die Branchenkennerin dabei "geplättet" von den Konditionen: Manch angesagter Literat neigt schon mal zu "Hollywoodgagen".

Coburg liest!

Dienstag, 25. April

"Literatur in den Häusern unserer Stadt"

20 Uhr in Privatwohnungen,

Vorverkauf an der Kasse des Landestheaters und bei der Neuen Presse 7 Euro, erm. 5 Euro

Mittwoch, 26. April

"Smarte Maschinen" mit Ulrich Eberl

20 Uhr, Mensa des Gymnasiums Ernestinum, Untere Realschulstraße 2

Donnerstag, 27. April

Autorengala mit Peter Stamm

20 Uhr, Pfarrzentrum St. Augustin, Festungsstraße 1

Freitag, 28. April

Jakob Augstein & Nikolaus Blome "Links oder rechts?"

20 Uhr Hochschule Coburg, Friedrich-Streib-Straße 2

Samstag, 29. April

Der Roman-Marathon mit Paula Fürstenberg, Klaus Böldl und Rasha Khayat

20 Uhr, Theater in der Reithalle

Eintrittspreise

Im Vorverkauf bei der Buchhandlung Riemann 12,-, Schüler/Studierende 5,- , Abendkasse 15,-

Roman-Marathon: Vorverkauf

18,- /5,- Abendkasse 25,-

Auf der anderen Seite mangelt es nicht an Avancen aufstrebender Publizisten, fast täglich findet Alois Schnitzer, der 1. Vorsitzende des Coburger Literaturkreises, Angebote für Autorenlesungen in seinem E-Mail-Postfach. Doch das Programm fürs kleine feine Festival, das sich seit 2004 stets um den Welttag des Buches am 23. April rankt, wird von langer Hand und mit großem Engagement vorbereitet.

Die zwölf Vielleser aus dem Organisationsteam sondieren die Neuerscheinungen, schauen und hören sich beispielsweise beim Erlanger Poetenfest um und wägen gründlich ab: "Manchmal gibt es heiße Diskussionen, temperamentvoll, aber ohne Ärger," verrät Irmgard Clausen. Wenn am Ende kein Konsens steht, wird der Plan verworfen und nach Alternativen gesucht.

Über den Headliner dieses Jahres bestand sofort Einvernehmen: Schon bei der Manöverkritik der Literaturtage 2016 landete Peter Stamm mit seinem für den deutschen Buchpreis nominierten Roman "Weit über das Land" auf dem Wunschzettel. Doch die Entscheidung des Schweizer Autors zog sich hin: "Es war eine Zitterpartie bis kurz vor Weihnachten", erzählt Clausen. Plan B blieb in der Schublade, Stamm sagte zu und wird am 27. April bei der Autorengala nicht nur sein aktuelles Buch vorstellen, das aus verschiedenen Perspektiven von einer jähen Zäsur handelt: Ein Mann verlässt urplötzlich Frau und Kinder, um mittellos durch die Einsamkeit der Berge zu streifen.

Das Thema Selbstfindung zieht sich - unbeabsichtigt, wie Alois Schnitzer anmerkt - durch das diesjährige Programm und prägt vor allem die Geschichten, die beim abschließenden "Roman-Marathon" am 29. April in der Reithalle zur Sprache kommen. Die Heldin in Paula Fürstenbergs Debütroman "Familie der geflügelten Tiger" wird plötzlich mit weißen Flecken in der eigenen DDR-Biografie konfrontiert. Ein Einzelgänger macht sich in Klaus Böldls Roman "Der Atem der Vögel" auf eine Wanderung in die Natur der Faröer-Inseln und zu sich selbst. Rasha Khayats Roman "Weil wir längst woanders sind" erzählt von einer modernen jungen Frau, die aus freien Stücken Deutschland verlässt, um in der alten Heimat Saudi-Arabien zu heiraten.

Der abendfüllende "Roman-Marathon" - bei dem anfangs sogar vier Autoren an zwei Orten an den Start gingen - zählt zu den beliebtesten und daher oft ausverkauften Formaten der Literaturtage. Bei der Konzeption des Abends, bei dem noch weniger bekannte Schriftsteller zu entdecken sind, achten die Organisatoren auf Vielfalt: "Wir bringen unterschiedliche Töne und Stimmen zusammen", meint Irmgard Clausen.

Neben der Belletristik hat sich im Lauf der Jahre auch das Sachbuch einen Stammplatz bei "Coburg liest!" gesichert - nicht zuletzt, um neue Zielgruppen anzusprechen. Auf junges Publikum hoffen die Programmgestalter, wenn am kommenden Mittwoch "Smarte Maschinen" im Mittelpunkt einer Lesung mit dem Physiker und Zukunftsforscher Dr. Ulrich Eberl stehen: Robotik und künstliche Intelligenz sind hochaktuelle Themen, die das Leben zunehmend verändern werden.

Keiner digitalen Unterstützung bedürfen die beiden klugen Köpfe, die am Freitag ein neues Format der Literaturtage einführen werden: Jakob Augstein und Nikolaus Blome liefern sich live ein Streitgespräch im Stile ihrer wöchentlichen TV-Debatte im Sender "Phoenix". In einer "politisch aufgeladenen Zeit" wollen die Coburger Literaturfreunde damit ein Zeichen für eine politisch wache Literatur und für eine kultivierte Streitkultur setzen: Hart, aber fair geht es zu, wenn der Linke Augstein und der liberalkonservative Blome in den Ring steigen.

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